Toleranz gilt als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Tugenden, doch eine neue Studie des bekannten Schweizer Meinungsforschers Michael Hermann zeigt, dass die Realität komplexer ist, als viele denken. Die Umfrage, die im Auftrag des Vereins Geschlechtergerechter vom Institut Sotomo durchgeführt wurde, befragte über 3.500 Personen in der Schweiz zu ihren Einstellungen zu Toleranz und Meinungsfreiheit. Die Ergebnisse, über die Der Bund berichtete, werfen ein kritisches Licht auf die Diskrepanz zwischen dem, was Menschen als tolerant empfinden, und ihrem tatsächlichen Verhalten gegenüber Andersdenkenden.
Ein zentraler Befund der Studie ist, dass junge Frauen, die Toleranz als besonders wertvoll erachten, am wenigsten bereit sind, andere politische Meinungen zu akzeptieren. Obwohl sie sich stark gegen Intoleranz aussprechen, sind sie weniger geneigt, sich mit Personen außerhalb ihrer eigenen «Bubble» auseinanderzusetzen. Dies führt dazu, dass sie am häufigsten von Intoleranz berichten – oft sogar aus dem eigenen Freundes- oder Familienkreis.
Interessanterweise zeigt die Studie, dass Männer, die Toleranz als weniger wichtig betrachten, häufiger offen für den politischen Diskurs sind und andere Meinungen respektieren. Besonders junge Männer zeigen eine höhere Bereitschaft, Meinungsverschiedenheiten auszutragen und in den Dialog zu treten.
Ein weiteres auffälliges Ergebnis betrifft die Anhänger der politischen Linken, die sich zwar am häufigsten als tolerant bezeichnen, jedoch am wenigsten Kontakt zu politisch Andersdenkenden pflegen. Dies führt zu einem paradoxen Verhalten: Während die Linke Toleranz als Schutz von Minderheiten versteht, vernachlässigen sie oft die Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Dies hat zur Folge, dass politisch rechts stehende Personen und Mitglieder der Grünen am häufigsten von sogenannter «Cancel-Culture» betroffen sind, bei der ihre Ansichten und Haltungen systematisch ausgeschlossen oder kritisiert werden.
Die Studie zeigt auch, dass das Thema Toleranz im politischen Diskurs zunehmend an Bedeutung verliert. Ganze 40 Prozent der Befragten halten es nicht für wichtig, dass ein respektvoller politischer Diskurs trotz ideologischer Unterschiede möglich sein sollte. Diese Haltung widerspricht den Grundprinzipien des Schweizer Politiksystems, das auf Kompromiss, Toleranz und Föderalismus basiert.
Trotz aller Unterschiede gibt es Bereiche, in denen Einigkeit herrscht: Rassismus, Demokratiefeindlichkeit, Antisemitismus und Sexismus werden von einer großen Mehrheit der Befragten klar abgelehnt und nicht als Teil der Meinungsfreiheit betrachtet. Dennoch bleibt die Frage offen, wie eine Gesellschaft, die sich zunehmend in unterschiedliche Lager spaltet, den Dialog aufrechterhalten und echte Toleranz leben kann.
Michael Hermann betont abschließend, dass die Ergebnisse seiner Studie zur Versachlichung der Diskussion beitragen sollen. Toleranz bedeute, sich nicht nur mit ähnlichen Ansichten zu umgeben, sondern auch das Andersartige auszuhalten und den Dialog zu suchen – eine Herausforderung, der sich die Schweizer Gesellschaft stellen muss, wenn sie eine offene und inklusive Debattenkultur fördern möchte.
Kommentar von Transition News
Diese Umfrage bringt etwas auf den Punkt, was anekdotisch mühelos beobachtet werden kann, wenn man in verschiedenen Schichten der Schweizer Gesellschaft unterwegs ist.
Was in Basel die junge Grüne Anouk Feurer und der Jungliberale Benjamin von Falkenstein tun, kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden: sie sind ein Paar! Charakteristisch waren deshalb auch die völlig anderen Reaktionen, als die beiden ihre Beziehung offenlegten (wir berichteten). Während sich in von Falkensteins Umfeld die negativen Reaktionen auf den einen oder anderen faulen Spruch oder Witz beschränkten, erlebte Feurer Ablehnung und Misstrauen. Stellvertretend für alle, die Brücken bauen und die Spaltung der Gesellschaft überwinden wollen, ist den beiden viel Mut und Durchhaltevermögen zu wünschen.
Kommentare