An einem internationalen Kolloquium zur Neutralität (Neutrality Colloquium A Call to Action for Active Neutrality & World Peace, June 26-27 2025, in Geneva, Switzerland) berichtete eine junge Frau aus Irland, dass die konservative irische Regierung den Triple Lock und damit die Neutralität auflösen wolle. Auf meine Frage, wie die irische Bevölkerung darauf reagiere, sagte sie, in Irland wolle man mit großer Mehrheit die Neutralität aufrechterhalten. Die junge Irin versorgte mich mit einer Reihe von informativen Links zum irischen Widerstand gegen die Auflösung des Triple Locks, die grundlegende Argumente zugunsten der Neutralität enthalten, die auch für die schweizerische Neutralität ihre Geltung haben.
Gegen die sukzessive Aushöhlung der Neutralität gibt es in ganz Irland Widerstand, so auch im irischen Parlament. Die Regierungskoalition, bestehend vor allem aus den Parteien Fianna Fáil und Fine Gael, will den Triple Lock auflösen mit dem Ziel, sich der NATO anzuschließen und bei der Militarisierung der EU mit von der Partie zu sein. Die größte Oppositionspartei im Parlament, die republikanische Partei Sinn Fein (Ehemaliger politischer Arm der bewaffneten Irischen Republikanischen Armee (IRA)), sowie links ausgerichtete Parlamentarier wollen den Triple Lock und damit die Neutralität beibehalten.
Mick Wallace und Clare Daly, irische Abgeordnete für die Linke im Europäischen Parlament (GUE/NGL) bis 2024, setzen sich dafür ein, dass der Triple Lock beibehalten wird. Wallace sagte:
«Ohne Triple Lock gibt es unsere Neutralität nicht mehr. Sie ist der einzige wirksame Schutz, den wir haben. (…) Der Triple Lock hat irische Truppen aus imperialistischen Kriegen herausgehalten.»
Wenn Irland den Triple Lock auflöse, bedeute dies, sich der NATO anzuschließen und das Völkerrecht aufzugeben, so Wallace weiter (siehe hier, weitere Links und Quellenangaben im Anschluss an den Beitrag).
Clare Daly, die sich durch ein kompromissloses Einstehen für den Frieden auszeichnet und für ihre klaren, politischen, messerscharfen Analysen bekannt ist, setzt sich unter anderem bei der Neutrality Roadshow in Irland für die Beibehaltung der Neutralität ein.
Die Neutrality Roadshow ist Teil einer breiteren irischen Basisbewegung, die sich Anfang 2025 formiert hat, um gegen die schleichende Auflösung der Neutralität vorzugehen und im Monat Mai 17 öffentliche Veranstaltungen abhielt, verteilt über ganz Irland.
Auch Rundale, eine neue irische Medienplattform, unterstützt die Neutrality Roadshow. Rundale weist darauf hin, dass Irland als neutrales Land seit seiner Staatsgründung seine Soldaten – einzig und allein! – nur für Friedensmissionen unter UNO-Mandat ins Ausland entsandt habe. Mit dieser neutralen Haltung habe die irische Regierung jetzt gebrochen, denn vom 25. März bis zum 10. April 2025 haben 139 irische Soldaten an einer von Deutschland geführten EU-Battlegroup-Übung in Ungarn zur Vorbereitung auf den Einsatz bei ‚Konflikten und Krisen‘ außerhalb der EU teilgenommen.
Edward Horgan, ehemaliges irisches UN-Friedenstruppenmitglied, kritisiert die irische Regierung dementsprechend wie folgt:
«Während die Welt mit dem Tode von Papst Franziskus einen Friedensstifter verloren hat, gibt es international und in Europa keinen Mangel an potenziellen Kriegstreibern. In Irland fahren unsere politischen Führer fort, unsere aktive Neutralität auszuhöhlen durch die Auflösung des Triple Lock (…), durch militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine in ihrem Krieg mit Russland und die Verharmlosung der US-Regierung unter Trump in ihrem globalen Wirtschaftskrieg.»
Rundale zitiert auch eine Mutter, Clare O’Connor, die sich bei Mothers Against Genocide engagiert:
«Ich habe zwei Kinder, und ich habe sie nicht zur Welt gebracht, damit sie eingezogen zum Kriegsdienst als Kriegswaffen eingesetzt werden, um die Kinder anderer Menschen zu töten oder um selbst getötet zu werden. Wenn wir den Triple Lock nicht retten, werden nicht wir Eltern in den Krieg geschickt, sondern unsere Kinder. Wir sind es ihnen schuldig, eine entschiedenere Haltung einzunehmen, um unsere Neutralität zu schützen.»
Auch Professor Ray Murphy vom Irish Centre for Human Rights von der irischen Universität Galway wird von Rundale zitiert:
« Es ist unerlässlich, den Triple Lock beizubehalten, um unsere militärische Neutralität zu schützen und die Aufgaben der UNO bei der Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit zu unterstützen.»
Unter der Dachorganisation Together for Neutrality vereinigten sich neben Sinn Féin viele irische Organisationen am 14. Juni 25 in Dublin zu einem Protestmarsch zur Beibehaltung der irischen Neutralität, mit anschließender Pressekonferenz unter dem Titel «Save our neutrality, keep the triple lock».
Im Bericht der Irish Times wird eine Teilnehmerin des Protestmarsches in Bezug auf das Vorgehen der Regierung gegen den Triple Lock wie folgt zitiert:
« Unglaublich hinterhältig, wie sie das durchgesetzt haben (…) Sich der NATO anzunähern, macht uns noch mehr zur Zielscheibe. (…) Ich möchte nicht, dass unser Land in irgendeiner Weise in die Kriegsmaschinerie eingebunden wird. Wir könnten eine Vorreiterrolle für den Frieden einnehmen und den Weg ebnen, für eine friedliche Zukunft von uns Menschen, und um Konflikte zu vermeiden. Was zur Zeit geschieht, ist jedoch ‚Macht geht vor Recht‘ ».
Sucht man im Internet Webseiten zum Thema Neutralität in Irland, finden sich unterschiedlichste Organisationen, die die Neutralität beibehalten wollen (hier, hier und hier), so zum Beispiel «Global Women’s Strike» mit dem Logo einer Weltkugel, eingerahmt von den Schriftzügen «invest in caring not in killing » die zum Protestmarsch vom 14. Juni in Dublin aufruft, gemeinsam mit den «Raging Grannies », «Red Umbrella Eireann» und «Street Workers Collective of Ireland». «Global Women’s Strike» wirft der Regierung vor, sie wolle die Militärausgaben für die Rüstungsindustrie massiv erhöhen und das irische Militärbudget in den nächsten Jahren auf drei Milliarden Euro verdreifachen. Die irische Regierung stelle irische Flughäfen und den irischen Luftraum für den Transport von Kriegsgütern nach Israel zur Verfügung,
«um Israels Völkermord in Gaza zu begünstigen. Ohne den Triple Lock können irische Soldaten in Kriege und illegale Invasionen verwickelt werden, um Land sowie andere Ressourcen zu erobern – und sogar zu Komplizen von Völkermorden wie in Gaza werden.»
Das Schlusswort dieser irischen Frauen auf ihrer Webseite lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
«Wir Frauen sagen – NEIN zum Krieg – NEIN zur Kriegshysterie – NEIN zum Gemetzel – NEIN zum genetischen Völkermord in Gaza – NEIN dazu, dass unsere Kinder in Leichensäcken zurückkommen – NEIN dazu, dass unser Geld für Waffen und Tötungen ausgegeben wird! »
Gleichzeitig zeigen sie eine Alternative auf:
«Unsere Care-Arbeit ist nicht dazu da, um Krieg zu führen. Wir wollen dieses Geld für die Bedürfnisse der Menschen, angefangen bei einem Care-Einkommen für alle, unabhängig vom Geschlecht, die sich um Menschen und um den Planeten kümmern!»
Trotz schlimmster, niederdrückender Nachrichten wie Politiker, angetrieben aus dem Hintergrund, in ihrem Machtstreben und ihrer Profitgier – ohne jedwede Skrupel – UNO-Charta, Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte missachten, zeigen solche Nachrichten aus Irland, dass wir Menschen zu ganz anderem fähig sind. Das gibt Optimismus auch im Vorfeld der kommenden Abstimmung zur Neutralität in der Schweiz. Das zeigt auch eine Schrift der Organisation «Keep Ireland neutral!», die die wesentlichsten Faktoren für eine friedlichere Welt kurz und bündig verschriftlicht hat:
«Neutralität schützt uns alle
Die Neutralität Irlands hat uns aus ausländischen Kriegen herausgehalten und uns zu einer Stimme für den Frieden gemacht. Die Abschaffung des Triple Lock birgt die Gefahr, dass wir in globale Konflikte hineingezogen werden, die uns nichts angehen.
Ein Vermächtnis der Friedenssicherung
Die irischen Streitkräfte werden weltweit für ihre Friedenssicherung respektiert – nicht für ihre Kriegführung. Dieser Ruf basiert auf unserer Neutralität. Ohne sie ist dieses Vermächtnis in Gefahr.
Demokratie in Gefahr
Der Vorstoß, den Triple Lock zu schwächen oder aufzuheben, erfolgt ohne öffentliches Mandat. Kein Referendum, keine demokratische Debatte, nur stille Manöver der Eliten hinter verschlossenen Türen. Wenn die Neutralität aufgegeben werden soll, muss das irische Volk – und nicht eine Handvoll Politiker – darüber entscheiden. Alles andere wäre ein Verrat an unserer Demokratie.
Checks and Balances sind wichtig
Die UN-Anforderung (im Triple Lock) ist keine Bürokratie – sie ist eine Sicherheitsvorkehrung. Sie hindert uns daran, NATO- oder EU-Militäreinsätzen ohne internationale Legitimität zu folgen.»
Ariet Güttinger ist Vorstandsmitglied der Bewegung für Neutralität.