In den Niederlanden ist die Zahl der Euthanasiefälle im vergangenen Jahr stark angestiegen, was sowohl bei medizinischen Behörden als auch bei Ethikern wachsende Besorgnis auslöst. Neuen Daten zufolge, die von den regionalen Euthanasie-Prüfungsausschüssen (RTE) des Landes veröffentlicht wurden, haben die Fälle im Jahr 2024 um zehn Prozent zugenommen. Darüber berichtet das Portal Care.
Laut offizieller Statistik sind im letzten Jahr insgesamt 9958 Menschen durch den «assistierten Suizid» gestorben, 2023 waren es nur 9068. Dies sei die höchste Zahl, die seit der Legalisierung dieser Praxis im Jahr 2002 verzeichnet wurde, was bedeute, dass Euthanasie nun 5,3 Prozent aller Todesfälle in den Niederlanden ausmache.
Die Euthanasiegesetze in den Niederlanden gehören zu den liberalsten der Welt. Nach niederländischem Recht können Ärzte das Leben eines Patienten beenden, wenn dieser «unerträglich leidet (…), ohne Aussicht auf Besserung», wozu auch psychische Erkrankungen zählen. Es ist nicht erforderlich, dass die Person dem Tod nahe ist.
Die meisten Fälle des letzten Jahres betrafen Menschen mit unheilbaren Krankheiten wie Krebs, aber auch immer mehr Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen, Demenz oder altersbedingtem Gesundheitsverfall, betont Care. Ein Vergleich: 2024 starben 219 Menschen aus psychiatrischen Gründen, im Jahr 2023 waren es nur 138 – und im Jahr 2010 gab es nur zwei solcher Fälle.
Diese Zahlen hätten die RTE dazu veranlasst, Ärzte zu warnen, dass sie «große Vorsicht» walten lassen müssten, wenn Patienten an einer psychiatrischen Erkrankung leiden. Ärzte seien verpflichtet, einen Facharzt für Psychiatrie und einen unabhängigen Arzt zu konsultieren, bevor sie Euthanasie gewähren.
«Der Arzt muss bei diesen Patienten immer psychiatrischen Sachverstand hinzuziehen. Das Ziel ist, dass der Arzt gut informiert ist und seine eigenen Überzeugungen kritisch reflektiert», so die RTE.
Im vergangenen Jahr stellten die RTE sechs Todesfälle durch Sterbehilfe fest, bei denen das Protokoll nicht eingehalten wurde. Darunter ein Fall, in dem ein Arzt ohne Rücksprache mit einem Psychiater einer Frau mit zwanghaftem Reinigungsdrang Euthanasie gewährte.
Die Zahlen würden auch Anlass zur Besorgnis geben, weil immer mehr jüngere Menschen Euthanasie beantragen, insbesondere psychisch Kranke unter 30 Jahren, informiert Care. Damiaan Denys, Professor für Psychiatrie am Amsterdamer Universitätsklinikum, habe gewarnt, dass solche Fälle dringende ethische Fragen darüber aufwerfen, ob junge Menschen, die sich noch im Prozess der psychologischen Entwicklung befinden, wirklich die rechtlichen und moralischen Standards erfüllen können, die für Euthanasie erforderlich sind.
«Wie kann man in diesem Alter mit Sicherheit feststellen, dass ein junger Mensch mit einem sich noch entwickelnden Gehirn definitiv sterben will, dass das Leben als hoffnungslos und aussichtslos erlebt wird und dass alle Behandlungen bereits durchgeführt wurden?», argumentiert Denys.
Die niederländische Gesellschaft für das Recht auf Sterbehilfe (NVVE) erklärte laut Care, dieser «leichte» Anstieg im vergangenen Jahr zeige, dass die Sterbehilfe in den Niederlanden immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz gewinne. Care weist dagegen darauf hin, dass der Anstieg der Euthanasietotesfälle auch ein Beispiel für die problematische Seite der Sterbehilfe sei.
Diese Meinung teilen viele Experten, die sich Sorgen machen über den weltweiten Trend, die Euthanasiegesetze zu lockern. Unter anderem, um die «Last» der Pflege von älteren und behinderten Bürgern zu verringern. Ärzte geben sogar an, zunehmend unter Druck gesetzt zu werden, gefährdete Patienten als «besser tot» anzusehen (wir berichteten hier und hier).