«Mitten im Ukraine-Krieg und während der Eskalation der Kämpfe im Nahen Osten übt die NATO Luftangriffe mit Atombomben gegen einen Feind mit den militärischen Fähigkeiten Russlands.» Das schreibt der aussenpolitische Informationsdienst German Foreign Policy (GFP) in einem aktuellen Beitrag.
Das jährliche Manöver «Steadfast Noon» übe den Einsatz von US-Nuklearwaffen durch die Luftstreitkräfte europäischer Staaten. Es habe am Montag vergangener Woche begonnen und dauere noch bis Donnerstag dieser Woche an, so GFP. Hauptschauplatz sei in diesem Jahr Italien.
Dem Bericht nach sind 13 Staaten daran beteiligt, darunter Deutschland. Erstmals in der Geschichte der Übung habe die NATO eine kleine PR-Offensive gestartet. Einigen handverlesenen Journalisten seien nähere Details zu «Steadfast Noon» mitgeteilt worden. Danach werde ein Einsatz in einer «hoch umkämpften Umgebung» geprobt.
Laut GFP würden zugleich die nuklearen Planungen in den NATO-Staaten überarbeitet. Nach diesen könnten die neuen US-Atombomben vom Typ B61-12 auch zu sogenannten «taktischen Schlägen» genutzt werden. «Dies senkt die Schwelle zum Atomkrieg», so der Informationsdienst.
Der Bericht macht darauf aufmerksam, dass die USA, deren Bomben auch in Deutschland gelagert werden, erklärtermassen nicht auf die Option eines nuklearen Erstschlages verzichten. Von einem solchen sei auch in NATO-Papieren die Rede.
In Italien werden den Angaben nach, ebenso wie in Deutschland, US-Atombomben gelagert, und zwar auf den beiden im südlichen Alpenvorland gelegenen Militärflugplätzen Ghedi (nahe Brescia) und Aviano (nordöstlich von Venedig).
«Beide beherbergen – wie auch die Militärflugplätze Büchel (Deutschland), Kleine Brogel (Belgien), Volkel (Niederlande) sowie İncirlik (Türkei) – US-Atombomben, die im Ernstfall von den jeweiligen nationalen Luftstreitkräften eingesetzt würden, allerdings stets in Kooperation mit den Vereinigten Staaten.»
An dem aktuellen Manöver seien bis zu 60 Militärflugzeuge aus 13 NATO-Staaten, darunter auch der Bundesrepublik, beteiligt. Geprobt werde insbesondere das Anbringen der Bomben an den Jets, die sie zum Zielort bringen sollen, sowie die Einsatzflüge, berichtet GFP. Die Übungsflüge finden angeblich ohne die Atombomben statt.
Das Manöverszenario richte sich nicht «gegen Russland», habe die NATO erklärt. Allerdings werde versucht, «auf realistische Weise zu üben», wird eine NATO-Sprecherin zitiert. Deshalb seien die militärischen Fähigkeiten des angenommenen Gegners, gegen den im Manöver Atomwaffen eingesetzt werden sollen, denjenigen der russischen Streitkräfte nachempfunden.
Drohung gegen Russland
So titelte die Frankfurter Rundschau auch am 15. Oktober passend: «Nato startet Atom-Manöver: Klare Warnung an Russlands Diktator». Die Zeitung Junge Welt erinnerte in einem Bericht vom 17. Oktober daran: Die damalige deutsche «Kriegsministerin» Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe am 21. Oktober 2021 im Deutschlandfunk Russland mit einem Atomkrieg gedroht. Sie habe zur neuen NATO-Einsatzplanung gesagt:
«Wir müssen Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende – und das ist ja auch die Abschreckungsdoktrin – bereit sind, auch solche Mittel einzusetzen.»
Der Informationsdienst GFP erinnert daran, dass ein ausdrücklicher Verzicht auf einen atomaren Erstschlag «sogar unter den gegebenen globalen Verhältnissen selbstverständlich im Bereich des strategisch Möglichen liegt». China habe den Verzicht explizit erklärt. Dagegen werde in der aktuellen US-Nuklearstrategie («Nuclear Posture Review») vom 27. Oktober 2022 betont, ein solcher Verzicht komme für die USA nicht in Frage. Das sei angesichts der grossen nichtnuklaren Militärfähigkeiten potenzieller Gegner «ein inakzeptables Risikoniveau».
Zwar würden die USA «den Einsatz nuklearer Waffen nur unter extremen Umständen in Betracht ziehen», nämlich dann, wenn «die grundlegenden Interessen der USA oder ihrer Verbündeten und Partner verteidigt» werden müssten. Doch ein solcher Fall werde in der US-Strategie nicht ausgeschlossen, so GFP.
Westliche Medien werfen Russland und dessen Präsident Wladimir Putin vor, im Ukraine-Krieg mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Auf dem diesjährigen Waldai-Forum hatte Putin am 5. Oktober dazu erklärt, die entsprechende russische Doktrin sehe den Einsatz von Atomwaffen in zwei Fällen vor: Zum einen als Antwort auf einen Atomschlag gegen Russland, zum anderen dann, wenn die Existenz der Russischen Föderation durch eine konventionelle Aggression gefährdet sei. Nichts davon zeichne sich aktuell ab, wurde der russische Präsident in einem RT DE-Bericht zitiert.
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