Replicants are like any other machine –
they’re either a benefit or a hazard.
If they’re a benefit, it’s not my problem.
Rick Deckard in «Blade Runner – 2049»

Liebe Leserinnen und Leser

In meinem Studium habe ich nicht nur viele Bücher gelesen und häufig nächtelang mit Freunden über philosophische Probleme diskutiert. Wir haben auch fast jeden Sonntag gemeinsam «Tatort» geschaut und die einzelnen Folgen ähnlich ernsthaft und tiefgehend diskutiert wie die großen Werke der Filmgeschichte.

Den «Tatort» schaue ich aber schon lange nicht mehr. Oder allenfalls ganz selten, wenn ich zum Beispiel einen der Schauspieler persönlich kenne. Dabei ist und war der «Tatort» schon immer ein ziemlich guter Indikator für aktuell relevante Themen respektive solche, die dazu gemacht werden sollen.

Ups, mit dieser Aussage bewege ich mich aus Sicht vieler Zufallsideologen vermutlich bereits im Bereich sogenannter «Verschwörungstheorien» (respektive deren begrifflicher Derivate). Dabei ist es eine triviale Tatsache, dass insbesondere Spielfilme und Krimis immer eine ideologische Schlagseite haben und den Zuschauer beeinflussen. Das war mir auch als naive Studentin bereits klar. Nicht zuletzt deshalb, weil sich nahezu jede ernstzunehmende Theater-, Film- und Medientheorie mit der Rolle des Zuschauers und der Frage, wie dieser beeinflusst werden kann, beschäftigt.

Doch zurück zur Aktualität: Denn momentan berichten nicht nur alle Zeitungen über den Tod des Papstes am Ostermontag, sondern es sind auch überall die obligatorischen Rezensionen zum aktuellen «Tatort» zu lesen. Der letzte hieß «Im Wahn» und es ging – Überraschung! – unter anderem um die Frage: «Was würde passieren, wenn KI die Ermittlungen übernähme?»

Dass dieses Thema hochbrisant ist, können Sie unter anderem in unserem aktuellen Artikel über ein «Mordvorhersage»-Tool in Großbritannien nachlesen.

Unterdessen schreibt Matthias Dell in der ZEIT über die letzte «Tatort»-Folge: «Der Fall wird fix gelöst von einer KI-basierten Investigationssoftware aus dem Ausland, die in Deutschland eigentlich nicht eingesetzt werden darf, wie Falke weiß.» Aha. Natürlich geht dabei dann doch so einiges schief und am Ende braucht es wieder «menschliche» Intelligenz, um den Fall zu lösen ... So weit, so gut.

Man könnte also meinen, da beschäftigt sich sogar der «Tatort» kritisch mit KI. Aber weit gefehlt, denn genau so funktioniert Predictive Programming, das die Zufallsideologen gerne mit dem Phänomen «Rückschaufehler» oder «Framing-Bias» erklären. Oder einfach damit, dass «das Leben einfach die Kunst imitiert», wie in einem schon etwas älteren Text zum Thema auf der Seite Futuro Prossimo («Nahe Zukunft») zu lesen ist.

Witzigerweise ist aber genau dies das Kalkül des Predictive Programming: Dass «das Leben», also wir alle die Kunst imitieren, ist bezüglich der Reaktion auf bestimmte Ereignisse ja genau das Ziel von Predictive Programming.

Üblicherweise funktioniert das besonders gut über pseudo-kritische Auseinandersetzungen mit einem Thema. Im Falle des genannten «Tatorts» sieht die Logik dann in etwa folgendermaßen aus: «Ah, die KI ist ja schon ziemlich gefährlich, denn sie macht halt auch Fehler. ABER bald ist die Technik bestimmt so weit fortgeschritten, dass sie viel besser funktioniert als die Fähigkeiten der Ermittler …»

Übrigens, die genannte Webseite Futuro Prossimo, auf der versucht wird, Predictive Programming als Unsinn darzustellen, wirbt selbst mit folgendem Slogan:

«Neuigkeiten aus der Welt von morgen. Wir liefern Neuigkeiten zur Zukunft von Technologie, Wissenschaft und Gesellschaft: Wenn etwas bald kommen wird, dann ist es bereits hier.»

Das finde ich ausgesprochen amüsant! Denken Sie mal darüber nach.

Herzliche Grüße
Susanne Schmieden

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