Die USA halten sich nicht mehr an Regeln
Martin Pfister, neuer Schweizer Bundesrat

Liebe Leserinnen und Leser

Letzte Woche habe ich hier über die Bundesratsersatzwahl in der Schweiz berichtet, die gestern stattfand. Über diesen Newsletter habe ich dann am Telefon mit einem Kollegen gesprochen, der mir in einem Punkt widersprach. Bundesratswahlen seien langweilig und nicht spannend, wie ich geschrieben hatte.

Vielleicht hatte der Kollege Recht. Wer etwas von «politischer Mathematik» versteht, konnte sich seit Tagen ausrechnen, wer obsiegen wird. Derjenige, der weniger aneckt, derjenige, der weniger Angriffsflächen bietet. Und das war der Zuger Gesundheitsdirektor (kantonaler Minister) und Oberst Martin Pfister. Mehr Mainstream geht nicht.

Demgegenüber hatte der Gegenkandidat, der St. Galler Biobauer und Präsident des schweizerischen Bauernverbandes, Markus Ritter, die Neutralität etwas stärker betont und sich gegenüber dem mit der EU ausgehandelten Vertragspaket etwas zurückhaltender gezeigt. Es sind wohl die Stimmen der linken und grünen Parteien, die den bis vor kurzem als Überraschungskandidat gehandelten Pfister obsiegen ließen, denn Ritter war als Präsident des Bauernverbandes in Sachen Umwelt- und Energiepolitik gar nicht auf ihrer Linie. Ein Nachteil für Ritter waren auch die fehlenden Englischkenntnisse sowie die Tatsache, dass die urbane Schweiz im Bundesrat, der Schweizer Landesregierung, schon bisher sehr gut vertreten war.

Ritter ist in Bern zu vielen Palamentariern auf die Füße getreten, während Pfister in Bundesbern ein Newcomer ist. Ich habe hier eine erste Einschätzung publiziert, was man etwa erwarten kann. In Bezug auf Gesundheitspolitik und die Frage, wie sich die Schweiz hinsichtlich der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), dem Pandemiepakt der WHO und der Revision des Epidemiengesetzes positionieren wird (ich habe letztmals hier darüber berichtet), sind keine positiven Überraschungen zu erwarten. Pfister ist in der Coronazeit nicht durch mutige Stellungnahmen aufgefallen.

In Bezug auf Neutralität, Sicherheitspolitik und Souveränität hat die nun zurückgetretene Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte, Wallis) die Schweiz in ihrer Amtszeit näher an die NATO herangeführt (siehe hier, hier, hier, hier und hier, weitere Links in den Beiträgen).

Pfister wird wohl zuerst mit der unqualifizierten und von Walliser Vetternwirtschaft geprägten Personalpolitik aufräumen. Wie stark er sich politisch von seiner Vorgängerin absetzt, ist schwer zu sagen. Immerhin gab er zu, dass sich auch die USA nicht mehr ans Völkerrecht halten. Eine solche Aussage ist seiner Vorgängerin nicht über die Lippen gekommen.

In seine Amtszeit wird die Volksabstimmung über die Neutralitätsinitiative fallen. Der Bundesrat hat diese schon zur Ablehnung empfohlen, aber es ist unklar, wie stark sich Pfister dagegen engagieren wird. Klar ist, dass die ganzen Mainstreammedien gegen diese Initiative schreiben werden und sich von den Parteien bisher nur die nationalkonservative SVP dafür engagiert.

Damit dies nicht mehr nur als Projekt der SVP wahrgenommen wird – die Initiative ist überparteilich und politisch sehr breit aufgestellt – wurde am Wochenende die Bewegung für Neutralität bene.swiss gegründet, deren Vorstandsmitglied ich bin. Sie propagiert eine aktive Neutralität und eine Schweiz der guten Dienste (ich habe hier über die Gründung dieser Bewegung berichtet, weitere Links zur Neutralität im Beitrag).

Sie werden in diesem Zusammenhang wieder von mir hören. Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen!

Daniel Funk