Seit Monaten leistet sich die «Swiss National Covid-19 Science Task Force» Fehlprognosen am Laufmeter. Trotzdem scheint sie nach wie vor das Vertrauen des Bundesrats zu geniessen. Am Mittwoch warnte sie im Rahmen der Pressekonferenz ein weiteres Mal vor raschen Öffnungen (Corona-Transition berichtete). Martin Ackermann, Leiter der Task-Force, schreckt auch vor noch schärferen Massnahmen nicht zurück.
Die Journalistinnen Catherine Riva und Serena Tinari vom Recherche-Netzwerk re-check.ch deckten bereits im Februar 2021 zahlreiche Ungereimtheiten hinsichtlich des Beratergremiums des Bundesrates auf. Darunter die mangelnde Transparenz, die andauernde Verletzung des BAG-Mandats und einiges mehr (Corona-Transition berichtete). Nun doppelt K-Tipp nach. Das Konsumentenmagazin warf einen genaueren Blick auf die Mitglieder der Task-Force und stellte zahlreiche Interessenkonflikte fest.
Von Pfizer/Biontech bezahlt
Einige Beispiele: Die Task-Force-Mitglieder Daniel Speiser und Christian Münz erhalten in den Medien regelmässig eine Plattform als sogenannte Impfstoff-Experten. Beide haben jedoch enge Beziehungen zu Pharmafirmen, die dick im Impfgeschäft mitmischen. Der K-Tipp schreibt: «Daniel Speiser, einer der fünf Impfstoff-Experten der Covid-19-Task-Force, hat gleichzeitig ein Beratungsmandat beim Impfstoffhersteller Curevac. Und Christian Münz, seines Zeichens Leiter der Impfstoff-Gruppe der Task-Force, sitzt in der Jury des Forschungspreises, den der Pharmazeutik-Gigant Pfizer jährlich vergibt.»
Münz scheint auch kein Problem damit zu haben, in den Medien offen für Biontech/Pfizer zu werben. Als im vergangenen November Biontech/Pfizer verkündeten, dass ihr Impfstoff zu 90 Prozent wirksam sei, sagte Münz gegenüber SRF:
«Das Sicherheitsprofil, das aus den klinischen Studien hervorgeht, ist eines der besten eines jeden Medikaments, das jemals an den Menschen gebracht worden ist.»
Gegenüber dem Beobachter, dem Wissensmagazin Higgs.ch und weiteren Medien warnte Münz wiederum vor möglichen Nebenwirkungen und Langzeitschäden des Pfizer-Konkurrenten Astra Zeneca.
Alles andere als unabhängig ist auch Suzanne Suggs, Co-Leiterin der Task-Force-Gruppe für «Massnahmen zur Pandemiebekämpfung». Suggs ist Mitglied im Beratungsgremium für Impfstoffe beim Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme AG. Was der K-Tipp nicht erwähnt: Suggs ist zudem auch noch «Visiting Reader» beim «Institute for Global health Innovation» des Imperial College in London.
Zur Erinnerung: Das Imperial College erhält seit Jahren umfangreiche finanzielle Geldzuflüsse von der Bill & Melinda Gates Foundation und arbeitet seit langem intensiv mit der Pharmaindustrie zusammen. Es waren auch Forscher des Imperial College, die im Frühling 2020 Grossbritannien und die Welt mit Horrorszenarien aufschreckten. Darunter Neil Ferguson, der britische Epidemiologe und Professor für mathematische Biologie, der von über einer halben Million Corona-Toten für Grossbritannien und über 2,2 Millionen in den USA sprach, sofern keine Gegenmassnahmen ergriffen würden.
Mitglieder sehen keine Interessenkonflikte
Ein weiteres Mitglied mit Interessenbindungen zur Pharmaindustrie ist Thierry Calandra. Calandra ist Task-Force-Experte für die «kritische Beurteilung der klinischen Forschungsdaten zu Covid-19». Er berät mehrere Pharmakonzerne und sitzt zudem im Stiftungsrat von Safe-ID. Dazu der K-Tipp:
«Die Stiftung organisiert Infektiologie-Weiterbildungen und erhält dafür ‹Bildungszuschüsse› von Pharmakonzernen – letztes Jahr von Pfizer, von Covid-Schnelltest-Anbieter Roche und der US-Firma Gilead, die das umstrittene Covid-Medikament Remdesivir herstellt.»
Die Task-Force-Mitglieder selbst spielten auf Anfrage des K-Tipp die Interessenbindungen herunter. Christian Münz erklärte, dass er jährlich «nur einen tiefen dreistelligen Frankenbetrag» erhalte. Daniel Speiser betonte, er berate Impfstoffhersteller Curevac betreffend Krebspatienten und habe keine Wertpapiere der Firma. Suzanne Suggs schreibt:
«Ich lege meine Beratungstätigkeit immer offen und lasse niemals zu, dass MSD oder andere meine Arbeit für die Task-Force beeinflussen.»
Thierry Calandra merkt an, dass die Safe-ID das Sponsoring der Pharmakonzerne auf ihrer Website transparent mache. Der Sprecher von Bundesrat Alain Berset rechtfertigte sich gegenüber dem K-Tipp, dass alle Task-Force-Mitglieder ihre Interessenbindungen auf der Website der Task-Force offenlegten. Die Mitglieder der Impfgruppe hätten zudem «eine Vertraulichkeits- und Integritätserklärung unterschrieben».
Bereits die Journalistinnen Catherine Riva und Serena Tinari wiesen auf die mangelnde demokratische Legitimation der Task-Force hin. Ein Punkt, an dem auch der K-Tipp anknüpft:
«Die Task-Force geht nicht auf einen Entscheid des Bundesrats zurück, sondern auf einen Vorschlag des Präsidenten Ackermann und drei weiterer Initianten aus universitären Kreisen. Sie baten den Bund um ein offizielles Mandat und schickten im gleichen E-Mail direkt selber einen Vorschlag für den genauen Wortlaut des Mandats. Der Bund übernahm den Vorschlag fast unverändert. Wer im Gremium mitmachen darf, bestimmt das Präsidium: Mitglieder der Task-Force werden direkt von Präsident Ackermann ernannt. Offiziell in Abstimmung mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG, doch in einer Antwort auf eine Nachfrage im Parlament sagte der Bundesrat: ‹Die Task-Force ist unabhängig und wählt ihre Mitglieder selber aus›.»
Das Konsumentenmagazin gelangt zum Fazit, dass das Beratergremium des Bundesrats eine nicht demokratisch legitimierte Kommission aus Freiwilligen darstelle.
Kommission für Pandemievorbereitung interessiert Bundesrat nicht
Noch mehr Fragen wirft die Arbeit der Task-Force vor dem Hintergrund auf, dass der Bundesrat eigentlich gar nicht auf sie angewiesen wäre.
«Seit Jahren gibt es beim Bund ein unabhängiges Expertengremium, die ‹Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und –bewältigung› (EKP). Ihre Mitglieder werden vom Bundesrat gewählt, er sorgt dabei für eine ausgewogene Vertretung der relevanten Gruppen.»
Die Kommission bestehe aus 14 Mitgliedern, darunter Infektiologen und andere Ärzte, ein Kantonsarzt und ein Kantonsapotheker sowie Vertreter des Ärzteverbands und der Pharmaindustrie. Im Gegensatz zur Task-Force, die keine Protokolle zu ihren Sitzungen führt, protokolliert die Kommission jede Sitzung – wie alle übrigen Kommissionen auf Bundesebene dies auch tun. Doch die EKP spielt im Zuge der gegenwärtigen Coronakrise keine Rolle. Ein Sprecher des Departements des Innern sagte gegenüber dem K-Tipp: Die Kernaufgabe der Kommission sei es, «den Bund bei der Vorbereitung von Pandemien zu beraten». Etwas anderes steht auf der Internetseite des Departments. Dort heisst es:
«Im Ereignisfall übernimmt die EKP eine beratende Funktion in Fragen der Lage- und Risikobeurteilung sowie in der Wahl der Strategien und Massnahmen zur Bewältigung einer Pandemie.»
Doch auf die Lage- und Risikobeurteilung der EKP verzichtete das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das bestätigte die Präsidentin der Kommission, Anne Iten: «Als die Krise kam, habe ich das BAG auf die Erwartungen an die Kommission angesprochen. Man sagte mir im BAG, man werde sich bei Bedarf melden. Bis dahin solle jeder an seinem Platz weiterarbeiten. Das haben wir getan», sagte sie vor einem Jahr gegenüber Radio SRF. Und dabei ist es seither auch geblieben.