Griechenland steht derzeit im Zentrum eines der größten EU-Subventionsskandale der letzten Jahre. Im Fokus: die staatliche Agentur OPEKEPE, zuständig für die Verteilung von EU-Agrarhilfen. Über Jahre hinweg sollen dort systematisch Fördergelder in Millionenhöhe erschlichen worden sein – mithilfe sogenannter «fiktiver Weideflächen», also landwirtschaftlicher Nutzungen, die in Wahrheit gar nicht existierten.
Sowohl die griechische Justiz als auch die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) unter Leitung von Laura Kövesi haben umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Im Raum stehen Vorwürfe des Betrugs, der Bildung einer kriminellen Organisation und der Geldwäsche. Über 3000 Seiten umfasst das bisherige Ermittlungsdossier, in dem über 40 Personen benannt werden – darunter auch ehemalige Minister und leitende Beamte.
Premierminister Kyriakos Mitsotakis hatte bereits im Mai die Umstrukturierung der zuständigen Behörde angekündigt: OPEKEPE soll künftig unter das Dach der unabhängigen Steuerbehörde AADE gestellt werden. Gleichzeitig räumte der Regierungschef öffentlich «Versäumnisse» ein – ein Schritt, den die Opposition als unzureichend kritisiert.
Die sozialdemokratische PASOK fordert vorgezogene Neuwahlen sowie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Auch wird offen über mögliche politische Verstrickungen spekuliert. In den griechischen Medien kursieren Fotos des Premierministers mit mutmaßlich in den Skandal verwickelten Personen sowie Hinweise auf abgehörte Telefongespräche, in denen sein Name gefallen sein soll.
Im Zentrum der juristischen Aufarbeitung steht die Europäische Staatsanwältin Laura Kövesi. Die Rumänin, bekannt für ihr kompromissloses Vorgehen gegen Korruption, hatte bereits in ihrer Heimat zahlreiche hochrangige Politiker vor Gericht gebracht. Im OPEKEPE-Fall konzentriert sich ihre Arbeit auf ein Netzwerk aus Beamten, Politikern und Unternehmen, das mutmaßlich über Jahre hinweg EU-Gelder in Millionenhöhe veruntreut hat.
«Es geht nicht nur um Betrug», erklärte Kövesi in einem Interview. «Es geht um das Vertrauen in unsere Institutionen – und darum, dass niemand über dem Gesetz steht.»
Dass sich unter den Verdächtigen auch Personen befinden, die die unrechtmäßig erhaltenen Gelder bereits freiwillig zurückgezahlt haben, ändert laut Justiz nichts an der strafrechtlichen Bewertung: Der Tatbestand bleibe bestehen.
Der Schaden für Griechenlands Staatskasse und seine Landwirte ist erheblich. Während tatsächliche Beträge noch ermittelt werden, steht fest: Griechenland muss als Folge der Misswirtschaft eine Rückzahlung von 415 Millionen Euro an die EU leisten. Offen ist, ob diese Summe aus dem Staatshaushalt oder aus den künftigen EU-Zuschüssen für die Landwirtschaft gedeckt werden soll.
Die Empörung in der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist groß. Bereits seit Jahren, so sagen Verbandsvertreter, habe man auf Unregelmäßigkeiten im OPEKEPE hingewiesen – ohne Gehör zu finden. Einzelne Personen hätten jährlich über eine Million Euro an Subventionen erhalten; eine sogar 19,6 Millionen.
Kövesi lässt sich durch politische Widerstände nicht beirren. Auch ihre Ermittlungen in anderen Mitgliedsstaaten der EU – etwa im Zusammenhang mit Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds – zeigen, dass sie den Anspruch verfolgt, Korruption EU-weit zu bekämpfen. Die Europäische Kommission selbst sieht sich unterdessen mit wachsendem Druck konfrontiert, die Ressourcen der EPPO nicht weiter zu kürzen, wie es zuletzt geschehen war.
In Griechenland könnte der Fall OPEKEPE jedoch noch weitreichendere Folgen haben: Nicht wenige politische Beobachter halten es für möglich, dass die Entwicklungen zu einem vorgezogenen Urnengang führen – und zu einer Neubewertung des politischen Umgangs mit EU-Fördermitteln im Land.