In der Schweiz findet am 22. September eine Volksabstimmung über die Reform der beruflichen Vorsorge statt. Auch im Abstimmungskampf wird wieder die These aufgestellt, dass die jungen Beitragszahler über ihre Lohnabzüge nicht nur für ihre eigene Altersvorsorge sparen, sondern auch die Renten der Älteren mitfinanzieren. Diese Ansicht wird vielerorts unkritisch übernommen. Es wird auch behauptet, dass die Renten aufgrund unrealistischer Zinserwartungen aufrechterhalten werden.
Diese Überzeugung – dass die Jungen für die Alten zahlen – hat sich über die Jahre zu einem weitverbreiteten Mythos entwickelt. Doch ein genauer Blick auf die Faktenlage zeigt ein anderes Bild. Die Jahresberichte der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK-BV), die detailliert die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz untersucht, widerlegen diese Annahme. Tatsächlich finanzieren die Pensionierten heute ihre Renten wieder selbst – und seit den Jahren 2021 und 2022 zahlen sie sogar kleine Beträge in das System, die den jüngeren Beitragszahlern zugutekommen. Dies rechnet der ehemalige Preisüberwacher und SP-Nationalrat Rudolf H. Strahm auf seiner Webseite und in einem Artikel in den Tamedia-Zeitungen vor.
Ein Blick auf die OAK-Zahlen zur kalkulatorischen Umverteilung zwischen den aktiven Versicherten und den Rentenbezügern belegt dies eindrucksvoll:
- 2018: 5,1 Milliarden Franken von Jung zu Alt
- 2019: 7,2 Milliarden Franken von Jung zu Alt
- 2020: 4,4 Milliarden Franken von Jung zu Alt
- 2021: 0,2 Milliarden Franken von Jung zu Alt
- 2022: 0,2 Milliarden Franken von Alt zu Jung
- 2023: 0,3 Milliarden Franken von Alt zu Jung
Diese Transferumkehr wird durch die Tatsache erklärt, dass ältere Arbeitnehmer kurz vor ihrer Pensionierung bereits ein erhebliches Kapital auf ihren Konten der zweiten Säule angespart hatten. Während der Phase der Negativzinsen verloren sie kalkulatorisch besonders stark, da ihre Kapitaleinlagen aufgrund der ungünstigen Zinslage kaum Erträge erwirtschafteten. Doch mit der jüngsten Zinswende hat sich die Situation verändert: Die Kapitalerträge der Rentner sind mittlerweile wieder ausreichend, um die laufenden Rentenzahlungen zu finanzieren.
Dies führt Strahm zu der Feststellung, dass die in der Abstimmungsvorlage vorgeschlagene Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge nicht mehr notwendig ist. Die wirtschaftliche Realität hat den Gesetzgeber inzwischen überholt. Viele Pensionskassen mit sowohl obligatorischem als auch überobligatorischem Teil arbeiten bereits heute mit einem durchschnittlichen Misch-Umwandlungssatz von etwa 5,2 Prozent, der die demografischen Veränderungen und den Anstieg der Lebenserwartung berücksichtigt.
Was jedoch weiterhin ein großes Ärgernis darstellt, sind die nach wie vor sehr hohen Kosten für die Vermögensverwaltung, insbesondere für die Consultants und die allgemeine Verwaltung der Pensionskassen. Laut den Daten der OAK beliefen sich diese Kosten im Jahr 2022 auf insgesamt 8,6 Milliarden Franken – das entspricht rund 1500 Franken pro Versichertem (ob aktiv oder pensioniert). Besonders beunruhigend ist dabei, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Pensionskassen gibt, ohne dass eine klare Korrelation zwischen den Verwaltungskosten und den tatsächlich erzielten Kapitalerträgen besteht.
Seit Jahren wird vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) gefordert, einen Kostenvergleich der Pensionskassen zu veröffentlichen. Ein solcher Vergleich würde eine transparente Kennziffer liefern, entweder als Prozentanteil der Verwaltungskosten an der Kapitalsumme oder als Frankenbetrag pro Versichertem für jede einzelne Kasse. Diese Transparenz fehlt jedoch in der aktuellen BVG-Vorlage. Ein solcher Vergleich könnte einen dringend benötigten Wettbewerb bei den Anlagegebühren auslösen und so die Effizienz der Pensionskassen verbessern.
Es gibt jedoch auch positive Aspekte in der aktuellen BVG-Vorlage. Besonders hervorzuheben ist die Neuregelung des Koordinationsabzugs, die für Menschen mit niedrigen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte, insbesondere Frauen, deutliche Verbesserungen bringt. Dieser Teil der Vorlage ist unbestritten sinnvoll und sollte, falls die BVG-Vorlage in ihrer jetzigen Form abgelehnt wird, unbedingt separat in das Gesetz aufgenommen werden.
Zusätzlich bleibt die Herausforderung der Verwaltungskosten und der Transparenz im System bestehen – und hier besteht auch großer Handlungsbedarf.