Wissenschaftler haben überzeugende Beweise dafür gefunden, dass Frauen in der antiken britischen Gesellschaft eine zentrale Rolle spielten. Damit werden lang gehegte Annahmen über die Geschlechterdynamik in der Eisenzeit (etwa 800 v. Chr. bis 43 n. Chr.) in Frage gestellt. Die DNA-Analyse von 57 Skeletten aus einem Gräberfeld in der Nähe von Winterborne Kingston in Südengland hat ergeben, dass Gemeinschaften oft um dominante weibliche Familienlinien herum organisiert waren. Über die Arbeit berichtete Study Finds.
In diesen Gesellschaften herrschte den Wissenschaftlern zufolge Matrilokalität, das heißt, die Töchter blieben in ihren Heimatgemeinden, während die Männer wegzogen, um zu heiraten – das Gegenteil der historischen europäischen Sitte, bei der Bräute üblicherweise zur Familie ihrer Ehemänner zogen. Diese Praxis untermauere den bedeutenden sozialen und politischen Einfluss der Frauen in dieser Zeit und habe den Rahmen für mächtige Persönlichkeiten wie Königin Boudica und Königin Cartimandua gebildet.
Die vom Trinity College Dublin und der Universität Bournemouth durchgeführten und in Nature veröffentlichten Forschungsarbeiten rekonstruierten Stammbäume anhand alter DNA. Sie zeigen, dass die meisten Individuen in der Grabstätte, die mit dem Stamm der Durotriges in Verbindung gebracht wird, einen gemeinsamen Vorfahren mütterlicherseits hatten, der Jahrhunderte zuvor gelebt hatte. Väterliche Verbindungen waren hingegen fast nicht vorhanden.
Dieser Befund deckt sich mit der Beobachtung, wonach die Gräber von Frauen mehr wertvolle Artefakte enthielten als die von Männern, was ihren hohen Status unterstreicht. Die mütterliche Abstammung, die an der Fundstelle festgestellt wurde, ist laut den Autoren heute außerordentlich selten und wurde in früheren DNA-Studien noch nicht dokumentiert.
Weitere DNA-Analysen ergaben, dass dieses matrilineare Muster nicht nur bei den Durotrigen zu finden war, sondern sich über ganz Großbritannien erstreckte. Ähnliche mütterliche Abstammungslinien wurden in Regionen so weit nördlich wie das 400 Meilen nördlich von Winterborne Kingston liegende Yorkshire gefunden, wo sie schon lange vor 400 v. Chr. entstanden waren.
Diese Gemeinschaften pflegten gemäß den Forschern auch ausgeklügelte Heiratsbräuche, indem sie Ehen zwischen entfernten Zweigen von Großfamilien förderten, während sie enge Verwandte mieden. Dies habe die genetische Vielfalt aufrechterhalten und die matrilokale Sozialstruktur gestärkt.
Die Wissenschaftler ermittelten auch eine bedeutende Migration von Kontinentaleuropa nach Südengland während der Bronze- und der Eiszeit. Das könnte ihnen zufolge die Verbreitung der keltischen Sprachen erklären.
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