Die US-Führung will, dass der ukrainische Präsidentendarsteller Wolodymyr Selenskyj sein Amt niederlegt. Das behauptet zumindest der investigative US-Journalist Seymour Hersh (88) in seinem am Freitag veröffentlichen aktuellen Text. Darin gibt er Informationen wieder, wonach die Trump-Administration Selenskyj austauschen will, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Demnach soll der ehemalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Truppen und jetzige ukrainische Botschafter in London, Ex-General Waleri Saluschnij, in den Kiewer Präsidentenpalast einziehen. Dieser habe im Herbst 2023 gegenüber der britischen Zeitschrift The Economist erklärt, der Krieg mit Russland sei in eine «Pattsituation» geraten. Drei Monate später sei er von Selenskyj entlassen und nach London entsandt worden.
Hersh schreibt, der General sei «die beliebteste Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in der Ukraine». Er habe als Botschafter in London, «wenn auch still, mit Auszeichnung gedient». Über Saluschnijs Anteil am britischen Versuch, den Krieg in der Ukraine nicht enden zu lassen, schreibt der US-Journalist nichts. Auch nicht darüber, dass der General, der zur ersten ukrainischen Offiziersgeneration ohne sowjetische Ausbildung und Prägung gehört, anscheinend durchaus Sympathien mit der Nazi-Ideologie hat.
Das belegt ein von ihm selbst im Oktober 2022 auf einer Onlineplattform gepostetes Foto, das ihn mit einem Armband zeigt, an dem ein Hakenkreuz zu erkennen ist. Vor einem Jahr erklärte der nunmehrige Botschafter in einem Vortrag beim britischen Forschungsinstitut für Verteidigung und Sicherheitsfragen (RUSI): «Nicht nur die bloße Existenz Russlands ist bereits eine Bedrohung.» Er bezeichnete Russland als «ewigen Feind», gegen den ein «Urkampf» geführt werde und forderte, für den «totalen Krieg» gegen die «russische Tyrannei» müsse der Westen auf eine ganze Reihe von Freiheiten verzichten.
Dieser «Urkämpfer» gegen Russland gilt nun laut Hersh als «der glaubwürdigste Nachfolger Selenskyjs». Von gut informierten Beamten in Washington will der Journalist erfahren haben, dass der Ex-General dieses Amt innerhalb weniger Monate übernehmen könnte. Selenskyj stehe auf einer kurzen Liste für das Exil, sollte Präsident Donald Trump sich dazu entschließen.
Für den «sehr wahrscheinlichen» Fall, Selenskyj verweigert den Rücktritt, habe ihm ein involvierter US-Beamter erklärt:
«Er wird mit Gewalt entfernt werden. Der Ball liegt nun bei ihm.»
Viele in Washington und in der Ukraine glauben laut Hersh, dass der eskalierende Luftkrieg mit Russland bald beendet werden muss, solange noch eine Chance auf eine Einigung mit Präsident Wladimir Putin bestehe. Es gebe Anzeichen dafür, dass Selenskyj weiß, was auf ihn zukomme und beginne, «die Gefahrenzeichen zu erkennen», zitiert der Journalist seinen Informanten.
Was als Nächstes passiere, habe der Beamte hinzugefügt, hänge in Bezug auf politische Gewalt in Kiew und anderswo weitgehend davon ab, «inwieweit die Bevölkerung den Punkt erreicht hat, an dem sie keine andere Wahl mehr hat».
«Selenskyj wird nicht freiwillig gehen, sondern mit den Füßen voran.»
In den US-Führungskreisen gebe es eine Debatte, bei der die «kluge Seite» sage, die CIA solle sich nicht in die ukrainische Angelegenheit einmischen, um den Deal zu besiegeln. Bislang bestimme die Vernunft die Politik.
«Aber einige namentlich nicht genannte Führungskräfte sind ungeduldig, und das wird Zeit brauchen – mehr als fünfzig Tage.»
Hersh verweist darauf, dass Trump seine Haltung gegenüber Russland öffentlich verschärft habe. Nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte habe er Anfang dieser Woche gegenüber der Presse gesagt, Putin habe «viele Menschen getäuscht» – darunter auch einige ehemalige US-Präsidenten –, aber «mich hat er nicht getäuscht». Trump habe angekündigt, weitere US-Waffen in die Ukraine zu liefern, «um deren Fähigkeit zu verbessern, tief in Russland zuzuschlagen».
Der US-Journalist verweist auf die «unbeeindruckten» Reaktionen in Moskau auf die Aussagen des US-Präsidenten. Viele russische Kommentatoren würden «bezweifeln, dass Trump wirklich einen Kurswechsel vollzogen hat und sich voll und ganz für die Unterstützung der Ukraine einsetzt», zitiert er aus einem Bericht der Zeitung New York Times.
Ihm selbst sei gesagt worden, Trump sei immer noch verärgert über Selenskyj, weil dieser im vergangenen Winter beschlossen hatte, seine übliche Kampfkleidung zu einem Staatsbesuch in Washington zu tragen, der sich als katastrophal herausstellte. Trump habe ihn als «im Pyjama» im Weißen Haus erschienen bezeichnete.
Hersh schreibt, er wisse nicht, ob die US-Regimechange-Pläne für Kiew in Moskau bekannt seien. Er berichtet aber von Informationen, wonach Saluschnyj «weiterhin gute Arbeitsbeziehungen zu Waleri Gerassimow, dem Stabschef der russischen Streitkräfte und Vertrauten Putins, unterhält». In einem früheren Text hatte er geschrieben, Gerassimow sei einer der wenigen gewesen, die im Voraus wussten, dass Saluschnyj gegenüber dem Economist erklären würde, der Krieg befinde sich in einer Pattsituation.
Der US-Journalist gibt «neue russische Opferzahlen aus sorgfältig ausgewerteten Schätzungen des US- und britischen Geheimdienstes» wieder. Demnach habe Russland seit Beginn des Krieges durch Putin Anfang 2022 zwei Millionen Opfer zu beklagen – fast doppelt so viele wie derzeit offiziell angegeben. «Putin hat keine Angst, die Macht zu verlieren, aber er verliert an Popularität», habe ihm der US-Beamte erklärt.
Dieser habe außerdem gesagt, «Donald Trump ist Selenskyjs Lieferant und der Einzige, der den Krieg in der Ukraine am Laufen halten kann. Wer hat die wahre Macht? Nicht Selenskyj. Seine einzige Rettungsleine sind die USA.» Trump frage:
«Wie bringen wir diese Wichtigtuer dazu, aufzuhören? Er glaubt, er sei der Einzige, der einen Deal aushandeln kann.»
Die Botschaft an Putin lautet nach Hersh Angaben: «Du kannst immer noch behaupten, du hast gewonnen», wenn Selenskyj ersetzt werde. Die russischen Kampfverluste würden in Washington als Schlüssel für den erneuten Drang angesehen, eine neue Führung in der Ukraine zu installieren, um ernsthafte Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufzunehmen, angesichts Putins Verachtung für Selenskyj und der Möglichkeit einer Eskalation.
Laut Hershs Bericht wird in der US-Führung das Vorrücken der russischen Armee in der Ukraine als «minimal» angesichts der hohen Verluste eingeschätzt. Es handele sich «ausschließlich um Ackerland, keine befestigten Städte oder wichtige Kommunikationsstandorte». «Alle bestausgebildeten Soldaten der regulären Armee» seien bei den russischen Truppen «durch unwissende Bauern ersetzt» worden, glauben die US-Experten zu wissen.
«Alle besten Offiziere und Unteroffiziere mittleren Ranges sind tot. Alle modernen Panzer und Kampffahrzeuge sind Schrott. Das ist nicht tragbar.»
Russland greife deshalb nun angeblich verstärkt ukrainische Städte an, gibt der US-Journalist Aussagen des US-Beamten wieder. Allerdings sehe es bei der Ukraine kaum besser aus, deren verbleibende Streitkräfte «größtenteils aus zuvor vom Wehrdienst befreiten Abgewiesenen, die kürzlich in die Armee gepresst wurden», bestehen würden.
Der US-Beamte habe vorhergesagt, dass «niemand in Europa sein Landleben und seine Wochenenden in Paris opfern wird, um Selenskyj zu unterstützen». Die EU-Politiker würden bei den US-Regimechange-Plänen für Kiew mitziehen. Sein Informant habe außerdem zu den EU-Forderungen, die ukrainische Luftwaffe mit US-amerikanischen F-16-Kampfflugzeugen auszustatten erklärt, die Flugzeuge seien ein totaler Reinfall gewesen.
«Die ukrainischen Piloten haben gelernt, wie man startet, aber sie wissen nicht, wie man landet.»