Am Sonntag sind Irans Präsident Ebrahim Raisi sowie Außenminister Hussein Amirabdollahian und die weiteren Insassen bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Der Vorfall ereignete sich in einer bergigen Waldregion im Norden Irans an der Grenze zu Aserbaidschan. Nun gibt es Spekulationen, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern um einen Anschlag handeln könnte.
Als Hauptverdächtiger wird natürlich Israel genannt, das ein Alliierter Aserbaidschans und ein wichtiger Waffenlieferant für das Land ist. Yossi Melman schreibt in Haaretz, der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev selbst habe 2017 auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit Premierminister Benjamin Netanjahu in Baku zugegeben, dass sein Land Waffen im Wert von fünf Milliarden Dollar von Israel gekauft habe. Seitdem habe sich der Handel mit Rüstungsgütern zwischen Israel und Aserbaidschan fast verdoppelt, so Melman.
Der Journalist erklärt zudem, in der Vergangenheit sei mehrfach berichtet worden, dass Aserbaidschan dem Mossad als Basis diene, um im Iran zu operieren und dort Informationen zu sammeln. Laut dem früheren Mossad-Chef Yossi Cohen würden Mossad-Agenten auf iranischem Boden operieren. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Israelis handeln, erläutert Melman. Er erinnert an einen Einsatz, bei dem das iranische Atomarchiv aus Teheran gestohlen und über Aserbaidschan nach Israel transportiert wurde.
Melman ist allerdings überzeugt, dass Israel nichts mit dem Absturz zu tun hat. Verteidigungsbeamte wüssten, dass die Ermordung eines Staatsoberhaupts zum Bumerang werden kann, «selbst wenn die Versuchung groß und der Wunsch nach Rache stark ist, die Informationen vorliegen und die Mission durchführbar ist».
Israel weist eine Verantwortung denn auch ab. Der Frankfurter Rundschau zufolge ist man sich unter israelischen Militärstrategen einig, dass Israel nicht von Raisis Tod profitiert:
«Ein Anschlag auf seinen Hubschrauber wäre demnach ein sinnloses Unterfangen gewesen. Ein solches Attentat hätte einiges an Ressourcen für Vorbereitung und Durchführung gebunden, aber wenig Nutzen gebracht.»
Im Verdacht stehen auch die USA. Laut dem US-Verteidigungsminister Lloyd Austin deutet aber alles darauf hin, dass es sich um einen Unfall handelt. Eine Beteiligung der USA streitet er laut dem Tagesspiegel ab. Sein Land hätte «nichts damit zu tun. Das ist ganz einfach eine Tatsache».
Für die Hypothese, dass es sich um einen Unfall handelte, spricht auch die Tatsache, dass westlichen Sanktionen gegen den Iran – insbesondere das Waffenembargo, das die Beschaffung von Ersatzteilen erschwerte – zu einem schlechten Wartungszustand der iranischen Flugobjekte geführt hat. So kommt es im Iran regelmässig zu Flugunfällen. Auch waren die Wetterbedingungen in der betreffenden Region am Sonntag sehr ungünstig.
Sputnik ist sich hingegen weniger sicher, dass ein Unfall zum Tod von Raisi und Amirabdollahian geführt hat. Das Portal zitiert den pensionierten Analysten für Sicherheitspolitik, Michael Maloof, der fragt:
«Sie hatten drei Hubschrauber hintereinander im Einsatz, und plötzlich fällt einer aus. Kein Notruf. Kein gar nichts. Und wenn es am Nebel lag, wieso sind die anderen beiden gut durchgekommen? Aber nicht der des Präsidenten?»
Maloof merkt zudem an, dass Israel eine mutmaßliche Geschichte von geheimen Operationen innerhalb des Irans habe, einschließlich der Bombardierung von Pipelines, der Ermordung von Nuklearwissenschaftlern und der jüngsten Reaktion Israels auf einen iranischen Angriff, der laut dem Iran von seinem Territorium aus durchgeführt wurde. Maloof spekuliert:
«Der Angriff Israels auf den Iran war auch eine sehr dürftige Antwort, aber ich glaube, dass das alles für etwas viel Größeres geplant war, etwas wie das hier.»
Maloof schlussfolgert, dass die Reaktion erheblich sein werde, wenn sich herausstellen sollte, dass Israel in den Tod von Raisi verwickelt war:
«Sie haben gesehen, wie die Reaktion war, als die Israelis das iranische Konsulat in Syrien angriffen ... Zum ersten Mal hat der Iran gezeigt, dass er Israel direkt angreifen kann. Wenn dieser Hubschrauberabsturz tatsächlich zielgerichtet war und mit Israel in Verbindung gebracht werden kann, denke ich, dass wir eine sehr starke Reaktion sehen werden.»
Sputnik weist zudem darauf hin, dass der Tod des iranischen Präsidenten der «letzte einer Reihe seltsamer Zufälle» sei. Dazu gehöre der Sabotageakt auf die Nordstream-Pipelines im September 2022 und das kürzliche Attentat auf den slowakischen Premierminister Robert Fico.
Das Portal macht ausserdem darauf aufmerksam, dass genau an dem Tag, an dem der Hubschrauber des iranischen Präsidenten abstürzte, Beamte der Armee der Demokratischen Republik Kongo (DRK) bekannt gegeben hätten, dass sie einen Putschversuch vereitelt und 50 Personen, darunter drei US-Amerikaner, festgenommen hätten. Der mutmaßliche Anführer des Putsches, Christian Malanga, sei bei dem Versuch getötet worden. Malanga habe die meiste Zeit seines Lebens in den USA gelebt und laut im Internet veröffentlichten Videos im Jahr 2015 das israelische Militär besucht.
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