Transition News: Sie beobachten von Anfang an den Prozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß und die 25 weiteren Angeklagten – vor allem die Verhandlungen in Frankfurt. Dort wurde eine eigene Halle dafür errichtet und mit Natodraht umzäunt. Am 7. Dezember 2022 stürmten 3000 Polizisten 150 Wohnungen in ganz Deutschland. Aber nicht nur die Polizei, auch Medien waren mit einem Großaufgebot vor Ort (Transition News berichtete). Kann es Ihrer Meinung nach überhaupt noch zu einem Freispruch kommen?
Prozessbeobachter (Name der Redaktion bekannt): Das Gericht steht unter Druck. Der Vorsitzende Richter ist zwar höflich und auch in Einzelfragen sehr konziliant. Aber egal, was für Anträge die Verteidigung stellt – ob die nun sinnvoll oder weniger sinnvoll sind –, sobald die Staatsanwaltschaft widerspricht, lehnt das Gericht den Antrag ab. 95 bis 98 Prozent der Anträge der Verteidigung werden abgelehnt.
Selbst diejenigen, die diese Prozessbeobachtungen schriftlich festhalten, können sich inzwischen eines gewissen Sarkasmus nicht mehr erwehren, wenn sie die Geschehnisse im Gerichtssaal schildern. Wenn die Anwälte beantragen würden, festzustellen, dass der Himmel blau ist, würde das Gericht wahrscheinlich feststellen, dass der Himmel grün ist, falls der Staatsanwalt das so sagt. Das fällt natürlich auf. Jetzt hat einer der Anwälte sehr deutlich ausgesprochen, dass er den Eindruck hat, dass die Staatsanwaltschaft den ganzen Prozess lenkt.
Manche sprechen im Zusammenhang mit den Verhaftungen rund um Herrn Reuß von der «Rache des Systems». Wie sind Ihre Beobachtungen?
Es gibt in der Strafprozessordnung den Paragrafen 160 Absatz 2, wonach die Staatsanwaltschaft nicht nur Belastendes, sondern auch Entlastendes zu ermitteln hat. Bei diesen Verfahren hier ist offensichtlich, dass die Staatsanwaltschaft Entlastendes völlig außen vor lässt und darüber hinaus Sachverhalte, die völlig harmlos sind, in geradezu bösartiger Art und Weise belastend interpretiert.
Einer der Angeklagten, ich denke es war in Stuttgart, hat erklärt, es sei so, wie wenn man plant, einen Kindergarten zu errichten, und einem dann unterstellt wird, man würde einen Pädophilen-Club gründen. So ungefähr scheint die Staatsanwaltschaft vorzugehen. Da ist wirklich jedes Detail und jeder Stein umgedreht und dann, wo immer auch nur irgendwie möglich, mit Vorsatz belastend ausgewertet worden.
Nur mal ein Beispiel: Bei einigen der Angeklagten hat man Edelmetall gefunden. In mindestens einem Fall sind hunderte von Goldmünzen einzeln auf Fingerabdrücke untersucht worden. Wenn Sie Goldmünzen kaufen, dann sind die in einer Schutzhülle. Zuerst wurde die Schutzhülle auf Fingerabdrücke untersucht, dann wurde die Hülle entfernt und nochmal jede einzelne Münze auf Fingerabdrücke untersucht. Und das mit hunderten von Münzen. Allein der Aufwand, der da getrieben worden ist, ist völlig abartig.
Handelt es sich also um einen Schauprozess?
Ja. Es soll wohl deutlich gemacht werden: Wer in diesem Staat zu sehr aufmuckt und zu viele eigene Gedanken entwickelt, der wird fertiggemacht.
Hier sitzen Menschen seit bald zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft, die eben nicht nur vor sich hin gesponnen haben, sondern die politisch aktiv waren: Christian Wendler und Birgit Malsack-Winkemann in der AfD, Johanna Findeisen in der Partei Die Basis. Prinz Reuß hat seine eigenen familiären Angelegenheiten verfolgt und ständig die Justiz beschäftigt. Maximilian Eder hat sich während «Corona» auf vielen Demonstrationen gegen die Grundrechtseinschränkungen ausgesprochen. Da sitzen einige auf der Anklagebank, die ziemlich deutlich gegen das «Corona»-Regime tätig waren.
Es sieht wirklich danach aus, dass hier gezeigt werden soll: «Freunde, bevor wir die nächste Pandemie veranstalten, stellen wir klar, Widerstand darf es nicht geben. Und wenn doch, dann ist der Preis so hoch, dass man den nicht zahlen will.»
Wie ist Ihr Eindruck von den Angeklagten, wenn Sie sie im Gerichtssaal sehen?
Es ist unterschiedlich. Man sieht sie natürlich schon mal im Abstand von Wochen. Also wenn ich mir zum Beispiel Peter Wörner anschaue, eine Zeitung hat ihn mal als ein «Vorgebirge von einem Mann» beschrieben. Er war KSK-Soldat, hat Survival-Training gemacht. Und als ich ihn zuletzt gesehen habe, merkte man, dass er körperlich abbaut. Oder Johanna Findeisen, der im Gefängnis anscheinend besonders schlimm zugesetzt wird. Auf den Fotos aus der Zeit vor ihrer Verhaftung war sie blond, inzwischen ist sie grau. Prinz Reuß sieht man auch an, dass ihm das alles zusetzt.
Man merkt, das geht an den Menschen nicht spurlos vorbei. Der eine oder andere hält sich vielleicht besser, aber das macht etwas mit ihnen, es setzt ihnen zu. Und die Aussicht, dass der Prozess unter diesen Umständen noch jahrelang gehen könnte, ist natürlich auch nicht gerade erfreulich.
Am 25. März war der 59. Verhandlungstag in Frankfurt, wo gegen neun der Angeklagten verhandelt wird. Wie viele Termine sind denn derzeit noch angesetzt?
Terminiert ist erst mal bis Januar 2026. Aber bei diesem Aktenumfang und vor allen Dingen bei dem Tempo, mit dem verhandelt wird, kann man davon ausgehen, dass die 450 Verhandlungstage des NSU-Prozesses bei weitem übertroffen werden. Allein die Generalbundesanwaltschaft hat 260 Zeugen benannt. Wir sind jetzt ungefähr beim 15. Zeugen angelangt. Dann sagen die Angeklagten selbst noch aus, auch das dauert jeweils mehrere Tage.
Jetzt wurde zum Beispiel der Beamte vom Bundeskriminalamt (BKA), der die Vernehmung von Michael Fritsch geleitet hat, mehrere Tage lang vom Gericht befragt. Den Inhalt dieser Vernehmung kann man eigentlich der Akte entnehmen. Wenn man in diesem Tempo verhandelt, können Sie ja hochrechnen: Wenn Sie für jeden der 260 Zeugen drei oder vier Tage brauchen, dann liegen wir bei über 1000 Verhandlungstagen. Das wäre das Doppelte vom NSU-Prozess.
Sie haben eben den NSU-Prozess erwähnt. Gab es bei den Menschen, die rund um Prinz Reuß verhaftet wurden, denn konkrete Handlungen?
Die gab es eben nicht. Es gab Leute, die zusammengesessen, dummes Zeug geredet und darauf gewartet haben, dass der Erlöser, eine sogenannte «Allianz», vom Himmel herabsteigt und etwas macht – um es mal etwas überspitzt zu formulieren.
Laut Generalbundesanwaltschaft hätte der Reichstag gestürmt werden sollen.
Wie der Generalbundesanwalt zu dieser absurden Idee kommt, erschließt sich immer weniger.
Chats wurden ausgewertet.
Wenn 25 Personen auf verschiedenen sozialen Medien unterwegs sind, werden Sie wahrscheinlich beim einen oder anderen irgendetwas finden, das man belastend auslegen kann.
Konkret geht es anscheinend um Folgendes. Es gab im August 2021 eine Reichstagsbesichtigung. Die damalige Bundestagabgeordnete Malsack-Winkemann führte drei der heute Angeklagten herum, und es wurden Fotos gemacht. Es wurde gerade vor Gericht durch die Aussage eines Beamten der Bundestagspolizei bestätigt, dass es jedem Bundestagsabgeordneten erlaubt ist, jederzeit kleine Gruppen von bis zu sechs Personen durch den Reichstag zu führen.
Jetzt stellte sich heraus, dass bei Peter Wörner bereits im April 2022 im Zusammenhang mit dieser Gruppe, die vor kurzem in Koblenz verurteilt worden ist, schon mal eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat. Damals ist sein Handy beschlagnahmt worden. Anhand der Aktenlage kam heraus, dass Herr Wörner schon damals die Fotos von dieser Reichstagsbesichtigung auf seinem Handy gelöscht hatte, ohne sich davon eine Kopie zu machen. Und auch Max Eder hat seine Fotos nie wieder angeschaut. Der Generalbundesanwalt behauptet aber, die Aufnahmen hätten zur Vorbereitung eines Reichstagssturms gedient. Wenn das wirklich der Fall gewesen wäre, dann hätten die Angeklagten doch diese Bilder immer wieder angeschaut. Das haben sie aber nicht getan. Die Fotos wurden aufgenommen, gelöscht und vergessen. Da passt doch absolut nichts zusammen.
Schild mit der Aufschrift «Das Übel: hörige Richter, Staatsanwälte» bei der Demonstration der Demokratiebewegung am 28. März 2025 in Berlin; Foto: Sophia-Maria Antonulas
Die Generalbundesanwaltschaft konzentriert sich also auf Fotos, die eigentlich schon gelöscht waren. Aber Sie erwähnten im Vorgespräch auch einen Zeugen?
Der Generalbundesanwalt präsentierte einen Zeugen, einen gewissen Michel R. Das ist ein vorbestrafter Betrüger. Er hat sich bereits in mehreren Knästen an Mitgefangene herangemacht, diese ausgehorcht und seine Erkenntnisse dem jeweiligen Staatsanwalt präsentiert. Was dazu führte, dass R. regelmäßig von einer Haftanstalt in die nächste verlegt werden musste, wegen der «Gefährdungslage».
In drei anderen Fällen hat er bereits der Staatsanwaltschaft treue Dienste geleistet. Jetzt wurde Michel R. nach Frankfurt verlegt. Und da hat er zunächst versucht, sich an Prinz Reuß ranzumachen – ohne Erfolg. Stattdessen hat er sich an Hans-Joachim Heuer rangewanzt und ihn ausgehorcht – mit dem Ergebnis, dass Herr Heuer die Anklageschrift, den Haftbefehl und sogar seine Notizen dazu, wie er sich verteidigen will, R. gegeben hat. Die dieser dann auch umgehend dem Staatsanwalt weitergeleitet hat. Und R. hat über sämtliche Gespräche, die er mit dem Angeklagten Heuer geführt hat, minutiös Notizen gemacht, die ein Volumen von 800 Seiten haben.
Und gegen diesen Zeugen R. lief ein weiteres Verfahren, weswegen er ja überhaupt in Untersuchungshaft kam. Jedenfalls schafften es die Verteidiger in Frankfurt, dem Anwalt von R. zu entlocken, dass in dem gegen ihn laufenden weiteren Verfahren die Staatsanwaltschaft plötzlich eine Bewährungsstrafe beantragt hat. Und wenn ich es richtig verstanden habe, könnte es sein, dass sogar noch ein oder zwei weitere Sachen «vergessen» wurden. Solche vorbestraften Betrüger werden von der Generalstaatsanwaltschaft als Zeugen aufgeführt. Das ist alles sehr fragwürdig, solche Menschen sind doch nicht glaubhaft. Eine der Verteidigerinnen von Julia Bondarenko, die zu solchen Themen promovierte, zog in einem langen Vortrag gut begründet Parallelen zu den Methoden der Stasi, der Staatssicherheit der DDR.
Und Max Eder hat unlängst vor Gericht darauf hingewiesen, dass er den Eindruck hat, dass auf ihn ebenfalls so ein Knastspitzel angesetzt worden sei. Wobei die Generalbundesanwaltschaft natürlich erklärte, dass sie keine Leute auf die Angeklagten ansetze.
Welchen Zweck hat der Einsatz von Knastspitzeln?
Ich kann mir vorstellen, dass, wenn Menschen sich über zwei Jahre in Untersuchungshaft befinden und unter ständigem psychischen Druck stehen, sie mal einen verzweifelten Satz raushauen, wen sie nicht alles umbringen wollen, wenn ihnen so ein Knastbruder zuhört. Der Staatsanwalt macht dann daraus einen Nachweis für die angeblich bösartige Gesinnung dieser Gefangenen.
Mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft wegen ihrer Gesinnung?
Im Grunde genommen reden wir hier von Gesinnungsstraftaten. Theoretisch haben wir in Deutschland ein Tatstrafrecht – bestraft wird die konkrete Handlung, die Tat. In diesem Fall will die Staatsanwaltschaft offensichtlich politische Urteile erzwingen – mit aller Teufelsgewalt.
Wir merken das in vielen anderen Fällen – siehe die Causa Ballweg. Auch da sollte Querdenken-Gründer Michael Ballweg einfach aus dem Verkehr gezogen werden, weil er in der Lage war, Menschenmassen zu den Demonstrationen zu bringen. Dessen Anklage bricht derzeit völlig in sich zusammen. Das ist ja inzwischen abenteuerlich, was da vonstattengeht. Wann hat man je gehört, dass die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen den ganzen Spruchkörper stellt. Normalerweise stellt die Verteidigung erst mal einen Befangenheitsantrag gegen die Richter, aber nicht die Staatsanwaltschaft. Da sieht man, wie das inzwischen läuft. Nebenbei bemerkt, der Chefankläger im Fall Ballweg ist Mitglied bei den Grünen und hat auch für die Grünen kandidiert.
Sie haben oben kurz Reichsbürger erwähnt. Ist dieses Phänomen bei den Verhandlungen überhaupt noch ein Thema?
Da sind wir bei diesen ganzen unscharfen und bewusst unscharf gehaltenen Begriffen – Reichsbürger würden die Bundesrepublik nicht anerkennen oder so. Wir haben hier aber zum Beispiel jemanden wie Max Eder, der 38 Jahre lang Soldat war. Der soll die Bundesrepublik nicht anerkennen? Oder Michael Fritsch, Polizist. Der soll die Bundesrepublik nicht anerkennen? Und Prinz Reuß, der sein Leben lang Restitutionsprozesse geführt hat. Wenn er diesen Staat nicht anerkennen würde, dann hätte er doch gar nicht die Justiz bemüht. Oder auch Birgit Malsack-Winkemann – Bundestagsabgeordnete und jahrzehntelang als Richterin tätig – sie soll die Bundesrepublik nicht anerkennen? Das ist doch Quatsch.
Wie gesagt, der Generalbundesanwalt behauptet, es gehe in diesem Verfahren gegen Reichsbürger, Querdenker, QAnon-Anhänger und Verschwörungstheoretiker. Verschwörungstheorie ist auch so ein Gummibegriff. Verschwörungstheorie war, dass der «Corona»-Virus aus dem Labor stamme. Inzwischen wissen wir, dass das die ganze Zeit über der Wissensstand der Regierung war. Die Liste der Verschwörungstheorien, die sich als wahr erwiesen haben, ist fast endlos.
Bundestagsabgeordnete der AfD, wie Beatrix von Storch, Dr. Gottfried Curio und ein paar andere, haben immer wieder versucht, die zuständigen Behörden, insbesondere den ehemaligen Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang, darauf festzunageln, den Begriff «Verschwörungstheorie» zu definieren. Wo endet die freie Meinungsäußerung und wo beginnt die verfassungsschutzrelevante Verschwörungstheorie? Es wurde nie eine Antwort gegeben. Man will sich bewusst in diesem Punkt nicht festlegen, damit man nicht greifbar ist. Man sagt einfach, das ist ein Verschwörungstheoretiker, und das Gegenteil lässt sich gar nicht beweisen, weil der Begriff bewusst nicht definiert wird.
In einem dieser Prozesse wurde ein Polizist gefragt, was denn der Nachweis für Verschwörungstheoretiker sei? Seine Antwort: Der Besitz einer Tarnfleckjacke und von Büchern aus dem Kopp-Verlag.
Wenn man Werke aus einem bestimmten Verlag besitzt, soll man also Verschwörungstheoretiker sein – das ist doch völlig abartig.
Wir befinden uns hier wohl in orwellschen Verhältnissen. Alles was nicht dem Regierungssprech entspricht, ist ein Gedankenverbrechen. Und das soll laut Koalitionsverhandlungen sogar gesetzlich abgesichert werden. Das ist erschreckend – so weit ist nicht mal die DDR gegangen.
Diese riesige Polizeiaktion ging im Dezember 2022 als «Schlag gegen die Reichsbürgerszene» durch die Medien. Pressevertreter waren sogar vor den Hausdurchsuchungskommandos vor Ort. Konnten die «Reichsbürger»-Vorwürfe im Gerichtsaal konkretisiert werden?
Es läuft ja nach wie vor unter dem Begriff «Reichsbürgerprozess». Ziemlich am Anfang wurde ein BKA-Beamter vernommen, ich glaube, er war der erste Zeuge, der aufgerufen wurde. Er hatte zu den persönlichen Verhältnissen von Prinz Reuß ermittelt und wusste noch nicht einmal, dass dieser seit 19 Jahren geschieden ist. Die Krönung jedenfalls war, dass der Ermittler dann zum Schluss von einem Anwalt gefragt wurde, wie er darauf komme, dass das hier alles Reichsbürgerei sei? Darauf antwortete dieser Kriminalbeamte, dass das doch als Ermittlungsergebnis vorgegeben war.
Kann jeder diese Verhandlungen besuchen? Was muss man dabei beachten?
Das muss man gesehen haben – auch um sich von diesem irrsinnigen Aufwand zu überzeugen: 20 bis 30 Mitarbeiter der Frankfurter Justiz und dann nochmal 15 bis 20 Polizisten sind an so einem Prozesstag im Einsatz. Und wenn Sie Glück haben, bekommen Sie mit, dass die Generalbundesanwaltschaft mal wieder sehr lapidar den Anträgen der Verteidigung widerspricht.
Es kann grundsätzlich jeder hin. Es gibt 60 Plätze für Zuschauer und 60 Plätze für die Presse, wobei nur noch drei oder vier Medienvertreter anwesend sind, außer es ist eine entscheidende Aussage angekündigt, dann sind es ein paar mehr. Sehr konstant ist die Journalistin Gisela Friedrichsen dabei, die Ende 2024 in der Welt in einem langen Artikel diesen ganzen Prozess in streichholzgroße Einzelteile zerlegt hat.
In der Halle in Frankfurt ist es ein bisschen wie am Flughafen. In den Verhandlungssaal können Sie Stift und Notizbuch mitnehmen. Alles andere müssen Sie in Schließfächer geben. Da genügend Justizvollzugsbeamte rumstehen, kommt nichts weg. Sie werden abgetastet und gescannt und dann können Sie sich hinsetzen und sich das ansehen.
Müssen sich die Besucher ausweisen?
Ja natürlich, man muss sich ausweisen. Und der Ausweis wird auch kopiert. Das heißt, es wird dokumentiert, wer wann die Verhandlungen besucht hat. Manche Anwälte meinen, das widerspreche dem Grundsatz der Öffentlichkeit.
Zwischen dem Verhandlungs- und dem Zuschauerbereich gibt es eine Trennscheibe und die Verhandlung wird per Lautsprecher übertragen. Man hört immer nur das, was derjenige sagt, der gerade das Mikro offen hat.
Und wozu diese Trennscheibe?
[Lacht] Es könnte doch sein, dass plötzlich 50 Reichsbürger kommen und den Gerichtssaal stürmen. Aber bislang ist noch keiner aufgetaucht.
Ganz im Gegenteil – man hat eher den Eindruck, dass da ab und zu mal Leute sitzen, die die anderen Zuschauer genau beobachten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und dann auch mal das Gespräch suchen, um denen ein bisschen was herauszulocken.
Sind immer alle Angeklagten bei den Verhandlungen?
Die müssen immer da sein. Ohne Angeklagte keine Verhandlungen. Die Angeklagten werden sehr früh in den Gerichtssaal gebracht, gegen sieben Uhr dreißig. Und dann sitzen sie anscheinend in kleinen Minizellen, ohne Tageslicht. Eine Angeklagte benutzt den Begriff «Hühnerkäfig». Da warten sie dann zwei Stunden auf den Beginn der Verhandlung.
Als Prozessbeobachter, was geht in Ihnen vor, wenn Sie sich das immer wieder ansehen? Und was würden Sie sich erwarten oder wünschen?
Ich wünsche mir natürlich einen Freispruch. Das ist das Einzige, was ich mir als gerechtes Urteil vorstellen kann. Ich glaube aber nicht, dass das so kommt, da es sich um einen politischen Prozess handelt. Die Vorverurteilung durch die Presse erzwingt praktisch, dass das Gericht das Urteil in einer bestimmten Richtung fällt.
Dazu kommt, dass das Verfahren an drei Standorten – in Frankfurt am Main, München und Stuttgart – geführt wird und nur die Generalbundesanwaltschaft komplette Kontrolle über das Verfahren hat.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gericht die Angeklagten freispricht und ein anderes Gericht Strafen zwischen fünf und zehn Jahren ausschüttet. Ich glaube auch nicht, dass eine Revision vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich sein kann. Denn da sitzt der dritte Strafsenat und das ist genau der Strafsenat, der die Verlängerungsbeschlüsse für die Untersuchungshaft mithilfe von Textbausteinen produziert.
Vielleicht stellt irgendwann der Europäische Gerichtshof in Straßburg fest, dass das Verfahren von vornherein unfair gelaufen ist, die Angeklagten gefoltert wurden und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention massiv verstoßen wurde.
Denn diese sogenannte «Gruppe» war eher ein Gesprächskreis, der offensichtlich herumgesponnen hat. Irgendwann im November 2022 hatten sie sich nochmal getroffen und sinngemäß festgestellt, «schön, dass wir uns kennengelernt haben, aber das war es dann, tschüss». Und genau da schlägt die Staatsgewalt plötzlich zu, als sie gemerkt hat, dass sonst überhaupt nichts mehr zu holen ist. Das weist auch darauf hin, dass in dem Kreis wohl von vornherein Spitzel und auch Provokateure waren.
Was inzwischen relativ deutlich wird, jedenfalls aus meiner Sicht: Viele dieser Angeklagten sind oder waren überzeugt, dass es Kräfte gibt, die in sogenannten DUMBs (Deep Underground Military Bases) Kinder gefangenhalten, foltern, rituelle satanische Pädophilie betreiben und am Ende aus dem Kinderblut Adrenochrom gewinnen, mit dem sie ihr Leben verlängern wollen.
Ein großer Teil dieser 26 Menschen, die heute vor Gericht stehen, war offensichtlich nicht nur davon überzeugt, dass es so etwas gibt, sondern sie hatten auch den Willen und mindestens die finanziellen Mittel, um das aktiv aufzuklären. Die Fähigkeiten hatten sie eher nicht, aber eben den Willen und die Mittel.
Und je mehr man darüber nachdenkt, desto eher könnte man zu dem Schluss kommen, dass da mehr dran ist, als man denkt. Und vielleicht sind sie auch deswegen aus dem Verkehr gezogen worden. Das ist tatsächlich hoch spekulativ, aber wir wissen ja, dass es in führenden Kreisen immer wieder Leute mit einer Neigung zur Pädophilie gibt. Und ganz aktuell hat die Polizei einen international agierenden Kinderporno-Ring mit 1,8 Millionen Usern im Darknet zerschlagen.
Warum sollte es niemandem egal sein, dass da 26 Menschen ohne konkrete Strafhandlungen seit bald zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzen?
In Deutschland kann es inzwischen jeden treffen. Zuerst diejenigen, die oppositionell tätig sind und den Mund aufmachen, aber übermorgen kann es jeden treffen, der am Stammtisch eine blöde Bemerkung macht. In unserer Demokratie sind wir schon fast wieder an dem Punkt angekommen, wo man zuerst über die linke und rechte Schulter blicken muss, um zu sehen, wer zuhört, bevor man einen politischen Witz erzählt.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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