Als einer der 17’800 in Hamburg tätigen Ärzte nervt mich die täglich in den Medien gepflegte Corona-Berichterstattung zunehmend. Die Leute werden durch permanente Panikmache verrückt gemacht, langjährige Freundschaften zerstört, und die gesellschaftliche Spaltung geht schon durch viele Familien. Eine kritische Betrachtung der Pandemie ist gar nicht mehr möglich, ohne automatisch in der Ecke der sogenannten Corona-Leugner, Aluhutträger, Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker zu landen. Es wird nicht mehr differenziert.
Ich gehöre auch zu den Hausärzten, die im notärztlichen Dienst durch die Stadt fahren und Corona-Abstriche machen, und ich sehe die Zahlen. Wenn eins und eins elf ergibt, gehe ich sämtliche Rechenschritte noch einmal durch und versuche den Fehler und eine plausible Antwort zu finden.
Was ich sehe ist, dass die Zahl der behandlungspflichtigen Patienten mit Corona-Symptomen in Hamburg seit Wochen stabil zwischen 20 und 33 pendelt, unabhängig davon, wie viele Leute positiv getestet werden. Auch in meiner Praxis gab es mehrere positiv Getestete. Erfreulicherweise haben diese Patienten in der zweiwöchigen Quarantäne nicht mal ihre eigene Familie angesteckt.
Natürlich bezweifele ich nicht die Infektiosität des Virus, sehe es aber ähnlich wie der Chef der Hamburger Ärztekammer Walter Plassmann, der in einem Gastbeitrag für mehr Gelassenheit gegenüber dem Virus eintrat und die Herren Söder, Drosten und Lauterbach für ihre permanente Panikmache kritisierte.
Weiterhin bemängelte er die Fixierung auf Infektionszahlen als Indikator und stellte klar, dass ein positiv Getesteter ohne Symptome kein Patient sei. Es sei unredlich, aus der Zunahme der Neuinfektionen eine derart grosse Gesundheitsgefahr abzuleiten, wie das derzeit vonseiten der Politik und der Medien geschehe.
Keine der zahlreichen Demonstrationen, bei denen viele keine Maske trugen – angefangen Pfingstsonntag mit der von der Berliner Clubszene initiierten Bootsdemo auf der Spree über die beiden grossen Berlin-Demonstrationen, Black Lives Matter oder Fridays for Future – hat zu irgendeinem messbaren Anstieg von Infektionen geführt.
Bei meinem letzten notärztlichen Einsatz am vergangenen Mittwochabend waren sämtliche Cafés sowie der gesamte Spritzenplatz mit jungen Leuten bevölkert, zahlreiche cornerten in Gruppen auf dem Bürgersteig ohne Maske, ohne Abstand und tranken ihr Bierchen. Wäre Corona die Pest, wären die Krankenhäuser schon jetzt hoffnungslos überfordert.
Man kann über das Maskentragen geteilter Meinung sein. Was ich aber vor zwei Wochen auf einer ärztlichen Fortbildung in einem Hotel an der Alster erleben musste, grenzt an Realsatire.
Beim Betreten des Hotels: Maske auf. Nach Registrierung ging es mit 70 Kolleg/-innen in den fensterlosen Seminarraum mit Klimaanlage. Dort durften die Masken abgenommen werden. Nach Beginn der Mittagspause Verlassen des Seminarraums mit Maske. Am Büfett dann Maske ab und mit Teller und Getränk zum fröhlichen Plausch mit Kollegen an den Bistrotisch. Danach erneut Maske auf, um aerosolgesichert die 20 Meter in den Seminarraum zu überbrücken, um dort die Maske wieder abzunehmen. Da ich bislang im Rahmen einer Rückverfolgung der Infektionskette nicht über einen Corona-Vorfall unterrichtet worden bin, ist davon auszugehen, dass sich keiner der Kolleg/-innen infiziert hat.
Stefan Bick, Arzt für Allgemeinmedizin
Wir danken Herrn Bick für die Veröffentlichungsrechte seines Leserbriefes.