Einer neuen Studie zufolge könnte die weit verbreitete Bleiverschmutzung im Römischen Reich einen kognitiven Rückgang in ganz Europa verursacht haben, der fast zwei Jahrhunderte andauerte. Der Intelligenzquotient (IQ) eines durchschnittlichen Bewohners der antiken Zivilisation dürfte demnach infolge der Exposition gegenüber dem giftigen Metall um 2,5 bis 3 Punkte gesunken sein. Dabei wurde lediglich das damals in der Luft vorhandene Blei berücksichtigt. Über die Arbeit, die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, berichtet RT.
Die Wissenschaftler stellten anhand von Untersuchungen von Grönland-Eisbohrkernen fest, dass die Bleibelastung im Römischen Reich nach 15 v. Chr. stark anstieg und bis zum Ende der sogenannten «Pax Romana» Periode, die 180 n. Chr. endete, hoch blieb. Der Hauptautor der Studie, Joseph McConnell, Klima- und Umweltwissenschaftler am Desert Research Institute, erklärte:
«Es ist erstaunlich, dass wir in der Lage waren, die Luftverschmutzung über Europa vor fast 2000 Jahren zu quantifizieren und die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf die antike römische Zivilisation zu bewerten.»
Die Ergebnisse seien «ziemlich tiefgreifend», denn sie würden zeigen, «dass anthropogene Emissionen aus industriellen Aktivitäten seit mehr als zwei Jahrtausenden zu weitreichenden Schäden für die menschliche Gesundheit geführt haben», ergänzte McConnell.
Das Römische Reich – das zu seiner Blütezeit den gesamten Mittelmeerraum einschließlich Nordafrika, Westeuropa und Teile des Nahen Ostens umfasste – habe große Mengen Silber und Blei abgebaut und diese Schwermetalle «für seine Münzprägung, für seine Wirtschaft» verhüttet. Dadurch hätten sich große Mengen des giftigen Metalls an Staubpartikeln in der Atmosphäre angelagert.
«Eine Bleivergiftung kann müde und reizbar machen und die Reaktionen verlangsamen», wie etwa das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf seiner Website schreibt. «Auch verminderte Intelligenz, irreparable Hirnschäden, Krämpfe und Koma sind typische Folgen einer Bleivergiftung, die mitunter sogar tödlich sein kann.»
McConnell merkt derweil weiter an:
«Eine Verringerung des IQ um 2,5 bis 3 Punkte hört sich vielleicht nicht nach viel an, aber sie betraf die gesamte Bevölkerung und hätte während der fast 180 Jahre der Pax Romana angehalten.»
Obwohl es viele Wege der Bleiexposition gab, darunter die Verwendung von glasiertem Geschirr, Farben, Kosmetika und sogar die absichtliche Einnahme von Blei, war die Luftverschmutzung durch den Bergbau und die Verhüttung von Silber- und Bleierzen gemäß den Autoren am relevantesten.
RT ergänzt, dass Wissenschaftler seit langem darüber diskutieren, ob die breite Verwendung des giftigen Metalls eine Rolle beim Untergang des Römischen Reiches spielte. McConnell schloss:
«Ich überlasse es Epidemiologen, Althistorikern und Archäologen, festzustellen, ob die von uns ermittelte atmosphärische Bleibelastung und die gesundheitlichen Auswirkungen ausgereicht haben, um die Geschichte zu verändern.»
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