Diesen Beitrag als Podcast hören:
Das vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immer wieder angeführte «StopptCovid»-Gutachten des Robert-Koch-Instituts (RKI) galt lange als offizieller Beweis für den Erfolg der deutschen Corona-Strategie. Besonders Lauterbach beruft sich auf die Studie, die die Wirkung von Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen untermauern soll. Nun liegt jedoch seit letzter Woche eine von einer internationalen Forschergruppe durchgeführte, aber noch nicht begutachtete Analyse vor, die zu einem anderen, wenig schmeichelhaften Urteil kommt. Die Welt etwa schreibt:
Die behaupteten positiven Effekte der politischen Maßnahmen lassen sich nicht belegen. Die Studie hat Gewicht, denn das Autorenteam ist prominent besetzt, zum Beispiel mit dem griechisch-amerikanischen Epidemiologen und Standford-Professor John P. A. Ioannidis.
Im Juli 2023 hatte Gesundheitsminister Lauterbach stolz das «StopptCovid»-Gutachten präsentiert. Es wurde ihm und seiner Ministeriumspolitik eine erfolgreiche Bilanz attestiert. Die Studie des RKI, das als zentrale deutsche Gesundheitsbehörde fungiert und dem Ministerium untergeordnet ist, erklärte die «Pandemie»politik für erfolgreich. Lockdowns, Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen hätten der Virusausbreitung Einhalt geboten und «vielen Menschen das Leben gerettet». Lauterbach nutzte das Papier, um die Coronazeit als erfolgreich gemeistert darzustellen.
Allerdings blieb die Studie nicht unwidersprochen. Kritiker bemängelten schon kurz nach deren Veröffentlichung nicht nur, dass das Gutachten vom Ministerium selbst in Auftrag gegeben worden war, sondern auch, dass es von diesem mitverfasst wurde. Dies rief Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit und Objektivität der Ergebnisse hervor. Zusätzlich verweigerte das Ministerium über Monate hinweg die Herausgabe der Originaldaten, was die Glaubwürdigkeit weiter in Frage stellte. Erst auf Druck der FDP und deren Vizepräsident Wolfgang Kubicki wurden die Quellen der Berechnungen im März 2024 öffentlich zugänglich gemacht, woraufhin eine internationale Forschergruppe die Studie einer eingehenden Überprüfung unterzog.
Die Forschergruppe zerzauste die Methodik der «StopptCovid»-Studie und stieß auf erhebliche Mängel. Ihr Fazit: Das Gutachten ist wissenschaftlich nicht belastbar. Der Hauptkritikpunkt liegt in der Auswahl der verwendeten Modelle: Das RKI verwendete nur ein einziges Berechnungsmodell, das die Forscher als fehlerhaft bezeichnen. «Selbst in den einfachsten Grundlagen funktioniert es nicht», erklärt John Ioannidis. Es sei ein gravierender Fehler, einzig auf ein Modell zu setzen, ohne die Unsicherheiten zu berücksichtigen, die sich aus den Daten ergaben.
Im Rahmen ihrer Analyse wandten die unabhängigen Wissenschaftler sieben verschiedene statistische Modelle an. Das Ergebnis war eindeutig: Für keine der Maßnahmen – sei es Lockdowns, Schulschließungen oder Maskenpflicht – gab es einen nachweisbaren Effekt auf die Reduzierung der Infektionszahlen. Die Forscher bestätigen, dass einige Maßnahmen durchaus einen Einfluss gehabt haben könnten, dieser jedoch nicht signifikant genug war, um als belastbare Grundlage für eine Schlussfolgerung heranzuziehen.
Insbesondere die Behauptung des RKI, die Wirksamkeit der Maßnahmen könnten als gesichert betrachtet werden, stößt bei den Experten auf verheerende Kritik. Sie stellen fest:
«Der Ansatz des RKI ist angesichts der offenkundigen statistischen Einschränkungen nicht geeignet, um die Auswirkungen der Maßnahmen auf die öffentliche Gesundheit zuverlässig zu ermitteln»
Dabei bezieht sich ihre Kritik auf die methodische Herangehensweise und die übermäßige Sicherheit, mit der das RKI die Wirksamkeit der Maßnahmen darstellt.
Einer der schärfsten Kritiker, der australische Astrophysiker Bernhard Müller, verweist darauf, dass schon die bloße Ankündigung von Maßnahmen wie Lockdowns eine Wirkung entfaltet haben könnte, ohne dass diese jedoch die Virusverbreitung tatsächlich verlangsamt hätten. Dies führe zu einer Verzerrung der Daten und somit zu einer falschen Einschätzung der tatsächlichen Effektivität der Maßnahmen.
Die Analyse lässt darauf schließen, dass gerade bei den Schulschließungen der Effekt nahezu null war. «Schulschließungen konnten die Ausbreitung des Virus kaum bremsen», erklärt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Auch Maßnahmen wie die Maskenpflicht würden «keine Effekte» zeigen. Und eine «höhere Durchimpfungsrate unter bestimmten Bedingungen» könne «sogar zu einem Anstieg der Infektionsspitzen führen».
Es bleibt zu klären, warum die Studie des RKI nach wie vor nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht wurde. Epidemiologe Alexander Kekulé äußert sich besorgt und stellt fest, dass eine breitere wissenschaftliche Auseinandersetzung längst in Gang sei: «Die Frage, welche Gegenmaßnahmen gewirkt haben und welche mehr Schaden als Nutzen brachten, wird intensiv diskutiert. Ohne eine begutachtete Veröffentlichung ist die «StopptCovid»-Studie wenig wert und kann bestenfalls als Kaffeesatzlesen betrachtet werden», sagte Kekulé im Gespräch mit der Welt am Sonntag.
Das RKI selbst wehrt sich gegen die Kritik und betont, dass die Studie sich derzeit im Publikationsprozess befinde. Ein genauer Veröffentlichungstermin könne aber noch nicht genannt werden. Die Behörde äußerte sich jedoch nicht zu der Untersuchung durch die unabhängigen Forscher.
Fazit
Die unabhängige Überprüfung der «StopptCovid»-Studie stellt die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen in der „Corona-Zeit“ infrage. Für viele der ergriffenen Maßnahmen lassen sich keine belastbaren Belege für ihren Erfolg finden. Stattdessen zeigt sich, dass die Annahme einer erfolgreichen Pandemiebekämpfung auf einer fehlerhaften Methodik beruht.
Angesichts dieser verheerenden Ergebnisse sollte die politische Debatte um die Effektivität der Corona-Maßnahmen und die Rolle der Regierung während der Coronazeit neu entfacht werden – nicht nur in Deutschland, sondern auch zum Beispiel in der Schweiz, wo das noch gar nicht geschehen ist. Die Analyse von Ioannidis et. al. gibt den Massnahmenkritikern weitgehend Recht und bestätigt im Übrigen, was andere einschlägige Untersuchungen zutage gefördert haben. So kam kürzlich ein Ausschuss des US-Repräsentantenhauses in einem 520-seitigen Bericht zum dem Schluss, dass die Wirksamkeit von Masken, Lockdowns und 1,5-Meter-Abstandsregel nicht belegt ist (siehe TN-Bericht dazu).
Kommentare