Der Lebensweg von Saïda Keller-Messahli war nicht vorgezeichnet. Geboren in Tunesien kam sie noch während der obligatorischen Schulzeit als Pflegekind in die Schweiz. In Grindelwald im Berner Oberland wurde der protestantische Pfarrer ihr Mentor. Nach ihrer Rückkehr nach Tunesien wurde sie zunächst Flugbegleiterin – ein Beruf, der sich ihrer mannigfaltigen Sprachkenntnissen wegen anbot.
Heiratsbedingt kam sie dann wieder in die Schweiz – und ist seit Jahren eine scharfe Kritikerin des politischen Islams und besonders des Einflusses radikaler Gruppen in der Schweiz. Anders als einschlägige Universitätsinstitute relativiert sie nicht und nennt das Kind beim Namen, ohne aber zu verletzen oder zu verallgemeinern. Die intime Kennerin beider Welten publiziert zum Beispiel oft und tritt auch in Schulen auf.
Im Juli 2024 gingen bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat zwei fast identische Strafanzeigen ein, wie die Tamedia-Zeitungen meldeten. Der Muslimverband Waadt (UVAM) und die Vereinigung der Islamischen Organisationen Zürich (VIOZ) klagten die prominenteste Islamismus-Kritikerin der Schweiz wegen Verleumdung an.
Hintergrund der Anzeigen ist ein Interview, das Keller-Messahli der Zeitung Le Matin Dimanche gab. Darin behauptete sie, viele Moscheen und Organisationen in der Schweiz seien mit der Muslimbruderschaft verbunden, einer der einflussreichsten Bewegungen des politischen Islams. Zudem sagte sie, dass der radikale Islam keine Randerscheinung sei und extremistische Prediger auch in der Schweiz regelmäßig ihre frauenfeindliche und gewalttätige Ideologie verbreiten könnten. Nur eine kleine Minderheit der Moscheen distanziere sich von solchen Predigern.
Sie sieht in den Klagen den Versuch, sie und andere Kritiker mundtot zu machen: «Man will mich zum Schweigen bringen», sagt sie. Sie sieht ein systematisches Muster dahinter, wie es auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten sei. Dieses Vorgehen, bei dem Islamkritiker mit Klagen überhäuft werden, wird als «juristischer Jihad» bezeichnet. Ziel sei es, die Betroffenen einzuschüchtern und sie durch den enormen Aufwand, den solche Prozesse mit sich bringen, in ihrer Arbeit zu behindern.
Bereits im Jahr 2021 hatte Keller-Messahli eine ähnliche juristische Auseinandersetzung. Damals verklagte sie den UVAM-Generalsekretär Pascal Gemperli nach einem Interview mit der SonntagsZeitung, in dem sie ähnliche Vorwürfe äußerte. Die erste Instanz stellte das Verfahren ein, doch Gemperli legte Rekurs ein, und der Fall ist bis heute nicht abgeschlossen. Solche Verfahren seien für sie extrem zeit- und kräfteraubend, sagt Keller-Messahli. Sie könne sich einen Anwalt nicht leisten und verteidige sich daher selbst. Sie sei überzeugt, die beste Kenntnis der Materie zu haben, was ihr in solchen Prozessen zugutekomme. Doch nun sieht sie sich zusätzlich zu dem laufenden Verfahren mit zwei weiteren Anzeigen konfrontiert.
Im Mittelpunkt der aktuellen Anzeigen steht vor allem die Aussage, dass die VIOZ von der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet wurde und noch immer von deren Ideologie beeinflusst werde. Die VIOZ widerspricht dieser Darstellung vehement und verweist in ihrer Strafanzeige auf eine öffentlich zugängliche Grundsatzerklärung, in der sie sich zu Demokratie, Menschenrechten und Gewaltfreiheit bekennt. Keller-Messahli hingegen legt zahlreiche Dokumente vor, die ihre Behauptungen stützen sollen.
Doch die Interpretation dieser Beweise ist komplex und dürfte den Richtern einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Ein weiterer Streitpunkt ist Keller-Messahlis wiederholte Behauptung, dass Gelder aus Katar in Schweizer Moscheen und Institutionen geflossen seien, um die Ideologie der Muslimbruderschaft zu fördern. Diese Behauptung stützt sie auf das Buch «Qatar Papers» von 2019, das international für Aufsehen sorgte. In dem Buch wird dargelegt, dass mehrere Millionen Franken aus dem Wüstenstaat an islamische Organisationen in der Schweiz überwiesen wurden. Keller-Messahli sieht darin einen klaren Beweis für den Einfluss Katars auf gewisse Moscheen und Institutionen in der Schweiz. Die betroffenen muslimischen Verbände sehen in diesen Anschuldigungen eine weitere Form der Verleumdung.
Für Saïda Keller-Messahli steht jedoch fest: Sie lässt sich nicht einschüchtern. Obwohl die Verfahren viel Zeit und Energie kosten, bleibt sie zuversichtlich und entschlossen. «Ich habe nichts gesagt, was ich nicht belegen kann», betont sie selbstbewusst. Sie sieht sich weiterhin als Kämpferin gegen den Einfluss des politischen Islams in der Schweiz und scheut auch in Zukunft nicht davor zurück, auf Missstände hinzuweisen. Ihre Kritiker würden versuchen, sie mundtot zu machen, doch Keller-Messahli bleibt überzeugt, dass die Wahrheit letztlich auf ihrer Seite stehen werde.
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