Schweden hat in einer überraschenden Entscheidung die Genehmigung für 13 Offshore-Windparks in der Ostsee abgelehnt und sich dabei auf nationale Sicherheitsbedenken berufen. Diese Entscheidung wurde am 4. November 2024 von der Regierung bekanntgegeben und hat die Diskussion über die Balance zwischen Energiewende und geopolitischer Sicherheit erneut angefacht. Nur ein Windparkprojekt, das «Poseidon»-Projekt an der Westküste des Landes, wurde bewilligt.
Die Ablehnung der Windparkprojekte in der Ostsee basiert auf Sicherheitsbedenken im Hinblick auf die militärische Verteidigungsfähigkeit Schwedens. Verteidigungsminister Pal Jonson erklärte an einer Pressekonferenz, dass der Bau dieser Windparks im Konfliktfall die Reaktionszeit auf einen möglichen Raketenangriff erheblich verringern würde. Besonders problematisch sei, dass Windparks in der Ostsee die Effektivität von Schwedens Raketenabwehrsystemen, wie den Patriot-Batterien, beeinträchtigen könnten. Diese Systeme, die zur Abwehr von Flugkörpern und Raketen eingesetzt werden, benötigen klare Sicht, um ihre Zielerfassung und -abwehr zu optimieren. Windparks könnten diese Sichtlinien blockieren und die Zeit zur Identifikation und Bekämpfung von Bedrohungen auf nur eine Minute reduzieren, so Jonson.
Die strategische Bedeutung Schwedens in Bezug auf Russland ist ebenfalls ein entscheidender Faktor. Schwedens Hauptstadt Stockholm liegt nur etwa 500 Kilometer von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt, einem potenziellen militärischen Hotspot. Vor diesem Hintergrund wurden die geplanten Windparks als ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko bewertet, da sie das Land in einem potenziellen Konflikt verletzlicher machen könnten.
Diese sicherheitspolitische Entscheidung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt, da Schweden plant, seine jährliche Stromproduktion bis 2040 auf rund 300 Terawattstunden (TWh) zu verdoppeln, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Die Nachfrage nach Strom wird voraussichtlich deshalb steigen, weil Industrie und Verkehr zunehmend auf fossile Brennstoffe verzichten und auf erneuerbare Energien umsteigen müssen.
Die schwedische Regierung hat deshalb auch auf den Ausbau der Kernenergie gesetzt. Bis 2035 soll eine zusätzliche Kapazität von 2.500 Megawatt und bis 2045 zehn neue Reaktoren hinzugefügt werden. Doch Kritiker warnen, dass die Nachfrage nach Strom schneller wachsen könnte als der Ausbau neuer Kernkraftwerke, was die Ziele der Regierung infrage stellt.
Schweden ist bereits ein Vorreiter in der Nutzung von Windenergie. Im Jahr 2023 stammten 21% der schwedischen Stromproduktion aus Windkraft, wobei der Großteil der Windkraftanlagen auf dem Festland installiert ist. Wasserkraftwerke machen rund 40% der Stromproduktion aus, während Kernenergie 29% beisteuert.
Der Verzicht auf die Windparks in der Ostsee könnte langfristige wirtschaftliche Auswirkungen auf Schwedens Bemühungen um einen Ersatz der fossilen Brennstoffe haben. Das «Poseidon»-Projekt an der Westküste ist mit einer Jahresproduktion von rund 5,5 TWh von riesigen Dimensionen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob weitere Offshore-Windprojekte in den kommenden Jahren zugelassen werden.
Ein weiteres Problem ist die politische Dimension dieser Entscheidung. Schweden hat sich zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und anderen Ländern im Bereich der erneuerbaren Energien verpflichtet. Die Ablehnung der Ostsee-Windparks könnte Spannungen mit Partnern wie der EU verursachen, die ebenfalls auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen setzt, um die Klimaziele zu erreichen.