Im Jahr 2021 wurde Anthony Thomas Hoover II nach einer Drogenüberdosis in ein Krankenhaus in Richmond, Kentucky eingeliefert. Die behandelnden Ärzte erklärten ihn für nicht mehr rettbar, planten die Abschaltung der lebenserhaltenden Maßnahmen und bereiteten die Organentnahme im Rahmen der sogenannten «Spende nach Herz-Kreislauf-Tod» (Donation after Circulatory Death/DCD) vor. Doch kurz vor Beginn des Eingriffs, zeigte Hoover plötzlich eindeutige Lebenszeichen: Er bewegte sich, zog die Beine an und weinte. Das medizinische Personal sei schockiert gewesen und hätte die Operation gestoppt, berichtete letzte Woche die News York Times.
Eine anschließende Untersuchung der US-Gesundheitsbehörde Health Resources and Services Administration (HRSA) offenbarte alarmierende Erkenntnisse: Von 350 überprüften Fällen, in denen geplante Organentnahmen in Kentucky zwischen 2021 und 2025 abgebrochen wurden, hätten mindestens 73 Eingriffe deutlich früher gestoppt werden müssen. Die Patienten wiesen entweder hohe oder sich verbessernde Bewusstseinswerte auf – ein deutliches Zeichen, dass sie nicht im endgültigen Sterbeprozess waren.
Obwohl keine der betroffenen Organentnahmen letztlich durchgeführt wurde, zeigten viele der Patienten während der Vorbereitungen Anzeichen von Schmerz und Unruhe. Einige verstarben kurz darauf, andere erholten sich teilweise oder vollständig – so wie Anthony Hoover, der heute mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen lebt, jedoch außerhalb des Krankenhauses betreut wird.
Besonders in der Kritik steht die Non-Profit-Organisation Kentucky Organ Donor Affiliates (KODA), die für die Koordination der Organspenden zuständig ist. Laut Zeugenaussagen früherer Mitarbeiter habe es erheblichen Druck gegeben, auch bei Zweifeln an der Prognose Organentnahmen zu forcieren. Einige Mitarbeitende verließen deshalb ihre Positionen. In einer Anhörung vor dem US-Kongress berichtete eine ehemalige KODA-Angestellte, dass sie mehrfach Alarm geschlagen habe – ohne Konsequenzen für die verantwortlichen Personen.
Auch ethische Grundsatzfragen treten in den Vordergrund: Die DCD-Praxis erlaubt die Organentnahme bei Patienten, deren Herzschlag nach Abschaltung der Maschinen zum Erliegen kommt, obwohl noch geringe Gehirnaktivität vorhanden sein kann. Kritiker fordern klare, medizinisch einheitliche Kriterien und größere Transparenz gegenüber Angehörigen, die oft unter emotionalem Druck Entscheidungen treffen.
Die Enthüllungen haben das Vertrauen in das amerikanische Organspendesystem massiv erschüttert. Die Zahl der Personen, die sich in Kentucky und darüber hinaus aus Organspenderregistern austragen ließen, ist sprunghaft angestiegen. Fachleute fordern nun tiefgreifende Reformen – von unabhängigen Kontrollinstanzen bis hin zur Überprüfung der Zulassungskriterien für Transplantationsorganisationen.
Der Fall Anthony Hoover ist mehr als ein Einzelfall – er steht für ein strukturelles Versagen in einem System, das Leben retten soll, dabei aber auf die höchste medizinische und ethische Sorgfaltspflicht angewiesen ist. Die laufenden Ermittlungen werden darüber entscheiden, ob Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen und nachhaltige Konsequenzen für den Umgang mit potenziellen Organspendern gezogen werden. Bis dahin bleibt eine tiefe Verunsicherung – bei medizinischem Personal wie auch in der Öffentlichkeit.
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