Wer studiert, wird hinterher nicht unbedingt wissenschaftlich tätig sein. Nach dem Abschluss übernehmen viele Absolventen Fach- und Führungsaufgaben in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Es sind also die Hochschulen, die eine Gruppe von akademisch gebildeten Fachleuten ausbildet und prägt. Diese sind dann später in verschiedenen Bereichen wie Medien, Kultur, Marketing, Politik, Wirtschaft und sozialem Aktivismus tätig und prägen so wiederum die Gesellschaft.
Ein Artikel von Thilo Spahl auf der Plattform Achgut nennt sie die PMC (Professional Managerial Class). Diese Gruppe tendiere dazu, «progressivistische» Ansichten zu unterstützen und sich für die «gute Sache» einzusetzen, um ein positives Selbstbild zu entwickeln und soziales Prestige zu erlangen.
Der Artikel zitiert den amerikanischen Autor Sean Collins, der meint, dass es heute weder eine «herrschende Kapitalistenklasse» noch eine «organisierte Arbeiterklasse» gäbe, die ein Gegengewicht zur PMC bilden würde. Damit hätte die PMC freie Bahn.
Diese Klasse übernehme dann die Pflege des «current thing». Dieser Begriff sei eng verwandt mit den Begriffen «Mainstream» und «Zeitgeist», betone aber zusätzlich das Schlagwortartige, also das, was gerade angesagt sei. So würden Strömungen geschaffen, bewirtschaftet und verstärkt wie #MeToo, Black Lives Matter, Klimaschutz, Multikulti, Diversity, LGBTQ+, Refugees Welcome, Save the Planet, Follow the Science, Net Zero, Nachhaltigkeit, Zero Covid, noAfD, Gendersprache, Kampf gegen Rechts, Europäische Identität oder auch Postnationalismus.
Von dort aus sei es nur ein kleiner Schritt zur Abgrenzung. Man unterscheide sich von jenen, die nicht durch ein Studium die richtigen Haltungen und die «Political Correctness» verinnerlicht hätten. Dadurch erwerbe man Ansehen.
So würden diese Haltungen und Werte dann auch in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen eingebracht. Dazu gehörten auch Universitäten, Parteien, Stiftungen und NGOs, die, teilweise mit staatlicher Finanzierung, das «current thing» pflegten.
Zu diesem Sendungsbewusstsein, die vermeintlich richtige Sicht der Dinge zu vermitteln, komme immer mehr die Cancel Culture hinzu, also «die Diffamierung, Denunzierung, Bestrafung, Einschüchterung oder Zensur von Menschen, die (...) gegen die Ge- und Verbote der Political Correctness verstossen», wie der Autor des Artikels schreibt.
Spahl argumentiert weiter, dass der gegenwärtige Kult der Verletzlichkeit in diesem Kontext wenig mit der tatsächlichen Verbesserung der Lebensbedingungen für Benachteiligte zu tun habe. Vielmehr diene er der Demonstration moralischer Überlegenheit. Die PMC seien hingegen meist gut bezahlt und weitgehend frei von finanziellen Sorgen. Dies könne auch dazu führen, dass Menschen zunehmend hypersensibel gegenüber vermeintlichen Beleidigungen seien.
So ist es nur ein kurzer Weg bis zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Meinungsvielfalt an Universitäten sowie, durch die Ausbildung der «Eliten», in der Gesellschaft im Allgemeinen. Der Artikel beklagt den Anstieg von Zensur und Selbstzensur, die aufgrund des Drucks, keine kontroversen Meinungen äussern zu dürfen, zunehmen würden. Dies wird als problematisch für die Wissenschaft und akademische Freiheit angesehen.
Cancel Culture funktioniert indessen so: Wer etwas Falsches sagt, bekommt Ärger. Das Ziel besteht dabei nicht darin, in einen Dialog zu treten, sondern darin, jemanden zu denunzieren, damit er Busse tue, um wieder dazuzugehören.
In der Vergangenheit war es vor allem der Staat, der in die Kritik geraten sei. Es ging dabei um Ungerechtigkeit oder Umweltzerstörung. Heute seien es, neben staatlichen und staatsnahen Stellen, Grossunternehmen, die PMC als Arbeitgeber beschäftigten. Sie seien deshalb zu Verfechtern von politischer Korrektheit geworden, also von Identitätspolitik und von Klimaschutz.
Das neue Feindbild seien Arbeitnehmer, Selbstständige, Landwirte, Handwerker und mittelständische Unternehmer, die anderes zu tun haben, als ihre Zugehörigkeit zur akademischen respektive politisch korrekten Klasse unter Beweis zu stellen.
Kritisch sieht der Autor auch die Tendenz, Wörter zu prägen, mit denen das Infragestellen des wissenschaftlichen Konsenses verhindert werden könne. Wer das tue, verbreite «Fake News» oder er sei ein «Querdenker», «Coronaleugner» oder «Klimaleugner».
Ein Journalist, der wie Markus Lanz in seiner Talkshow zum Beispiel den Virologen Hendrik Streeck und den Epidemiologen Alexander S. Kekulé zu Wort kommen lasse, werde sofort hart angegangen. Die beiden Wissenschaftler hatten nämlich das herrschende Corona-Narrativ in Frage gestellt. Entertainer Jan Böhmermann durfte schliesslich ungestraft eine «Qualitätskontrolle» für Äusserungen im öffentlichen Raum fordern, das heisst: Zensur.
Spahl geht auch auf die Verschärfung des Kulturkampfes in Bezug auf Themen wie Klimawandel und Pandemiebekämpfung ein. Dabei würden Normalbürger und nicht beispielsweise die Superreichen als diejenigen dargestellt, die mit ihrem Lebenswandel, mit ihren Schadstoffemissionen und mit ihren Lebensgewohnheiten die grösste Bedrohung darstellten.
Diese Entwicklungen nahmen dem Autor zufolge an den Universitäten ihren Anfang und setzen sich fort, da heute viel mehr junge Menschen eines Jahrgangs studieren und PMC praktisch an allen Schalthebeln seien.
Der Artikel fordert deshalb die Bewahrung der Freiheit der Meinungsäusserung und einen respektvolleren Umgang mit Meinungsdifferenzen, besonders an Universitäten.
Er endet mit einer positiven Note, denn es sei nach wie vor eine Minderheit, die sich aktiv als Gesinnungswächter betätige. Immer mehr Wissenschafter fühlten sich eingeschränkt. Political Correctness verhindere, dass gewissen Forschungsfragen nachgegangen werde, gerade in den Sozial- und Geisteswissenschaften.
Das Unbehagen wächst und die Stimmung dürfte irgendwann kippen, folgert Spahl.
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