Für viele Bürger zeigte sich in den letzten zwei Jahren: Die Differenz zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung ist riesig. Während mindestens 40 Prozent der Bürger in der Schweiz sich während der «Pandemie» ernsthafte und grundlegende Fragen über die Corona-Massnahmen stellten, fanden diese in den grossen Medien kaum Gehör.
Der Vorwurf vieler kritischer Bürger und Demokraten lautet demnach: Fast alle grossen Zeitungen haben die Regierung in ihrem Kurs grossmehrheitlich gestützt. Doch stimmen diese Vorwürfe tatsächlich? Standen sich Medien und Behörden wirklich so nah und nickten fast alles ab, was vom BAG und der Regierung kam? Wie haben einzelne Medienhäuser tatsächlich über die Politik des Bundesrates, des BAG, der Corona-Task-Force und einzelne Behördenmitglieder berichtet?
Die Zürcher Studentin Clara Goebel wollte es genau wissen. Sie ging im Rahmen ihrer Masterarbeit für das University College in London genau diesen Fragen nach. Die Studentin hat in Zusammenarbeit mit der NZZ, die jüngst auf Goebels Arbeit aufmerksam machte, 42’000 Artikel ausgewertet, die in 48 Schweizer Zeitungen und Online-Plattformen zwischen Januar 2020 und April 2022 erschienen sind. Jeder Artikel wurde dabei mittels Computeranalyse auf positive, neutrale und negative Wertungen geprüft.
Das Fazit der Studentin: «Die Berichterstattung war bei allen Medien überwiegend neutral. Aber bei der Beurteilung von zentralen Akteuren wie Alain Berset und Ueli Maurer gibt es deutliche Unterschiede.»
Interessant: Gemäss Goebels Studie waren lediglich 6,8 Prozent der untersuchten Medienberichte negativ gefärbt – ein Wert, der auch in der zweiten Corona-Welle fast stabil blieb, wie die NZZ schreibt. Über 90 Prozent der untersuchten Artikel seien neutral oder positiv gewesen. Dies sei angesichts des sonst ausgeprägten journalistischen Hangs zur Kritik eher ungewöhnlich.
Wenig überraschend: Besonders wenige kritische Meldungen seien bei SRG und Ringier erschienen – also jenen Medienhäusern, die wegen der gefühlten Staatsnähe in der Kritik standen. SRG hielt sich mit Kritik vergleichsweise zurück, sowohl an der Task-Force als auch am Bundesrat und am BAG.
«So gab es in SRF-Artikeln nur 3,4 Prozent negative Nennungen in Bezug auf das BAG. Ringier-Publikationen wie der einst aggressive ‹Blick› schonten tendenziell ebenfalls das BAG – und Alain Berset», schreibt die NZZ.
Wenn Kritik geäussert wurde, dann meistens an Ueli Maurer (SVP). Also genau an jenem Bundesrat, der während der «Pandemie» vereinzelt mit kritischen Äusserungen auf sich aufmerksam machte und den bundesrätlichen Konsens immer wieder störte – unter anderem mit Solidaritätsbekundungen für die massnahmenkritischen Freiheitstrychler.
Laut Goebels-Studie sei Maurer insbesondere bei 20 Minuten und Ringier schlecht weggekommen. Mit Alain Berset seien alle Medien gnädiger umgegangen. Besonders SRF und die Zeitungen des Ringier-Verlags hielten sich gegenüber dem Innenminister stets zurück.
Bei Berset registrierte Goebel nur etwa halb so viele negative Nennungen wie bei Maurer. Als Berset wegen fehlender nationaler Schutzstrategien für Altersheime von bürgerlichen Bundesratskollegen kritisiert wurde, griff der Blick die Kritik zwar auf – wertete sie jedoch ab. Dies, indem er den Absendern einen «hämischen» oder «süffisanten Unterton» unterstellte. Anders war das Wording bei Bundesrat Ueli Maurer. Er kritisiert laut Blick nicht. Er lästert.
Kommentare