Russland ist zweitgrösster Lieferant von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas –LNG) in die Europäische Union (EU), nach den USA. Europäische Unternehmen verdienen am Weiterverkauf von russischem Gas. Das hat die Berliner Zeitung am Donnerstag berichtet.
Danach haben die EU-Länder in diesem Jahr voraussichtlich Rekordmengen von LNG, verflüssigtes Erdgas, aus Russland bezogen, nachdem 2022 die Nord Stream-Pipeline gesprengt wurde. Zudem wird laut der Zeitung mehr als 20 Prozent der russischen Lieferungen von EU-Gashändlern in andere Länder ausserhalb der EU weiterverkauft.
Der russische Anteil am Import von Flüssigerdgas in die EU mache 16 Prozent aus. Von Januar bis September dieses Jahres seien 17,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas als LNG aus Russland in die EU geliefert worden. Die grössten Mengen aus Russland seien in dem belgischen Hafen Zeebrugge und dem französischen Montoir-de-Bretagne angekommen.
«Häfen in Belgien, Spanien und Frankreich beziehen noch immer erhebliche Mengen an Flüssiggas aus der sibirischen Anlage Yamal LNG. Die Anlage gehört mehrheitlich Russlands zweitgrösstem Erdgasproduzenten Novatek, weitere Anteilseigner sind die China National Petroleum Corporation und das französische Energieunternehmen Total Energies.»
Die Zeitung beruft sich dabei auf Angaben der britischen Zeitung Financial Times. Diese stützt sich auf Daten des US-amerikanischen Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalyse (IEEFA) und des führenden Rohstoff-Analyseunternehmens mit Sitz in Brüssel, Kpler.
In einigen EU-Ländern und in Grossbritannien ist das Weiterverkaufen von russischem LNG verboten, so die Zeitung. In anderen wie Spanien, Frankreich und Belgien erfolge das Umladen routinemässig weiter.
Noch 2021 habe die EU insgesamt 155 Milliarden Kubikmeter Erdgas über Rohrleitungen und als LNG aus Russland importiert. Als Ersatz wird laut Berliner Zeitung nun vermehrt auf Erdgas aus den Niederlanden und Norwegen sowie auf LNG aus den USA gesetzt. Auch Katar soll liefern.
Aus den USA sollen bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas in Form von LNG bezogen werden. Langfristig soll US-LNG die russischen Lieferungen ganz ersetzen.
Die Berliner Zeitung berichtet von der «Verwunderung» darüber, dass nach einer Analyse der Organisation Global Witness «bereits in den ersten sieben Monaten 2023 die EU-Importe von Flüssigerdgas aus Russland um 40 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2021 gestiegen sind». Die EU-Sanktionen gegen Russland betreffen nur Lieferungen von Kohle und Öl und nicht das Erdgas.
Die EU-Länder sind zum Teil abhängig von den russischen Lieferungen, weil sie wie zum Beispiel Österreich, Ungarn oder die Slowakei kaum Ausweichmöglichkeiten haben. Zum anderen bestehen langfristige Verträge, deren Bruch zu hohen Entschädigungsforderungen aus Russland führen könnten.
Die EU-Kommission hat dennoch das Ziel verkündet, bis 2030 die Lieferungen von Erdgas aus Russland zu stoppen. «Wir können und müssen die russischen LNG-Exporte reduzieren, um sie vollständig auslaufen zu lassen», zitiert die Berliner Zeitung die EU-Energiekommissarin Kadri Simson.
Danach wollen sich die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten im Dezember auf Regeln einigen, die es ihnen ermöglichen, den Zugang russischer und belarussischer Betreiber zur EU-Gasinfrastruktur zu verhindern. Kritik an all dem wird politisch ignoriert. So hatte selbst eine Dokumentation des Senders ZDF Anfang November festgestellt: «LNG: Zu viel, zu teuer, schlecht fürs Klima».
Das Umweltbundesamt stellte 2019 noch fest: «Aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ist ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline transportiertem Gas nicht begründbar.» Als Behörde der Bundesregierung sprach es sich damals aber dennoch nicht gegen den bereits geplanten Ausbau der LNG-Infrastruktur aus.