Die Kommunikation der Schweizer Regierung zur umstrittenen Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) durch die Weltgesundheitsorganisation WHO ist auffällig zurückhaltend – und sorgt für Unmut. Kritiker – ein Beispiel ist der gestrige Artikel in der Weltwoche – werfen dem Bundesrat eine Strategie der Verschleierung vor: Er schweige weitgehend, überlasse die Führung der Verwaltung und vermeide eine offene Debatte über weitreichende gesundheitspolitische Weichenstellungen.
Dabei geht es um weit mehr als technische Details. Die IGV bilden den rechtlichen Rahmen für internationale Pandemiereaktionen – und sollen nun umfassend revidiert werden. Die Änderungen könnten der WHO künftig ermöglichen, globale Gesundheitsnotstände eigenmächtig auszurufen und verbindliche Maßnahmen durchzusetzen, einschließlich Überwachung und Einschränkung der Meinungsfreiheit. Zwar betont der Bundesrat, die Schweiz bleibe souverän und die Änderungen seien unproblematisch, doch der Begriff Vorschriften lässt Kritiker aufhorchen.
Tatsächlich lassen Aussagen früherer Bundesräte Zweifel an dieser behaupteten Unabhängigkeit aufkommen. Bereits während der «Corona-Zeit» bekannte die damalige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, man könne Entscheidungen nicht einfach selbst treffen, da auch die WHO eine Lage definiere. Auch Bundesrat Ignazio Cassis verwies öffentlich auf WHO-Richtlinien zur Zählung von Corona-Toten – selbst wenn diese teils fragwürdig erschienen.
Genau hier setzen die Vorwürfe an: Die Schweiz folge offenbar bereits jetzt widerspruchslos den Vorgaben einer international agierenden Organisation, die demokratisch nicht legitimiert sei. Mit der Reform drohe laut Kritikern eine weitere Machtverschiebung – weg von der nationalen Selbstbestimmung, hin zu einer zentralistischen Steuerung durch die WHO.
Das Aktionsbündnis freie Schweiz (ABF Schweiz) schlägt Alarm. In einer Petition fordern rund 45.000 Bürger, dass der Bundesrat die geplanten Änderungen an den IGV formell ablehnt. Dies sei die Voraussetzung für eine sachliche Debatte im Parlament – und notfalls für ein Referendum. Die Zeit drängt: Bis zum 19. Juli 2025 kann die Schweiz ein sogenanntes Opting-out erklären. Danach treten die Änderungen automatisch in Kraft. Dies steht in der gestrigen Medienmitteilung des ABF Schweiz.
Unterstützung erhält die Bewegung aus der Politik. Nationalrat Rémy Wyssmann (SVP/SO) hat eine Aufsichtsanzeige beim Büro der eidgenössischen Räte eingereicht. Er kritisiert, dass die vom Parlament mit großer Mehrheit angenommene Motion 22.3546, die eine Genehmigungspflicht für WHO-Abkommen verlangt, bisher unzureichend umgesetzt werde. Es sei unzulässig, dass der Bundesrat offenbar plane, über die IGV-Reform hinwegzugehen, ohne das Parlament einzubinden.
Auch Nationalrat Lukas Reimann (ebenfalls SVP) beklagt eine «Verschleppungs- und Verschleierungstaktik» der Bundesbehörden. Man informiere nur selektiv, verzögere Transparenzberichte und lege die Ergebnisse der Vernehmlassung erst kurz vor Ablauf der Opting-out-Frist vor – nach der Sommersession des Parlaments. Der Versuch, das Parlament zu umgehen, sei ein Angriff auf die Gewaltenteilung.
Der Widerstand ist nicht auf die SVP beschränkt. Auch die Mitte-Fraktion sowie Vertreter der EDU fordern, dass Volk und Parlament über so zentrale Fragen wie die nationale Gesundheitsautonomie entscheiden können müssen. Nationalrat Thomas Rechsteiner (Mitte) betont die Wichtigkeit der Souveränität in Gesundheitsfragen. Für ihn ist klar: Die Entscheidung über Eingriffe in Grundrechte gehöre nicht in die Hände einer internationalen Organisation mit beschränkter Legitimation.
Ob der Bundesrat der wachsenden Kritik nachgeben wird, bleibt offen. Bislang meidet er die öffentliche Diskussion und wiegelt ab. Doch mit der gestrigen Übergabe der Petition in Bern wächst der öffentliche Druck. Die nächste Bewährungsprobe für die Schweizer Demokratie steht bevor – und die Zeit läuft.