Gemäss einer Mitteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF) meistert die Schweiz die Coronapandemie gut. Der IWF begründet dies mit einer «frühzeitigen, starken und nachhaltigen Reaktion der Gesundheits- und Wirtschaftspolitik», was die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen in Grenzen gehalten habe.
In der Pressemeldung teilt der IWF (Zitierung nach SRF) weiter mit:
«Die solide Ausgangslage privater und öffentlicher Haushalte sowie die wettbewerbsfähige Exportindustrie und der Finanzsektor hätten die Folgen abgefedert. Auch ein robustes Gesundheitssystem und die gezielte Eindämmung der Krankheit hätten zur Bewältigung der Krise beigetragen.»
Was an der Mitteilung auffällt: Konkrete Gründe, welche Handlungen welche Resultate zur Folge hatten, werden nicht genannt. Es wird keine Kausalität aufgezeigt. Überspitzt formuliert handelt es sich um einen klassischen Fall eines Textes mit dehnbaren, inhaltsleeren Phrasen, ja «Business Bullshit».
Der IWF leitet sein Statement von einem statistischem Register ab, das von ökonomischen Richtwerten dominiert wird. Aus dieser eingeengten Perspektive kann die Aussage tatsächlich gestützt werden. Ein Blick in den Bundeshaushalt zeigt, dass die Staatsverschuldung 2020 «lediglich» um 6,6 Milliarden Franken auf 103,6 Milliarden Franken gestiegen ist und sich 2021 nur moderat erhöhen dürfte.
Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung.
Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, blendet der IWF sämtliche nicht-ökonomischen Faktoren aus, und zwar ebenjene, die nicht quantifiziert werden können, wie soziale Lebensqualität oder psychologisches Wohlbefinden. Es ist eine typische ökonomische Statistik: Schätzungen und Prognosen.
Quelle: IWF (Zur Vergrösserung anklicken).
Der IWF geht weiter dazu über, der Schweiz politische Ratschläge zu erteilen. Die Organisation findet, dass digitales und «grünes» Wachstum gefördert werden müsse. Dazu muss erwähnt werden, dass der IWF als globale, demokratisch kaum legitimierte Organisation in den vergangenen Jahrzehnten berüchtigt dafür war, eine marktradikale, neoliberale Agenda im Interesse des globalen Nordens und insbesondere die Wirtschaftsinteressen der USA politisch international durchzusetzen. Dies wurde unter anderem vom früheren Weltbank-Chefökonom Joseph Stiglitz kritisiert («Die Schatten der Globalisierung»).
Digitales und «grünes» Wachstum
Apropos digitales und «grünes» Wachstum: Dies ist die Kernidee des «Europäischen Aufbauplans» der Europäischen Kommission. Noch Ende 2019, kurz bevor das Corona-Problem zur Pandemie ausgerufen wurde, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Digitalisierung zu einem Pfeiler der EU-Politik. Das Programm der Europäischen Union «ist eine einmalige Gelegenheit, gestärkt aus der Pandemie hervorzugehen», man plant, 750 Milliarden Euro zu investieren.
Mit diesem Geld wird die Ausnahmesituation von der EU (als ebenfalls demokratisch zweifelhafte Organisation) dazu benutzt, das Leben aller Menschen in Europa umzugestalten. So heisst es unverhohlen: «Machen wir uns also an die Arbeit, damit Europa grüner, digitaler und krisenfester wird.» Die Labels «grün» und «digital» sind Bestandteil einer politischen Agenda von supranationalen, kaum kontrollierbaren Institutionen, zu denen beispielsweise die EU und der IWF gehören.
Die 750 Milliarden Euro kann die EU aber nicht finanzieren. Dieses Geld musste per Darlehen beschafft werden, sprich: mit der Aufnahme von Schulden. Das Wirtschaftsprogramm wird mit Schulden finanziert. Von Nachhaltigkeit kann also keine Rede sein – ausgerechnet beim «grünen» Wachstum. Die Schuldenaufnahme verstosse gegen alles, was die Kommission noch 2015 selbst ausdrücklich formuliert habe, so Prof. Dr. Michael Geistlinger an einer Pressekonferenz vom 25. Mai der österreichischen Partei FPÖ (ab 25:10):
Quelle: Youtube, OE24.TV.
«Sie [die EU-Kommission] hat vollkommen zu Recht immer vertreten, dass aus Artikel 310 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgt, dass der EU-Haushalt ausgeglichen sein muss und dass er aber nicht so ausgeglichen werden darf, dass öffentliche Schulden gemacht werden.»
Um dies dennoch zu erreichen, seien die Kommission, der EU-Rat und das Europäische Parlament «trickreich» vorgegangen, so Geistlinger. Sie hätten das Programm «auf die Kompetenz Wirtschaftspolitik und deren Führung in gemeinsamem Interesse (Artikel 120, 121 AEUV; Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und die Koordination der Wirtschaftspolitik für wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (Art 174 und 175 AEUV)» gestützt, wird Geistlinger bei OTS zitiert. Heisst: die Politik beruft sich auf unscharfe Begriffe und vermeintliche gemeinsame Interessen und hebelt so geltendes Recht aus.
Es darf also angenommen werden, wohin das öffentliche Budget der EU umverteilt wird. Insbesondere Unternehmen aus dem grünen und digitalen Sektor werden davon profitieren. Gemäss Tagesschau stehen etwa erneuerbare Energien, klimafreundlicher öffentlicher Verkehr oder Ladestationen für Elektroautos im Fokus. Im Gegensatz dazu müssen die Bürger durch das «Investitionsprogramm» damit rechnen, in einer von Experten prognostizieren polarisierten Arbeitswelt ihre Jobs zu verlieren.
Dies ist alter Wein in neuen Schläuchen. Das Streben nach Profit und die Wachstumsfinanzierung mit Schulden werden marketingtechnisch nett verpackt, damit der Anschein von guten Absichten entsteht. Es wird darüber hinweggetäuscht, dass für die erhöhte Stromproduktion, die mit zunehmender Digitalisierung (die EU forciert dies für staatliche Behörden, Justiz-, Gesundheits- und Bildungssystem) und Elektrifizierung einhergeht, Umweltressourcen stark belastet werden – ebenso beim Lithium-Abbau, der mit der Batterieproduktion zusammenhängt. Die negativen Effekte werden externalisiert (etwa nach Chile), während die eigene, nationale Ökobilanz aufpoliert wird.