«Der Mensch ist nicht des Menschen Wolf!» – diese klare Aussage war das Motto einer zweitägigen Konferenz am 12. und 13. Juli in Berlin. Dazu hatte das konservativ orientierte Schiller-Institut zahlreiche interessante internationale Gäste eingeladen. Ihre Beiträge und die Diskussionsrunden drehten sich um die Frage, wie ein neues Paradigma in den internationalen Beziehungen aussehen könnte.
Es war ehrlich gesagt ein interessantes, aber auch zu volles Programm an beiden Tagen, so dass ich mich dazu entschied, nur am Samstag dabei zu sein. Der hatte es bereits in sich, nicht nur, was die Zahl der Beiträge, sondern auch was deren Inhalt angeht.
Das von Helga Zepp-LaRouche gegründete Schiller-Institut wird immer wieder angegriffen und verleumdet, unter anderem als «Politsekte». Aus meiner Sicht ist es zum einen konservativ ausgerichtet, was die grundlegenden Vorstellungen über eine «gute Gesellschaft» angeht, sowie auf Technologien fixiert. Zum anderen ist es dennoch weltoffen und offen für andere Sichtweisen und Vorstellungen, was sich bei der Konferenz in Berlin zeigte.
Die Teilnehmer kamen, entweder persönlich anwesend oder per Video zugeschaltet, von mehreren Kontinenten: Darunter waren die ehemalige Außenministerin Südafrikas, Naledi Pandor, Zhang Weiwei von der chinesischen Fudan-Universität, der ehemalige hochrangige UN-Diplomat Hans-Christof von Sponeck aus Deutschland, der russische Politikwissenschaftler Dmitri Trenin, der Rechtsexperte Patrick Lumumba aus Kenia, der Politikwissenschaftler Ali Rastbeen aus Frankreich, die beiden Friedensaktivisten und ehemaligen CIA-Analytiker Elizabeth Murray und Ray McGovern, die Physiker Carl-Otto Weiss aus Deutschland und Franco Battaglia aus Italien sowie zahlreiche weitere Experten und Wissenschaftler.
von links: Zhang Weiwei, Helga Zepp-LaRouche, Ray McGovern und Moderator Stephan Ossenkopp am 12. Juli bei der Konferenz in Berlin (alle Fotos: Tilo Gräser)
Entsprechend weitgefächert waren auch deren Themen: Diese reichten von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs und einem neuen globalen Sicherheitssystem über die neue multipolare Weltordnung und die Rolle der Friedensbewegung bis zu neuen Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie sowie der Rolle der Jugend in den zukünftigen Entwicklungen. Darüber wurde in Vorträgen und Diskussionsrunden gesprochen und sich in den wenigen Pausen ausgetauscht. Auch wurden neue Kontakte für die gemeinsame Suche nach Alternativen zu den herrschenden Verhältnissen geknüpft.
Ich will im Folgenden einen kleinen, unvollständigen Überblick über die wichtigsten Aussagen am ersten Tag der Konferenz geben, soweit das in einem Beitrag hier möglich ist. Wenn Interesse daran besteht, können die Videomitschnitte auf der Webseite des Schiller-Instituts nachgesehen werden.
Globaler Wendepunkt
Die ehemalige südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor, welche die Nelson-Mandela-Stiftung leitet, betonte: Es gehe darum, «weltweit Bedingungen zu schaffen, die ein Gegengewicht zu dem derzeitigen feindseligen Umfeld bilden, das von den Mächtigsten der Welt geschaffen wurde». Die Weltgemeinschaft stehe an einem Wendepunkt, «im Hinblick auf den möglichen Ausbruch eines unkontrollierbaren globalen Konflikts, eines globalen Krieges oder sogar eines Handelskrieges, der insbesondere den Entwicklungsländern immensen Schaden zufügen würde».
Sie erklärte, dass Südafrika und viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent «fest an eine multipolare Welt glauben». Diese und der Multilateralismus würden «am besten durch eine effiziente, effektive und reformierte Organisation der Vereinten Nationen unterstützt, insbesondere durch ihren Sicherheitsrat, der seine Rolle bei der Gewährleistung von Frieden und Sicherheit wahrnehmen muss».
«Der afrikanische Kontinent unterstützt alle Initiativen für den Frieden. Frieden ist gut. Frieden ist eng mit Entwicklung verbunden.»
Pandor beschrieb auch die zahlreichen Probleme und die schlechte Ausgangssituation der afrikanischen Staaten, an deren Lösungen aber gearbeitet werde. Dazu müssen die afrikanischen Staaten vor allem ihr eigenes Potenzial entwickeln, stellte etwas später der Jurist und Panafrika-Aktivist Patrick «P.L.O.» Lumumba aus Kenia klar. Die 54 Staaten des Kontinents würden nach der im vergangenen Jahrhundert offiziell beendeten Kolonialherrschaft weiter unter dem neokolonialen Projekt des US-dominierten Westens leiden.
Es gebe einen Wettlauf um den afrikanischen Kontinent, an dem sich inzwischen auch China, Russland und die arabischen Staaten beteiligen würden. Es sei fast so, als würde sich der «Berliner Kongress» von 1884/85, bei dem Afrika aufgeteilt wurde, wiederholen. Der einzige Unterschied bestehe heute darin, «dass die Sprache beschönigend ist und Afrika sehr wohl in einer falschen Sicherheit wiegen könnte».
Es gehe darum, sicherzustellen, «dass Afrika den ihm zustehenden Platz in der Weltordnung erhält», betonte Lumumba. Er gab für die aktuelle Lage aber nicht nur den alten und neuen Kolonialmächten die Schuld, sondern sieht dafür auch die afrikanischen Staaten selbst verantwortlich:
«Wir sind nach wie vor gespalten und daher schwach. Wir sind anfällig für Manipulationen, und Afrika bleibt ein Spielfeld für alle Akteure, die ich genannt habe.»
Der Jurist aus Kenia erinnerte auch an die Versuche der afrikanischen Staaten im 20. Jahrhundert, sich mit der Bewegung der Blockfreien aus der Hegemonie der USA und jener der Sowjetunion zu lösen. Ebenso wies auf die zahlreichen afrikanischen Politiker hin, die dieses Streben durch Mordanschläge und Putschversuche mit ihrem Leben bezahlen mussten, weil sie als «Kommunisten» diffamiert wurden.
Hauptursache US-Politik
Er forderte dazu auf, klar zu definieren, von welcher Multipolarität gesprochen wird:
«Ist es die Ersetzung der Hegemonialmächte durch andere? Einer ersticht dich mit einem Grinsen, ein anderer ersticht dich mit einem Lächeln, aber er ersticht dich trotzdem.»
Auch für die mit viel Hoffnung bedachten BRICS sei die Frage zu stellen, ob und welche Macht diese dominiert. Die internationalen Institutionen seien zu überprüfen, sagte Lumumba mit dem Hinweis darauf, dass die UNO 1945 in San Francisco ohne die Teilnahme eines afrikanischen Staates gegründet wurde. Es sei an der Zeit, dass der afrikanische «Mutterkontinent aus einer Position der Stärke heraus mit der Welt in Kontakt tritt», so der engagierte Jurist.
Die Hauptursache, dass die vor 80 Jahren gegründete UNO ihrem Auftrag, Kriege zu verhindern und Frieden zu ermöglichen und zu sichern, bis heute nicht gerecht wurde, sieht Hans-Christof von Sponeck in der interessengeleiteten Dominanz und Ignoranz der USA. Er war von 1968 bis 2000 als UNO-Diplomat tätig, zuletzt als UN-Koordinator und beigeordneter UN-Generalsekretär verantwortlich für das Programm «Öl für Lebensmittel» im Irak.
Bei der Konferenz in Berlin übte er per Videoschaltung deutliche Kritik an der westlichen Politik, die verantwortlich für einen «Albtraum der Furcht, der Ungewissheit und der Konfrontation» sei. Vom Traum bei der UNO-Gründung von einer Welt ohne Krieg und der multilateralen Zusammenarbeit sei «lediglich die Charta der Vereinten Nationen mit ihrer zeitlosen Ethik und ihrer profunden Vision für alle acht Milliarden Bürger unserer Welt» geblieben.
«Die vielen internationalen Kriege und nationalen Konflikte, die es weltweit seit der Schaffung der UNO gegeben hat, bezeugen ohne Frage, dass die politische UNO als Legislative der UNO, besonders der Sicherheitsrat, eben weitgehend unfähig geblieben ist, ihr Friedensmandat zu erfüllen.»
Die gegenwärtige, so selbstzerstrittene Welt mache es selbst ihm als Optimisten schwer, an die Utopie des Friedens zu glauben, so von Sponeck. Er setzt auf eine reformierte UNO, «die den Bedürfnissen der Menschheit, den Bedürfnissen aller Menschen, wo immer sie leben, gerecht wird». Der Weg zu einer solchen Welt werde «ein langer, auch ein gefährlicher Weg sein, mit vielen Hindernissen und vielen Schlaglöchern».
Eine Mehrheit der Staaten und nichtstaatlichen Einrichtungen sei «einfach und Gott sei Dank nicht länger bereit, eine westzentrisch beherrschte Welt zu akzeptieren». Das sei für ihn ein Lichtblick, sagte er und verwies darauf, dass es für den notwendigen Umbruch bereits einen «wertvollen internationalen Handwerkskasten, der fast alles enthält», gebe. Das sei die langjährige Erfahrung auf allen Gebieten menschlichen Wissens, «sowohl in der UNO und ihren Sonderorganisationen, als auch in anderen multilateralen nationalen Einrichtungen, die sich mit dem Ausbau von Institutionen für erneuerbare, friedliche, inklusive und gerechte Entwicklung befasst haben».
Warnung aus Moskau
Dmitri Trenin, per Video bei der Konferenz zugeschaltet
Während von Sponeck von der einmaligen Gelegenheit sprach, «eine Überlebensgemeinschaft zu schaffen, mit dem hehren Ziel, dem Frieden auf der Welt näher zu kommen», zeigten die Aussagen des russischen Politikwissenschaftlers Dmitri Trenin, wie weit dieses Ziel entfernt ist. Er verwies dabei auf die aktuellen Krisen in Südasien, dem Nahen Osten und in Europa, an denen Atomwaffenmächte beteiligt sind. Aus Moskau online zugeschaltet stellte er unter anderem fest:
«Eine der auffälligsten Enthüllungen des Jahres 2025, nicht nur für mich, sondern für viele meiner Kollegen hier in Moskau, war, dass Europa an die Front des Konflikts in der Ukraine gerückt ist und sich selbst zum Hauptgegner gemacht hat. Und zum nahen Feind auf dem Schlachtfeld für Russland im Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland in der Ukraine.»
Die führenden Kräfte der Europäischen Union (EU) hätten Russland «in die Rolle des Feindes vor den Toren Europas» gedrängt, «als Hauptinstrument für die weitere Konsolidierung Europas zu einem Machtzentrum, zu einem strategischen Akteur». Trenin warnte eindrücklich vor den Folgen der Illusion, dass Russland nicht reagieren werde, zumindest nicht mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die europäischen Mächte, für das, was sie in der Ukraine tun, und für die Waffen, die sie in die Ukraine liefern, um Russland zu treffen.
«Lassen Sie mich auch sagen, dass dieser Punkt gefährlicher ist, dass die Situation, in der wir uns befinden, gefährlicher ist als fast alles, was wir während des Kalten Krieges erlebt haben.»
Es sei eine «lächerliche Vorstellung», dass Russland Europa angreifen würde, doch die EU-Politiker nutzten dies als «neue, einigende Idee»: das «Sich-den-Barbaren-im-Osten-Entgegenstellen». Der Moskauer Politologe hofft, «dass wir das Schlimmste vermeiden können», auch wenn «die Lage wirklich düster ist». Ähnlich sieht das auch der US-Friedensaktivist und ehemalige CIA-Analytiker Ray McGovern. Auch er warnte in seinem Beitrag auf der Konferenz vor den Folgen der Kriegs- und Aufrüstungspolitik des Westens gegenüber Russland.
Dennoch hofft er gemäß seinen eigenen Worten, dass US-Präsident Donald Trump tatsächlich für eine Friedenslösung für die Ukraine gemeinsam mit Russland bereit sei. McGovern sprach sich dafür aus, sich den destruktiven Kräften entgegenzustellen und die positiven Zeichen für einen möglichen Frieden zu erkennen und zu stärken. Dazu gehören für ihn die Tendenzen hin zu einer multipolaren Welt und der zunehmende Widerstand des Globalen Südens gegen die westliche Hegemonie.
«Wir müssen einfach unserem moralischen Gewissen folgen, und diejenigen, die noch ein Gewissen haben, müssen sich mit aller Kraft wehren. Wie machen wir das? Warum machen wir das? Wir machen das, weil es nur uns gibt.»
Kritik an den Zuständen, auch am israelischen Völkermord an den Palästinensern, war immer wieder auf der Konferenz des Schiller-Instituts zu hören. Diesem wird wohl auch deshalb wieder vorgeworfen werden, «antisemitisch» zu sein. Entsprechend äußerten sich unter anderem nicht nur Helga Zepp-LaRouche, sondern auch Ali Rastbeen, Präsident der Academie de Géopolitique in Paris, und die Präsidentin der LaRouche-Organisation Diane Sare aus den USA.
Klartext aus Guyana
Der französische Politologe Jacques Cheminade bezeichnete unter anderem den Anfang Juli vereinbarten britisch-französischen Vertrag zur Zusammenarbeit bei den Atomwaffen als «imperialen Pakt, um Chaos und Verwirrung zu stiften». Er warnte ebenso vor den Plänen und dem Einfluss eines Transhumanisten wie Peter Thiel, dessen Unternehmen Palantir verstärkt für Überwachung und Kontrolle zum Einsatz kommt.
Klartext sprach auf der Konferenz ebenso der ehemalige Präsident Guyanas, Donald Ramotar, als er die Quelle der aktuellen Krisen und Konflikte ansprach:
«Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union basiert auf Kriegen, Kriegsdrohungen und Sanktionen gegen Länder und nun auch gegen Organisationen und sogar gegen Einzelpersonen.»
Er erinnerte daran, dass Kuba das Land ist, das in Lateinamerika «am längsten unter Sanktionen steht, und nur weil sie einen neuen Weg, einen humaneren Weg der Entwicklung finden wollen, werden sie täglich schikaniert und sanktioniert.» Für den Ex-Präsidenten ist der westliche Stellvertreterkrieg in der Ukraine «Teil dieses sterbenden Systems, das alles kontrollieren will, und wahrscheinlich ein Überbleibsel der westlichen Haltung gegenüber der Sowjetunion».
«Aber nichts hat uns die Dekadenz des Systems, in dem wir leben, deutlicher gezeigt, als das, was heute im Nahen Osten geschieht. Die alte Ordnung zerfällt, und das zeigt sich am deutlichsten in Gaza, im Westjordanland, am Jordan und in Ostjerusalem. Vor den Augen der Welt findet ein Völkermord statt, aber die Mächte, die die Macht hätten, ihn zu stoppen, unternehmen nichts.»
Er erklärte, «dass wir unsere Bemühungen um Solidarität insbesondere mit dem palästinensischen Volk, aber auch mit dem russischen Volk, das gezwungen ist, militärische Operationen durchzuführen, um sein Volk und praktisch die ganze Welt vor einer vollständigen Übernahme durch die NATO-Staaten zu verteidigen, verdoppeln müssen». Russland habe das «gleiche Recht auf Sicherheit wie jeder andere Staat», sagte der ehemalige guyanische Präsident.
Der volle Saal des Theaters Ost» in Berlin während des ersten Konferenztages
Er sprach sich außerdem dafür aus, für die «Wiederherstellung und Verteidigung der internationalen Institutionen und vieler mutiger Menschen, die dort tätig sind, wie Franzisca Albanese», zu kämpfen. Sie und die anderen müssten für ihre großartige Arbeit und ihren Beitrag verteidigt werden, «nicht nur für ihren Job oder ihren Beitrag zu unserer eigenen Menschlichkeit».
«Sie rettet uns vor der Zerstörung dessen, was uns zu Menschen macht.»
Auch die deutschen Teilnehmer der Konferenz, wie Achim Bonatz vom Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV), Cornelia Pretorius von den Müttern gegen Krieg Berlin-Brandenburg und die beiden ehemaligen Bundeswehroffiziere Wolfgang Effenberger und Florian D. Pfaff wandten sich gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik des Westens. Bonatz zeigte, wie diese den nationalen Reichtum zugunsten der Reichen und Vermögenden umverteilt und den eigenen Gesellschaften schadet.
Besorgte Soldaten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die anderen kriegstreibenden Politiker würden nicht die Interessen Deutschlands vertreten, sagte die friedensengagierte Cornelia Pretorius:
«Diesen Kriegstreibern an der Spitze Deutschlands ist nicht mit Ratschlägen und guten Worten beizukommen. Wir, das deutsche Volk, müssen diesen Kriegstreibern, bevor es zu spät ist, in den Arm fallen.»
Der Publizist und ehemalige Bundeswehroffizier Wolfgang Effenberger erinnerte an die Schrift «Vom ewigen Frieden» des Philosophen Immanuel Kant. Diese könne die Grundlage für eine neue internationale Friedens- und Sicherheitsordnung sein, welche die aus seiner Sicht überlebte UNO ablösen müsse. Der ehemalige Bundeswehrmajor Florian D. Pfaff, Vorsitzender der kritischen Soldatenorganisation «Darmstädter Signal», berichtete, wie zuvor die US-Friedensaktivistin und Ex-CIA-Analytikerin Elizabeth Murray, vom täglichen Einsatz für Frieden und gegen die Kriegstreiber.
Einst Bundeswehr-Major, heute Friedensaktivist: Florian D. Pfaff
Mit Jacques Hogard wandte sich am ersten Tag zum Konferenzabschluss auch ein ehemaliger Oberst der französischen Fremdenlegion und der französischen Fallschirmjäger als «besorgter Soldat» an die mehr als 400 Teilnehmer im vollen «Theater Ost» in Berlin. Er berichtete, wie ihm beim Einsatz in Ruanda 1994 und im Kosovo 1999 die «ganze Realität des realen Imperialismus» klar wurde. Er habe dabei «diesen unerbittlichen Willen, seine Hegemonie über die Welt zu etablieren, in einer streng unipolaren Welt», verstehen gelernt.
Er habe «nicht lange gebraucht, um die Doppelzüngigkeit unserer britischen Verbündeten zu durchschauen», sagte Hogard.
«In Wirklichkeit spielten sie ihre Karte aus, die eigentlich die Karte der Amerikaner war, da die Briten meiner Meinung nach die besten Stellvertreter der Amerikaner sind. Sie sind innerhalb der NATO der ideale verlängerte Arm für die amerikanischen Interessen.»
Das gilt auch für heute, wie der französische Ex-Offizier deutlich machte, der sich für ein Europa aussprach, das mehr als die EU ist und zu dem auch Russland und Serbien gehören, das «ein Europa wäre, das zwischen zwei Polen im Gleichgewicht ist, dem westlichen Pol, den Frankreich bilden würde, und dem östlichen Pol, den Russland bilden würde».
«Wenn Russland und Frankreich Verbündete sind, sich nahestehen, dann geht es Europa gut. Und wenn sie gespalten sind, geht es Europa schlecht. Das sehen wir heute ganz deutlich.»
Erfrischende Offenheit
Nach dem Abschluss des ersten Tages mit einem Konzert als «Dialog der klassischen Kulturen» verschiedener Länder ging es am zweiten Tag der Konferenz unter anderem um die wissenschaftlichen Herausforderungen für ein neues Paradigma der internationalen Beziehungen. Die «Schönheit der Vielfalt der Kulturen» war ebenso Thema an dem Konferenz-Sonntag.
Wie schon erwähnt war es ein vollgepacktes, hochinteressantes und reichhaltiges Programm. Es war gut und wichtig, andere Sichtweisen kennenlernen zu können. Interessanterweise könnten eine ganze Reihe davon eher als «links» denn als traditionell «konservativ» eingeschätzt werden, was auch für die Offenheit der Organisatoren – neben dem Schiller-Institut das OKV und die Pariser Academie de Géopolitique – spricht.
Zu fragen bleibt, warum bei allem Blick auf die anderen Weltregionen und insbesondere auch China ein Land wie Indien keine Rolle spielte. Nur einer aus dem großen Land war anscheinend bei der Konferenz, der Journalist Mrutyuanjai Mishra. Er stellte sich in der Podiumsdiskussion als «der einzige Elefant im Raum» vor und wollte wissen, warum es in Europa so viel Russophobie gebe und was dagegen getan werden könne.
Er lebt seit langem in Dänemark und hat für die Zeitung Times of India aus Berlin berichtet. Wir kamen in der Pause miteinander ins Gespräch. Ich wies darauf hin, dass der eigentliche «Elefant im Raum» bei der Konferenz das ist, was die Ursache und der Nährboden für all die benannten Probleme, Krisen, Konflikte und Kriege ist, worüber in den zwei Tagen niemand redete: der Kapitalismus. Mishra stimmte mir zu und wir waren uns einig, dass erst wenn dieses System überwunden ist, eine gerechte Weltordnung möglich sein kann.