Der Missbrauch von Antibiotika ist weltweit ein weit verbreitetes Problem. Anfang Mai etwa berichteten wir, dass sich im September 2024 die USA und andere Länder auf einer Tagung der UNO verpflichtet hatten, den Einsatz antimikrobieller Mittel in der industriellen Tierhaltung «bis 2030 deutlich zu reduzieren». Ziel: Eindämmung der Antibiotikaresistenzen bei Menschen. So sollen aufgrund dieser Problematik in einem einzigen Jahr weltweit 1,14 Millionen Menschen sterben.
In einem Artikel, den The Defender kürzlich veröffentlicht hat, wird aufgezeigt, auf welch unterschiedliche Weise Bakterien in der Lage sind, sich an Antibiotika anzupassen:
- Durch intrinsischen Widerstand
- Durch erworbene Resistenz: Bakterien entwickeln durch genetische Mutationen eine Resistenz gegen Antibiotika, indem sie DNA von bereits resistenten Bakterien «ausleihen».
- Durch genetische Veränderung: Bakterien sind in der Lage, die Proteinproduktion zu verändern, wodurch Komponenten entstehen, die Antibiotika nicht erkennen und letztendlich nicht eliminieren können.
- Durch DNA-Transfer: Zwischen verschiedenen Bakterien kommt es zu gegenseitiger Kommunikation, die es ihnen ermöglicht, durch Genübertragung resistente DNA auszutauschen.
In diesem Zusammenhang erwähnt The Defender auch eine kürzlich veröffentlichte Nature-Studie, die aufzeigt, dass selbst die kurzzeitige Einnahme von Antibiotika gravierende Auswirkungen auf die Darmflora haben kann. Ziel der Arbeit war es herauszufinden, ob die kurzfristige Einnahme von Antibiotika die Darmbakterien verändert, insbesondere durch die Entstehung antibiotikaresistenter Stämme, und ob diese im Nachhinein dauerhafte Auswirkungen haben.
An der Studie nahmen 60 gesunde Erwachsene teil, denen fünf Tage lang zweimal täglich 500 Milligramm Ciprofloxacin, ein häufig verschriebenes Antibiotikum, verabreicht wurden. Nach der Analyse von Stuhlproben über einen Zeitraum von 20 Wochen machten die Forscher eine alarmierende Entdeckung: Innerhalb weniger Tage entwickelten sich zuvor anfällige Bakterien zu resistenten Stämmen, die die Antibiotikabehandlung überleben konnten.
Etwa 10 Prozent der Darmbakterienpopulationen entwickelten aufgrund einer Mutation im Gen gyrA rasch eine Resistenz. Diese Mutation veränderte gezielt ein Enzym (DNA-Gyrase) und machte Ciprofloxacin gegen diese Bakterien unwirksam.
In einem Bericht von Medical Xpress zur Studie heißt es:
«Einmal etabliert, hielten die gyrA-Sweeps über zehn Wochen an und blieben voraussichtlich bis zu einem Jahr nachweisbar. Weitere resistenzassoziierte Mutationen traten in anderen Genen auf, allerdings waren diese Ereignisse seltener und traten bei weniger Arten auf.»
In der Genetik bezeichnen «Sweeps» einen Prozess, bei dem eine vorteilhafte Mutation in einer Population stark an Häufigkeit zunimmt und sich durchsetzt. Dabei wird zwischen Soft und Hard Sweep unterschieden. Ein Beispiel für einen Soft Sweep ist eine Anpassung an Höhenlagen, so wie etwa die der Tibeter an Hypoxie (Sauerstoffmangel).
Bemerkenswert auch: Bakterien, die Resistenzen entwickeln, verlieren normalerweise etwas an «Fitness», also von ihrer Anpassungs- und Überlebensfähigkeit. Doch die in der vorgestellten Studie beobachtete gyrA-Mutation hatte praktisch keine negativen Auswirkungen auf die Bakterienfunktion. Mit anderen Worten: Diese resistenten Bakterien zahlten keinen biologischen «Preis» für die Resistenz, was ihr langfristiges Fortbestehen äußerst wahrscheinlich macht.
Das Team beobachtete, dass während des Experiments mehrere unabhängige Bakterienarten unabhängig voneinander dieselbe gyrA-Mutation entwickelten. Dies deutet darauf hin, dass sich Bakterien schnell an Antibiotika anpassen und sich vor ihnen schützen. Ebenso besorgniserregend war die lange Dauer dieser Resistenz. Selbst zehn Wochen nach Beendigung der Antibiotikabehandlung blieben resistente Bakterien im Darm der Teilnehmer dominant.
Mithilfe von Vorhersagemodellen prognostizierten die Forscher, dass diese Stämme etwa ein Jahr lang ohne weitere Antibiotika-Exposition überleben würden. Auch beobachteten sie Folgendes: Stämme, die anfänglich größere Populationen darstellten, erlebten während der Antibiotikabehandlung einen drastischeren Rückgang ihrer Anzahl, woraufhin es anschließend zu einem raschen Anstieg resistenter Stämme kam.
Sprich: Man ist selbst nach dem Absetzen der Antibiotika und der Stabilisierung des Mikrobioms noch nicht über den Berg. Laut den Forschern wurden die Bakterien in Ihrem Darm durch Antibiotika dauerhaft verändert, wodurch auch neue Bakterien, die in Ihren Körper gelangen, Resistenzen entwickeln. Die Forscher schreiben:
«Kommensale Populationen könnten daher als Reservoir für Resistenzmerkmale fungieren, die über die Interaktion mit Antibiotika hinaus durch horizontalen Gentransfer auf pathogene Bakterien übertragen werden könnten.»
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