Seit sieben Jahren in Folge ist China der grösste Handelspartner Deutschlands. Wie Reuters mitteilt, beliefen sich die Exporte und Importe zwischen beiden Staaten im Jahre 2022 auf 299 Milliarden Euro. Das Reich der Mitte sei der grösste Kunde des Hamburger Hafens und der chinesische Reedereikonzern Cosco Anteilseigner an einem seiner Terminals. Rund ein Drittel der deutschen Unternehmen importiere kritische Materialien wie Lithium und Seltene Erden aus China.
Im Zuge der «De-Risking»-Strategie der EU und der G7-Staaten wird diese Handelsbeziehung nun aufs Spiel gesetzt. Die Strategie sieht vor, Risiken zu vermeiden und Abhängigkeiten abzubauen. Im vergangenen Juli wies die Bundesregierung deutsche Unternehmen an, darunter auch Siemens, ihre Beziehungen zu China zu lockern. Die Regierung werde sie sonst nicht vor finanziellen Schocks schützen.
L’AntiDiplomatico geht auf den Fall von Siemens ein und erachtet dies als Erpressung: Wenn das Unternehmen die Abkopplung von China nicht akzeptiere, laufe es Gefahr, den Zugang zu Krediten, Energiesubventionen sowie Konjunktur- und Rettungspaketen zu verlieren, die es jetzt oder in der Zukunft benötige. Das Portal weiter:
«Da das Grosskapital auf dem skandalös unmoralischen Modell ‹Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren› beruht, liegt es auf der Hand, dass eine solche Drohung ernst genommen wird. Der Fall Siemens ist paradigmatisch: Europäische Unternehmen sind Geiseln amerikanischer Diktate, die von mittelmässigen EU-Beamten wie Ursula von der Leyen und Josep Borrell ausgeübt werden – unerfahrenen Gauleitern, deren Loyalität gegenüber den amerikanischen Bossen wirklich tragikomisch ist.»
Laut Reuters hat Siemens versprochen, den Marktanteil seines Unternehmens in China «zu verteidigen und auszubauen», steht damit aber in direktem Konflikt mit dem US-Diktat. Siemens sei in erheblichem Masse vom chinesischen Markt abhängig, da etwa 13 Prozent des Umsatzes von dort stammen.
Die Nachrichtenagentur merkt ausserdem an, dass sich in China das grösste Forschungszentrum von Siemens ausserhalb Deutschlands befindet. Siemens baue sogar ein neues in Shenzhen und erweitere seine Werke in Sichuan und Chengdu.
Berichten zufolge sei Siemens auch auf der Suche nach einem Partner für sein Eisenbahngeschäft. Ein möglicher Investor wäre die chinesische CRRC Corporation, der nach Umsatz weltweit grösste Hersteller von Schienenfahrzeugen. Auch dies stehe gemäss l’AntiDiplomatico jedoch im Widerspruch zu der «von der EU im Auftrag der USA verfolgten Politik der Risikoreduzierung». Das Portal ergänzt:
«Die Probleme Europas sind grösstenteils auf seinen Mangel an Souveränität und strategischer Autonomie zurückzuführen. Solange diese Kernprobleme nicht angegangen und die Gauleiter und ihre Machtnetze nicht beseitigt werden, wird sich der wirtschaftliche und soziale Niedergang nur fortsetzen.»
Gemäss Reuters könnte der beste Weg für Siemens darin bestehen, sich von seinen Beteiligungen an Siemens Healthineers und Siemens Energy zu trennen und seine Lieferkette durch die Eröffnung von Fabriken in Südostasien zu diversifizieren. Dennoch habe die Deutsche Bundesbank kürzlich gewarnt:
«(...), dass die industriegetriebene Wirtschaft des Landes, die durch chinesische Importe und billiges russisches Gas angeheizt wird, nach einer kurzen Rezession Anfang 2023 weiter schrumpfen könnte. Weder das existenzielle Dilemma von Siemens noch der Bewertungsabschlag dürften in absehbarer Zeit gelöst werden.»
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