Transition News: Schweden hat einige radikale Bargeld-Aktivisten vorzuweisen.
Björn Eriksson: Ein Schwede hat darauf bestanden, bei Behörden in bar zu zahlen. Das System konnte jedoch mit jemandem, der sich weigerte, mit irgendetwas anderem als Münzen und Scheinen zu bezahlen, nicht umgehen. Er hat sich durch alle Instanzen gekämpft. Um es kurz zu machen: Vor dem schwedischen Höchstgericht hat er schließlich gewonnen. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet der öffentliche Sektor Bargeld ableht. Nun wird es ein neues Gesetz geben – auch wegen dieses Gerichtsurteils. Das ist gerade ziemlich spannend.
Und ein weiterer ziemlich sturer Schwede bekommt seit drei Jahren keine Rente mehr, weil er sich weigert, etwas anderes als Bargeld anzunehmen. Das ist der nächste Gerichtsfall.
Allerdings haben im Jahr 2024 nur zehn Prozent der Schweden ihren letzten Einkauf mit Bargeld bezahlt. Auch die Anzahl der im Umlauf befindlichen Geldscheine und Münzen hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast halbiert. Wie ist es dazu gekommen?
Das hat vor rund zwanzig Jahren begonnen, als die Privatbanken für das Zahlungssystem verantwortlich gemacht wurden, weil es hieß, sie könnten damit besser umgehen. Stellen Sie sich vor, wie diese Banker um den Besprechungstisch sitzen und sich erstens fragen, ob sie mit Bargeld Geld verdienen. Natürlich lautet die Antwort «Nein». Und die zweite Frage, die diese Banker sich stellen: «Wenn wir ein Monopol erschaffen, würden wir dann mit Gebühren Geld verdienen?» Ich bin übrigens ein ehemaliger Banker – alle Kollegen antworteten: «Ja.»
Und von da an gab es zwei Entwicklungen, die ziemlich typisch sind. Erstens: Karten- und digitale Zahlungen haben tatsächlich Vorteile, es geht zum Beispiel schnell. Aber dazu kam der zweite Punkt: Die Entwicklung hin zu Karten- und digitalen Bezahlmethoden wurde beschleunigt, indem man das Bezahlen mit Bargeld etwas unattraktiver gemacht hat.
Das hat den Banken die Möglichkeit eröffnet, mehr Geld zu verdienen – ganz legal und im Einklang mit den marktwirtschaftlichen Gesetzen. Und so ging es immer weiter. Es gab keine Grundsatzentscheidung, eine bargeldlose Gesellschaft zu kreieren. Banken behaupten zwar, dass dies ein gesellschaftliches Ziel wäre, aber das stellt kein offizielles Ziel dar.
Wann haben Sie Kontantupproret, übersetzt «Der Bargeld-Aufstand», gegründet?
Als sich 2015 die Möglichkeit geboten hat, die Organisation Kontantupproret zu gründen, ging es mir nicht darum, digitale Zahlungen abzuschaffen. Sondern ich wollte für diejenigen, die sich damit schwertun, die Möglichkeit bewahren, Bargeld zu nutzen.
Wir sind ein loses Netzwerk, zu dem wiederum andere Organisationen gehören, wie etwa Rentnerverbände, Organisationen für den ländlichen Raum, Konsumentenvereine und so weiter. Jedes einzelne Mitglied ist auch selbst in dieser Sache sehr aktiv.
Anfangs galten wir als altmodisch, ein bisschen verrückt, als ob wir die moderne Gesellschaft nicht verstehen würden. Doch seit rund zehn Jahren sehen wir, dass die Bedenken in Schweden zunehmen. In die Richtung: Vielleicht liegen wir falsch, vielleicht brauchen wir doch sowohl Bargeld als auch digitale Bezahlmöglichkeiten.
Und so liegen wir als Organisation inzwischen voll im Trend, da die wenigsten eine bargeldlose Gesellschaft wollen. Das hat vor einem Jahr zu der politischen Mehrheitsentscheidung geführt, Bargeld und dessen Verwendung durch Gesetze zu schützen. Es hat also eine Kehrtwende stattgefunden.
Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, in bar bezahlen zu können?
Anfangs war unser Hauptargument, dass beispielsweise in bestimmten Teilen des Landes keine digitale Lösung angeboten wird. Später entwickelte sich ein gewisses Interesse an ausgeklammerten Gruppen, wie etwa älteren Menschen, Frauen, deren gewalttätige Männer anhand digitaler Zahlungsinstrumente Macht über sie ausüben, Einwanderer oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen.
Ich könnte meine eigene Mutter als Beispiel nennen. Sie starb vor ein paar Jahren im stolzen Alter von 102. Sie wollte die PIN-Codes ihrer Karten nicht an ihre verschiedenen Helfer weitergeben. Oder jemand, der im Rollstuhl sitzt und dem Verkäufer seine Bankkarte mit der Geheimnummer geben muss, weil er nicht an das Kartengerät reicht. Fänden Sie es in Ordnung, Fremden diese privaten Informationen zu offenbaren?
Kontantupproret hat alle diese Geschichten einfach gesammelt. Insgesamt sprechen wir von etwa einer Million Schweden – bei zehn Millionen Einwohnern –, die benachteiligt sind. Und es überrascht mich ein wenig, dass die großen Banken diese Probleme nicht lösen. Aber sie wollten sich an solchen Debatten nicht beteiligen. Die Banker dachten, es sei besser, wenn sie einfach den Mund halten, damit das Problem nicht so ausführlich diskutiert wird.
Ein großer Teil unserer Bevölkerung wird außen vor gelassen, weil sie aus Sicht der Banker unrentabel sind. Aber aus gesellschaftlicher Sicht sollen alle in Schweden unter einigermaßen gleichen Bedingungen leben.
Und so haben die Politiker zu realisieren begonnen, dass wir etwas ändern müssen. Sie haben sich auch mit möglichen Cyberattacken auseinandergesetzt – wir alle wissen, dass Cyberangriffe möglich sind. Und vom Standpunkt der militärischen und zivilen Sicherheit aus betrachtet, ist Bargeld unverzichtbar. Plötzlich hatte sich die politische Debatte in meinem Land verändert. Und unter der neuen schwedischen Regierung gab es den Entschluss, dass wir ein Gesetz brauchen, das unter bestimmten Umständen die Verwendung offizieller Zahlungsmittel, also Bargeld, legalisiert. Das neue Gesetz soll – so die Pläne – am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Eine ziemlich dramatische Veränderung.
Die neue Debatte in meinem Land dreht sich also darum, unter welchen Umständen wir Barzahlungen zulassen sollten. Und das ist eine andere Diskussion, als wenn wir über die bargeldlose Gesellschaft sprechen. Ich merke, dass die Banken ziemlich nervös sind, weil sie Geld verlieren werden, da Bargeldsysteme auch Kosten verursachen.
Es war auch interessant zu hören, wie der Chef der ukrainischen Zentralbank unlängst hier in Schweden erklärte, dass die Ukraine ohne Bargeld nicht überleben könne, weil sie vielfältige Zahlungsmöglichkeiten brauchen. Es gibt also eine Art Wandel auch in der öffentlichen Debatte. Hinzu kommt, dass die Europäische Union beschlossen hat, Bargeldzahlungen unter bestimmten Umständen verpflichtend zu machen. Außerdem betrachtet sie digitale Instrumente als zu gefährlich, wenn man diese nicht besser vor Betrug und kriminellen Aktivitäten schützt. Ich würde also behaupten, dass auch unter der Oberfläche etwas passiert, das manchmal unbemerkt bleibt.
Als ehemaliger Banker wundern Sie sich also über die Kollegen?
Ja. Ich war allerdings nicht nur bei Banken tätig, ich habe unter anderem den Bereich des öffentlichen Haushalts im Finanzministerium geleitet, war Vorsitzender der Weltzollorganisation (WCO) und Präsident bei Interpol. Man kann mir also kaum vorwerfen, dass ich nicht wüsste, wovon ich rede.
Ein Drittel der Geschäfte in Schweden akzeptiert kein Bargeld. Die Angst davor, bestohlen oder ausgeraubt zu werden, soll der Hauptgrund dafür sein. Wie konnte jemand wie Sie, der aus dem Sicherheitsbereich kommt, trotzdem Bargeld-Rebell werden?
Bargeldbetrug summiert sich auf etwa fünf Milliarden schwedische Kronen (450 Millionen Euro) und digitaler Betrug auf 35 Milliarden (3,2 Milliarden Euro) pro Jahr. Aber man spricht wenig vom digitalen und dafür viel öfters vom Bargeldbetrug, weil die Banken genau über Letzteren reden wollen. Es ist sehr teuer, entsprechende Sicherheitssysteme einzurichten – derzeit plädiert die Europäische Union für eine strengere Gesetzgebung für den digitalen Bereich. Die kriminelle Entwicklung im digitalen Bereich ist tatsächlich schlimmer als bei Bargeld.
Viele dieser kleinen Ladenbetreiber möchten Bargeld eigentlich behalten, aber der Service der Banken ist dermaßen schlecht und teuer, dass ihnen oft keine andere Wahl bleibt. Wenn Banken plötzlich entscheiden, bestimmte Werte nicht mehr zu akzeptieren, können sie Geldsysteme sehr leicht stören. Ganz davon zu schweigen, dass das Ziel teilweise darin besteht, das Bargeldsystem unrentabel zu machen. Es herrscht also ein schmutziger Krieg gegen das Bargeld. Aber es ist leichter zu behaupten, es würde um Kleinkriminalität gehen.
Wir führen gerade eine sehr lebhafte Debatte, da verdeckte Ermittler in Spanien herausgefunden haben, wie sich Betrüger darauf spezialisiert haben, ältere Menschen zu täuschen. Und wenn Sie mal überlegen:
Ist es schlimmer, wenn Ihnen jemand Ihre Tasche mit Ihrem Bargeld entreißt, oder wenn Sie innerhalb von drei Minuten alles verlieren, was Sie besitzen? Denn viele können digital und auch telefonisch dazu gebracht werden, ihren PIN-Code preiszugeben.
Schwedens Regierung will den Bargeld-Gesetzentwurf diesen Sommer vorlegen und dann muss das schwedische Parlament eine Entscheidung treffen. Auch Ihre Vereinigung hat eine Stellungnahme dazu eingebracht. Geht Ihnen das Vorhaben weit genug?
Einerseits finden wir es sehr gut, dass die Gesellschaft dazu bereit ist, Banken per Gesetz dazu zu zwingen, unter bestimmten Umständen Bargeld zu verwenden. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Aber dann kommen wir zu den Bedingungen, und da sind wir als Kontantupproret nicht ganz zufrieden. Der derzeitige Regierungsvorschlag reicht nicht aus. Für notwendige Güter wie Lebensmittel soll es möglich sein, bar zu bezahlen. Jetzt wird taktiert, um das Manöver so klein wie möglich zu halten. Ich würde sagen, es gibt viele Dinge, die als lebensnotwendig gelten: Ist es notwendig, tanken zu können, Schuhe zu haben, ist es notwendig, dass auch Menschen außerhalb der Gesellschaft eine Tasse Kaffee trinken können? Wo ziehen Sie die Grenze?
Und andererseits, wie sieht die Strafe aus und wie wird kontrolliert, dass diejenigen, die gezwungen werden, Bargeld anzunehmen, das auch tatsächlich tun? Wir haben dann also ein Gesetz, das besagt, dass man dazu verpflichtet ist, aber es gibt keine Strafe, keine Kontrollen oder ähnliches.
Gebühren wie Steuern und dergleichen sollen laut dem Regierungsvorschlag auch in bar beglichen werden können. Aber ist es dann in Ordnung, dass ein staatliches oder lokales Museum Cash ablehnen kann? Auch öffentliche Dienstleistungen sollte man in bar bezahlen können.
Kennen Sie vielleicht die Gesamtkosten von digitalen und Kartenzahlungen für eine Gesellschaft, wenn wir Energie, Kartengebühren, Zahlungsgebühren und so weiter berücksichtigen?
Meine Gegner wollen darüber nicht sprechen. Und sobald sie das Monopol haben – so die Wirtschaftstheorie – werden sie die Gebühren anheben. Die Banken haben vor Jahren schon einmal versucht, die Gebühr für eine digitale Bezahlmethode zu erhöhen, und die Schweden haben sehr negativ reagiert. Deshalb reden die Banker nicht darüber. Sobald sie ihr Monopol haben, wird das anders.
Aber im Rahmen der Untersuchung zur aktuellen Gesetzesvorbereitung wurden die Einnahmen berechnet, die Banken durch die teilweise Ablehnung von Bargeld erzielen. Diese belaufen sich laut schwedischer Zentralbank auf etwa drei Milliarden schwedische Kronen (270 Millionen Euro).
Machen sich Schweden eigentlich Gedanken um ihre Privatsphäre?
Der durchschnittliche Schwede benutzt kein Bargeld mehr. Aber es gibt eine Ausnahme: wenn er seinen Schnaps kauft – der Staat hat das Monopol für den Alkoholverkauf und besitzt alle Alkoholverkaufsstellen. Man möchte anscheinend nicht preisgeben, wie viel Alkohol man konsumiert.
Das heißt, tief in seinem Herzen möchte der Schwede ein gewisses Maß an Privatsphäre bewahren. Und die verliert man natürlich, da durch digitale Systeme alles nachvollziehbar ist.
In einem Zeitungskommentar mit dem Titel «Stoppt den Milliardenfluss an die Banken» setzen Sie sich gemeinsam mit zwei weiteren Autoren nicht nur für Bargeld, sondern auch für die elektronische Krone ein. Könnten Sie das bitte näher erläutern?
Früher, als die Zentralbank das Geld geschöpft hat, war sie quasi der Kreditgeber letzter Instanz. Heute, wo kein Bargeld mehr vorhanden ist, sind es die Banken, die das Geld selbst schaffen, indem sie Geld leihen und verleihen.
Viele Ökonomen halten das mittlerweile für inakzeptabel und deshalb diskutieren die nationalen Zentralbanken in der Schweiz, in meinem Land und in weiteren Ländern über elektronische Währungen – hier in Schweden eben über die E-Krone. Es geht um verschiedene Möglichkeiten, den Geldkreislauf zu beschleunigen, aber auch darum, diesen mit dem Geld der Zentralbank zu gewährleisten, anstatt die Privatbanken ihre Liquidität selbst schaffen zu lassen. Das ist etwas technisch, aber in den Vorstandsetagen ist es definitiv ein Streitthema.
Das Problem besteht derzeit darin, dass sich die schwedische Zentralbank Geld von den Privatbanken leihen muss und nicht umgekehrt.
Wenn nichts unternommen wird, geht die Macht, Geld zu schöpfen, – anstatt von den Zentralbanken – von den Privatbanken aus. Aber mit einem Nationalstaat sind bestimmte Grundfunktionen verbunden: öffentliche Ordnung, Militär und Zivilschutz, Infrastruktur und eben auch die Schaffung von Zahlungsmitteln. Das sind traditionell die wichtigsten Gründe für die Existenz von Nationen.
Wozu braucht man eine Zentralbank? Diese Frage ist eher theoretisch, aber sie bleibt im Raum stehen: Normalerweise hat sie das Recht, Zahlungsmittel zu verwalten – so fing das Ganze im 18. Jahrhundert an. Das ist heute nicht mehr der Fall. Schwedens Zentralbank kann die jetzige Situation natürlich beeinträchtigen beziehungsweise beeinflussen, indem sie mit elektronischen Kronen arbeitet. Wenn Sie eine Entscheidung treffen müssten, würden Sie sich eher auf elektronische Vermögenswerte einer schwedischen oder schweizerischen Zentralbank verlassen oder auf die einer Privatbank? Da die Zentralbank nie ihre Überlebensfähigkeit verlieren kann, besteht eine Tendenz in eine bestimmte Richtung.
Viele meiner Gegner behaupten, dass wir digitale Zahlungen ablehnen, weil wir die Moderne ablehnen würden, aber das ist Blödsinn, darum geht es nicht. Der Punkt ist, dass wir eine Ergänzung brauchen. Wenn man zum Beispiel 3000 Kronen für den Notfall zu Hause hat, aber sonst nie Bargeld benutzt, weiß man doch gar nicht, wie diese Münzen und Scheine überhaupt aussehen. Auch der Verkäufer, der das Bargeld annehmen soll, hat sie noch nie gesehen. Es ist eher unlogisch, dass das funktioniert. Folglich muss man die Verwendung von Bargeld üben. Es ist notwendig, dass die Leute daran gewöhnt sind und dass Cash parallel zu digitalen Zahlungsmethoden und Offline-Kartenzahlungen existiert. Ein Bargeldsystem kann nicht über Jahre hinweg ruhen und dann plötzlich funktionieren. Wir brauchen also eine Vielfalt an Lösungen.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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