Moderne Eltern übernehmen im Vergleich zu ihren urzeitlichen Vorfahren mehr Verantwortung für die Kinderbetreuung. Dieser Ansatz könne jedoch zu einer weniger effektiven Erziehung führen. Das legt eine aktuelle Studie nahe, über die verschiedene Medien berichten, darunter Euronews.
Säuglinge und Kleinkinder seien möglicherweise psychologisch so veranlagt, dass sie bei einem hohen Mass an «einfühlsamer Pflege» und persönlicher Zuwendung gut gedeihen. So lautet das Ergebnis der Studie, die in zeitgenössischen Jäger- und Sammlergesellschaften durchgeführt wurde.
Anthropologen der Universität Cambridge untersuchten die Kinderbetreuungspraktiken der Mbendjele BaYaka, eines halbnomadischen Stammes in der Demokratischen Republik Kongo. Sie wollten herausfinden, wie traditionelle Gesellschaften für ihre Kinder sorgen.
«Mehr als 95 Prozent unserer Evolutionsgeschichte haben wir als Jäger und Sammler gelebt», sagt Nikhil Chaudhary, Evolutionsanthropologe und Hauptautor der Studie. Daher könnten zeitgenössische Jäger- und Sammlergesellschaften wie Mbendjele BaYaka Hinweise darauf liefern, ob es bestimmte Erziehungssysteme gebe, an die Säuglinge und ihre Mütter psychologisch angepasst sind.
Im Gegensatz zur heutigen Kindererziehung, bei der die Kinder in erster Linie von ihren leiblichen Eltern betreut werden, gebe es bei den Mbendjele BaYaka ein gemeinschaftliches Erziehungssystem, bei dem sich oft mehr als zehn Mitglieder des Stammes um die Bedürfnisse eines Kindes kümmerten.
Dieser gemeinschaftliche Ansatz ermögliche es den Kindern, etwa neun Stunden lang engen Kontakt zu verschiedenen Stammesmitgliedern zu haben, während die Mütter die Möglichkeit hätten, zu arbeiten und sich auszuruhen. Im Gegensatz dazu erhielten Säuglinge zum Beispiel in Kanada und den Niederlanden weniger als eine halbe Stunde engen Kontakt pro Tag.
Ein erheblicher Teil dieser Interaktion bestehe aus Haut-zu-Haut-Kontakt. Diese Art der Verbindung werde inzwischen von Medizinern für eine Reihe von körperlichen und emotionalen Vorteilen anerkannt. Dazu zählten auch die Unterstützung bei der Regulierung der Herzfrequenz und der Atmung des Babys sowie der Förderung der Gehirnentwicklung.
Die Forscher vermuten, dass Kinder «evolutionär bedingt» ein aussergewöhnlich hohes Mass an Körperkontakt und Fürsorge erwarten. Ausserdem persönliche Aufmerksamkeit von mehreren Bezugspersonen zusätzlich zu ihren biologischen Eltern.
Im Hinblick auf die Auswirkungen auf westliche Länder betonen die Autoren, dass die Bereitstellung einer erschwinglichen und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung, die über eine effektive Aufsicht hinausgeht, Vorrang haben sollte. Ein höheres Betreuungsverhältnis und die Stabilität der wichtigsten Betreuungspersonen in Kinderkrippen und Heimen könnten wichtig sein, um die Risiken für das Wohlbefinden zu minimieren.
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