In drei Schritten zum wie weiter:
- Die Problemanalyse
- Der Abstand zum Problem
- Wie weiter
Die Problemanalyse
Um ein Problem zu lösen, das innerhalb eines Systems entstanden ist, hilft es, zuerst zu fragen, inwiefern das System selbst etwas mit dem Problem zu tun haben könnte.
Diese Frage erlaubt es, über die zwischenmenschlichen Konflikte hinaus, Mängel und Folgen zu erkennen, die mehr mit dem System zu tun haben als mit einzelnen Menschen, die sich in diesem System bewegen. Insbesondere ist dies hilfreich, wenn es sich um ein Problem handelt, das in seinem Kern etwas ist, das wir alle bereits aus sehr vielen ähnlichen Konstellationen kennen.
Immer wieder in der Geschichte, finden sich ganz unterschiedliche Menschen zu gemeinsamen Aktionen zusammen, um für etwas Neues oder gegen etwas Bestehendes sich zusammenzuschliessen. Oft werden derartige Gruppen sehr schnell sehr gross und gewinnen massgeblichen politischen Einfluss. Und mit dem Wachstum entstehen Fragen nach der passenden Organisation und in aller Regel wählt man eine Organisationsform, die als wesentliches Element eine Zentralisation von Entscheidungskompetenzen mit sich bringt.
Sehr schnell wird damit, bewusst oder unbewusst, dieser aktiven Kraft an der Basis die Energie entzogen. Zwar können die Menschen an der Basis sich noch äussern, doch einen wirklichen Einfluss auf die Entscheidungen der so zentralisierten Organisation haben sie nicht mehr. Sie können vielleicht noch Delegierte wählen und allenfalls auch direkt einen Vorstand wählen. Doch danach entzieht sich diese Leitungs-Gruppe der Kontrolle der Basis und verfolgt ihre eigenen Ziele.
Solche oder ähnliche Prozesse sind uns sehr bekannt, weil beinahe unsere ganze Gesellschaft so strukturiert ist. Sie bilden einen festen Teil unserer Kultur, in der wir es gewohnt sind, dass Menschen über andere Menschen bestimmen und verfügen.
Bei den Verfassungsfreunden ist das nicht anders. Und daher, so meine Analyse, ist es beinahe normal, dass sich im Vorstand Menschen finden, die nun die Macht, welche die grosse Gruppe an sie de facto delegiert hat, auch nutzen wollen. Allerdings nicht dazu, denen Gehör zu verschaffen, die an der Basis diese Kraft erzeugt haben oder dadurch, dass sie den Einfluss und die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Menschen an der Basis stärken. Denn dies ist unmöglich, weil es unter diesen vielen ganz unterschiedlichen Menschen gar keinen ausformulierten Konsens gibt.
Alles was der Vorstand also unternimmt, tut er in eigener Verantwortung und ohne Abstimmung mit der heterogenen Basis. Das kann eine Weile gut gehen. Auf die Dauer aber werden die Interessen von Leitung und Basis auseinanderdriften und die Kraft an der Basis schwächen.
Der Abstand zum Problem
Diese unvollständige und sehr stark vereinfachte Analyse müsste bestimmt verfeinert werden. Doch wie man es auch immer anstellt:
Solange die Struktur einer Gruppe direkt verbunden ist mit einer Delegation von Macht, sind derartige Probleme nicht vermeidbar. Sie sind das Ergebnis dieser Art, sich zu organisieren.
Dagegen ist nur ein einziges Kraut gewachsen. Und genau dieses Kraut wird eigentlich nur, in der Präambel unserer Verfassung erwähnt. Ein Dilemma? Ich meine nicht, wenn es gelingt, in einem ersten Schritt einen Abstand zu finden zu diesem eigentlich gut bekannten Problem.
Was heisst hier Abstand zum Problem? Abstand heisst hier: Sich selbst von sämtlichen Strukturen abzuschneiden, die ausserhalb des eigenen direkten Einflusses stehen. Konkret also Austritt aus einem nationalen Verein. Keine Geldspenden mehr an einen nationalen Verein. Sich organisieren und auch einen Beitrag leisten in Strukturen in denen man sich noch persönlich einbringen kann.
Wie weiter
Die Kraft einer Gruppe, einer Bewegung, sind die Menschen, die diese Gruppe bilden und diese Bewegung erzeugen. Und genau da muss diese Kraft auch bleiben. Früher sagte man dem Selbstorganisation. Also viele kleine Vereine, die ihr eigenes Geld für Kampagnen sammeln und verwalten.
Viele kleine Gruppen, in denen jeder einzelne Mensch sich einbringen kann und mitentscheidet, wie die Mittel verwendet werden. Viele kleine Gruppen die ganz unterschiedlich funktionieren können, einfach so, wie das deren Mitglieder für gut befinden.
Erst wenn sich unterschiedliche Menschen in oft ganz unterschiedlichen Gruppen selbst organisiert haben, können Fühler ausgestreckt werden zu anderen Gruppen, die eine Aktion mitgestalten und mitwirken wollen.
Solche Gruppen können sich bilden durch Menschen, die in einer Region leben, oder auch aufgrund besonderer Fähigkeiten von Menschen wie z. B. Pflegende, Lehrende oder Menschen mit juristischer Fachkompetenzen usw. oder auch einfach durch Menschen, die es einfach gut zusammen können und etwas gemeinsam zur Gestaltung unserer Gesellschaft beitragen möchten.
Selbstverständlich können und sollen sich derartige Gruppen nicht nur intern gut vernetzen, sondern auch mit anderen Gruppen einen regen Austausch anstreben. Kontakte knüpfen, einander berichten und auch Aktionen gemeinsam durchführen. Dazu allerdings braucht es keine übergeordneten Strukturen, die selbständige Entscheide treffen können.
Es braucht lediglich eine Organisation, um die ganz unterschiedlichen Gruppen im Zusammenwirken bei gemeinsamen Aktionen zu unterstützen, Termine und Aktionen zu koordinieren usw. Nach einer solchen Aktion lösen sich die dafür genutzten Strukturen und Organisationen wiederum auf, in der Überlegung, dass für eine nächste gemeinsame Aktion wiederum andere Menschen und Kräfte Aufgaben übernehmen können, die sich dafür eignen.
In Zeiten von grösseren Aktivitäten ist es auch möglich, Beauftragte ohne eigene Entscheidungskompetenz von einer oder mehreren Basisgruppen, über eine gewisse Zeit zu beauftragen. Entscheidend dabei ist jedoch, dass keine Macht, also auch keinerlei Entscheidungskompetenz an diese Organisationen abgegeben wird und keine Zentralisation der Entscheidungskompetenz zugelassen wird.
Dies scheint kompliziert und langsam. Doch das täuscht. Diese zwei gewaltigen Kampagnen gegen die Covid-Gesetzgebung waren das spontane Werk der Kraft einzelner Menschen in den Regionen, die sich zusammengefunden haben und ja, sich auch überregionale Strukturen gegeben haben. Sie haben diese Kraft erzeugt, gespürt und genutzt, und keinesfalls der Vorstand, der aus dieser Kraft hervorging und nun begonnen hat, eine eigene Dynamik zu entwickeln.
Die Krise des Vorstandes ist nicht die Krise der Bewegung. Es ist die Krise des Vorstandes und auch die Krise unserer Gesellschaft, die es nicht mehr gewohnt ist, über einen längeren Zeitraum gemeinsam nach Lösungen zu suchen und miteinander zu reden, zu diskutieren und ja, auch zu streiten.
Unsere aktuelle Gesellschaft will optimieren, nicht diskutieren, will Lean Management und keine Mitwirkung und Mitgestaltung. Will einen starken Bundesrat und keine dezentralen Entscheidungen in den Kantonen und Gemeinden und schon gar nicht in den Betrieben.
Der Vorstand kann morgen schon verschwinden. Er hat keinen Auftrag mehr. Das vorhandene Geld soll an die Regionalgruppen verteilt werden und der Verein als Hülle kann weiter bestehen bleiben, jedoch aktuell ohne Aktivitäten. Braucht es für eine nächste Aktion wiederum eine überregionale Organisation, wird diese gebildet, wenn die Basisgruppen das wollen. Man wird hierfür die temporär stillgelegte Vereinsstruktur nutzen oder sich eine andere schaffen.
Ein Mandat, und schon gar kein politisches Mandat von den Menschen, die an der Basis wirken, das über die Statuten hinausgehen würde, hat dieser Vorstand nicht. Er muss sich dieses auch nicht selbst zuschreiben. Er muss nur noch das Geld verteilen und alle weiteren Aktivitäten sistieren.
Wir an der Basis sind sehr stark. Zwei Jahre tagtäglicher Propaganda aus allen Kanälen, konnte es nicht schaffen, mehr als einen Drittel der Menschen in unserer Gesellschaft von einer gewünschten Akzeptanz dieser Massnahmen zu überzeugen. Wer hätte das gedacht? Mehr als zwei Drittel blieben standhaft und haben sich zusammengeschlossen in unzähligen Gruppen.
Das ist unsere Kraft. Nicht ein Verein und auch nicht ein Vorstand. Darauf können wir stolz sein und Mut fassen und wir dürfen davon ausgehen, dass wir uns jederzeit auch wieder bewegen werden. Doch nicht, weil es uns ein Vorstand oder eine politische Partei sagen, sondern weil wir es für richtig erachten.
Dezentrale Entscheidungskompetenz und Selbstorganisation sind unsere Kraft. Davon sollten wir uns niemals verabschieden und uns weiterhin in unseren und auch neuen Gruppen zum Austausch treffen.
Markus Meyer, Olten
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