In einer vor wenigen Tagen in Nature Human Behaviour veröffentlichten Studie untersuchte eine Gruppe von Forschern die proteomischen Signaturen, die soziale Beziehungen, insbesondere soziale Isolation und Einsamkeit, mit gesundheitlichen Folgen und Sterblichkeit verbinden. Darin heißt es:
«Soziale Beziehungen sind anpassungsfähig und entscheidend für das Wohlbefinden und Überleben sozialer Arten. Soziale Isolation und Einsamkeit, die als Ausdruck objektiver und subjektiver Manifestationen verarmter sozialer Beziehungen charakterisiert werden, werden zunehmend als wichtige globale öffentliche Probleme erkannt.
Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass sowohl soziale Isolation als auch Einsamkeit mit Morbidität und Mortalität in Verbindung stehen, wobei die Auswirkungen vergleichbar sind mit denen traditioneller Risikofaktoren wie Rauchen und Fettleibigkeit. Trotz dieser empirischen Zusammenhänge sind die zugrundeliegenden Mechanismen, durch die sich soziale Beziehungen auf die Gesundheit auswirken, nach wie vor nicht klar.»
Experimentelle Studien würden zeigen, dass soziale Interaktionen bei Tieren zum Beispiel die Aktivität des sympathischen Nervensystems und des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Systems kausal verändern und das Krankheitsrisiko direkt beeinflussen können. Diese Muster deckten sich mit Beobachtungen in Korrelationsstudien am Menschen. Darüber hinaus würden ungünstige soziale Beziehungen mit einem ungesunden Lebensstil in Verbindung gebracht , was sich möglicherweise auf diese physiologischen Bahnen auswirke und in der Folge die Gesundheit beeinträchtige.
Bei der aktuellen Studie umfasste die primäre Studienpopulation 42.062 Teilnehmer aus der UK Biobank. Die Biobank-Kohorte Großbritanniens wirbt mit dem Claim «The world’s most important health research database» und besteht aus über 500.000 Teilnehmern im Alter von 40 bis 69 Jahren, die zwischen 2006 und 2010 von 22 Zentren im Vereinigten Königreich rekrutiert wurden. Die Teilnehmer stellten umfangreiche Daten zur Verfügung, darunter genomweite Genotypisierung, Magnetresonanztomographie, elektronische Gesundheitsakten sowie Blut- und Urin-Biomarker.
Das Durchschnittsalter der Studienpopulation lag bei 56,4 Jahren, 52,3 Prozent waren weiblich. Ausgewertet wurden umfassende Verhaltensdaten, darunter auch Daten zu sozialer Isolation, Einsamkeit und aller relevanten Kovariaten. Zu den Kovariaten gehörten demografische, verhaltensbezogene und physiologische Faktoren.
3905 und damit 9,3 Prozent der Teilnehmer gaben an, sozial isoliert zu sein, während 6,4 Prozent (2689 Teilnehmer) berichteten, sich einsam zu fühlen. Die soziale Isolation wurde anhand der Lebensumstände, der Häufigkeit sozialer Kontakte und der Teilnahme an Aktivitäten definiert, während die Einsamkeit anhand des Gefühls der Einsamkeit und der Häufigkeit, sich nahestehenden Personen anzuvertrauen, bewertet wurde.
Die Gesundheitsergebnisse wurden anhand von verknüpften Gesundheitsakten ermittelt, wobei der Schwerpunkt auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Typ-2-Diabetes, Depression und Schlaganfall lag.
Sogenannte «Proteomweite Assoziationsstudien» von 2920 Plasmaproteinen ergaben 776 Proteine, die signifikant mit sozialer Isolation assoziiert waren, und 519 Proteine, die mit Einsamkeit in Verbindung standen – in Modellen, die für Alter, Geschlecht, Standort, technische Faktoren und genetische Hauptkomponenten angepasst wurden.
Nach zusätzlichen Anpassungen für ethnische Zugehörigkeit, Bildungsniveau, Haushaltseinkommen, Rauchen, Alkoholkonsum und Body-Mass-Index blieben 175 Proteine signifikant mit sozialer Isolation und 26 Proteine mit Einsamkeit assoziiert (Bonferroni-korrigierte Schwelle). Die Studienautoren schreiben:
«Zu den wichtigsten Ergebnissen gehörten die starke Assoziation des Wachstumsdifferenzierungsfaktors 15 (GDF15) mit sozialer Isolation und von Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin-Typ 9 (PCSK9) mit Einsamkeit. Bemerkenswert ist, dass die meisten identifizierten Proteine positiv mit sozialer Isolation und Einsamkeit assoziiert waren, während sich einige wenige wie C-X-C-Motiv-Chemokin-Ligand-14 (CXCL14) als Schutzfaktoren erwiesen.
Es wurden gemeinsame proteomische Muster beobachtet, wobei 22 Proteine sowohl mit sozialer Isolation als auch mit Einsamkeit in Verbindung standen. Protein-Protein-Interaktionsnetzwerke ergaben signifikante Interaktionen zwischen den identifizierten Proteinen, insbesondere in Immunwegen und Komplementsystemen.»
Weitere Analysen würden die kausalen Zusammenhänge unterstreichen zwischen Einsamkeit und fünf Proteinen, darunter Adrenomedullin (ADM) und Asialoglykoprotein-Rezeptor 1 (ASGR1). Diese Proteine stünden in signifikantem Zusammenhang mit verschiedenen Gesundheitszuständen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und Sterblichkeit. Mediationsanalysen zeigten, dass ADM den Zusammenhang zwischen Einsamkeit und mehreren Krankheiten, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Sterblichkeit, deutlich vermittelte.
Den Autoren zufolge lässt sich zusammenfassend festhalten:
«In dieser Studie wurden anhand der Daten von 2920 Plasmaproteinen von mehr als 40.000 Teilnehmern der UK Biobank Proteine und Netzwerke identifiziert, die mit diesen sozialen Konstrukten in Verbindung stehen ... Mehr als die Hälfte der Proteine wurde prospektiv mit CVD, T2D, Schlaganfall und Mortalität über einen Zeitraum von 14 Jahren assoziiert.
Mendelsche Randomisierungsanalysen legten nahe, dass Einsamkeit fünf Proteine kausal beeinflusst, wobei ADM und ASGR1 durch Kolokalisierung weiter validiert wurden. Diese Proteine vermittelten auch die Beziehungen zwischen Einsamkeit und den wichtigsten gesundheitlichen Folgen, was ihre biologische Relevanz unterstreicht.»