In mehreren Städten sind zuletzt Demonstranten auf die Strasse gegangen, um sich gegen die derzeitige Sanktions- und Kriegspolitik der westlichen Regierungen zu wehren (siehe hier). Gleichzeitig schrauben Politik und Medien mehr und mehr an der Eskalationsschraube.
Sowohl Russland als auch der Westen sprechen inzwischen offen von einem möglichen Atomkrieg. Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ, schrieb am Samstag: «Wer den Atomkrieg verhindern will, muss in der Lage sein, ihn zu führen. Nur wer über die notwendigen Mittel und den politischen Willen verfügt, kann dem Gegner glaubhaft machen, dass er im Extremfall zur Eskalation bereit ist.»
Die NATO übt gegenwärtig schon einmal diese Bereitschaft. Am Montag hat das westliche Militärbündnis mit der Übung «Steadfast Noon» begonnen. Hierbei handle es sich um ein jährliches Manöver zur Verteidigung des europäischen Bündnisgebiets mit Atomwaffen.
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schreibt dazu am heutigen Montag: «An der Übung ‹Steadfast Noon› werden laut Bündnisangaben in den kommenden zwei Wochen bis zu sechzig Flugzeuge beteiligt sein – darunter moderne Kampfjets, aber auch Überwachungs- und Tankflugzeuge sowie Langstreckenbomber vom Typ B-52. Schauplatz soll insbesondere der Luftraum über Belgien, Grossbritannien und der Nordsee sein. Auch die Bundeswehr ist beteiligt.»
Laut der Nato handle es sich bei der Übung nicht um eine Reaktion auf den russischen Angriff. Auch würden keine scharfen Waffen zum Einsatz kommen. «Bei der Übung, die bis zum 30. Oktober läuft, handelt es sich um eine routinemässige, wiederkehrende Ausbildungsmassnahme, die in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Weltgeschehen steht», teilte die NATO am Freitag mit.
Nato-Sprecherin Oana Lungescu betonte: «Diese Übung trägt dazu bei, dass die nukleare Abschreckung des Bündnisses sicher und effizient bleibt.» Zum Übungsszenario und zu den Details macht die Nato keine konkreten Angaben.
Die dpa verweist auf Militärexperten. Diesen zufolge werde bei diesen Manövern unter anderem geübt, wie man die amerikanischen Atomwaffen sicher aus unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert. Bei den Übungen werde allerdings ohne die Bomben geflogen. Weiter die dpa:
«Amerikanische Atomwaffen sollen laut unbestätigten Angaben in Norditalien, in Belgien, der Türkei sowie in den Niederlanden und im rheinland-pfälzischen Büchel gelagert sein. Die sogenannte nukleare Teilhabe der Nato sieht vor, dass sie im Ernstfall auch von Flugzeugen von Partnerstaaten abgeworfen werden und dann zum Beispiel gegnerische Streitkräfte ausschalten. Deutschland hält dafür Kampfjets vom Typ PA-200 Tornado bereit.»
Anders als bei früheren «Steadfast Noon»-Übungen sei in diesem Jahr, dass die Nato proaktiv über den Beginn informiert. In Bündniskreisen werde dies damit begründet, dass nun stärker als sonst gezeigt werden soll, dass die Nato selbst auf ein Schreckensszenario wie einen Atomkrieg gut vorbereitet ist.
Umso bedenklicher ist die gegenwärtige Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass sich der Westen immer mehr in den laufenden Krieg einmischt. Jüngstes Beispiel: Die EU-Aussenminister beabsichtigten am Montag in Luxemburg eine Ausbildungsmission für rund 15’000 ukrainische Soldaten zu beschliessen, wie die WELT berichtet.
«In Deutschland sollen allein 5000 Männer und Frauen ausgebildet werden, beispielsweise in Minenräumung, Sanitätswesen und militärischer Taktik. Ziel der Mission ist – so steht es im vertraulichen Krisenmanagementkonzept des Europäischen Auswärtigen Dienstes –, dass ‹die Ukraine in der Lage ist, Kampfoperationen zur Verteidigung der territorialen Integrität und Souveränität eigenständig durchzuführen›.»
Das Training mit dem offiziellen Namen «Militärische Unterstützungsmission der Europäischen Mission für die Ukraine» (EUMAM UA) soll in der zweiten Novemberhälfte beginnen. «Wir haben schon Zeit verloren. Je schneller das Training beginnt, desto besser», sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU), gegenüber der WELT.
Er bezeichnete die geplante Ausbildungsmission als «sehr wichtigen Schritt, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine substanziell zu stärken». McAllister forderte aber zugleich: «Entscheidend ist, dass das Training von ukrainischen Soldaten eng mit unseren Nato-Verbündeten abgestimmt wird. Die Aktivitäten von EU und Nato müssen komplementär sein.»
Um das Sicherheitsrisiko zu minimieren, dass Russland diese Ausbildung angreife, werde das Training nicht in der Ukraine, sondern schwerpunktmässig in Deutschland und Polen stattfinden. Es soll aber auch Lehrgänge in weiteren EU-Ländern geben. Damit jedoch riskiert die EU, «zur Kriegspartei zu werden», interpretiert die WELT die jüngsten Entwicklungen.
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