Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übernommen.
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Eine Vorbemerkung ist angebracht: Als am 15. März 2011 die Aufstand in Syrien im Gefolge des selbsternannten arabischen Frühlings begann, (wer hat schließlich vorher oder nachher nur säkulare und anti-israelische Staaten zerstört, siehe Libyen und Syrien?), war die so genannte Syrian Observatory for Human Rights, also die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), mit Sitz in Großbritannien die unbestrittene Quelle für die Ereignisse in dem arabischen Land. Dabei wurde der Regierung von Bashar al-Assad aller möglichen Verbrechen und ruchlosen Handlungen gegen wehrlose Zivilisten beschuldigt.
Heute ist al-Assad in Syrien nicht mehr an der Macht. Er befindet sich seit dem 9. Dezember 2024 im russischen Exil, und es gibt nicht einmal Nachrichten über ihn oder seine Familie. Dennoch wurde der jüngste SOHR-Bericht von den westlichen Medien völlig ignoriert, obwohl er Gräueltaten seiner Freunde im Westen aufzeigt.
Laut dem Bericht der Beobachtungsstelle vom 8. Juni wurden in Syrien seit dem Sturz Assads und der Einrichtung einer neuen Übergangsbehörde mindestens 7670 Menschen, zumeist Zivilisten, getötet. Dies geschah etwa durch mehr als 2130 «außergerichtliche Hinrichtungen» und «identitätsbasierte Tötungen». Der Bericht dokumentiert «die Tötung von 7670 Menschen in ganz Syrien zwischen dem 8. Dezember 2024 und dem 6. Juni 2025» und fügt hinzu, dass sich unter den Opfern «5784 Zivilisten, darunter 306 Kinder und 422 Frauen», befinden würden.
Die SOHR erinnert daran, dass «diese grausame Zahl das Ergebnis anhaltender Gewalt und Verstöße durch lokale und externe Parteien sowie eines weit verbreiteten Sicherheitschaos» sei. Dies zeige «die Fragilität der Sicherheitslage und die wachsende Gefahr für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft» auf. Die mehr als 2130 Hinrichtungen seien unter anderem «auf brutale Art und Weise begangen worden», heißt es weiter.
Im März dieses Jahres verübten syrische Regierungstruppen an der syrischen Küste eine Reihe von brutalen Massakern an alawitischen Zivilisten. Damaskus erklärte, es werde eine Untersuchung einleiten. Deren Ergebnisse seien aber noch nicht bekannt. Die SOHR schätzt, dass allein bei den Massakern gegen Alawiten im März «1726 Hinrichtungen» zu verzeichnen waren.
Inoffiziellen Schätzungen zufolge könnte die Zahl [der Hinrichtungen] weitaus höher sein, vielleicht sind es sogar mehrere Tausend. Die Tötungen wurden als Reaktion auf einen bewaffneten Aufstand gegen die Sicherheitskräfte verübt, der von Teilen der Streitkräfte der ehemaligen Regierung ausgelöst worden war.
Die Beobachtungsstelle wies ferner darauf hin, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung 1886 nicht-zivile Kämpfer getötet worden seien, darunter 496 Mitglieder des syrischen Verteidigungs- und Innenministeriums. Zu den Opfern gehören auch 627 Angehörige verschiedener bewaffneter Gruppierungen, von denen viele mit den neuen Behörden in Damaskus verbunden sind. Nach Angaben der SOHR wurden auch mehr als 250 Mitglieder der von den USA unterstützten kurdischen Miliz, der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), getötet. Schließlich wies die SOHR darauf hin, dass 75 Prozent aller Opfer Zivilisten waren.
Die neue syrische Armee wird von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) dominiert, einem ehemaligen Ableger von Al-Qaida, der für seine Kriegsverbrechen und seine gewalttätige, sektiererische Ideologie bekannt ist. Mehrere andere extremistische Gruppierungen, darunter Jaish al-Islam, wurden in die Damaszener Streitkräfte integriert.
Alawiten werden weiterhin von der syrischen Armee und den ihr unterstellten Gruppen angegriffen. In den vergangenen fünf Tagen wurden bei einer neuen Welle der Gewalt gegen die Minderheit mindestens 18 Alawiten getötet. Gleichzeitig ist das Land mit einer umfangreichen israelischen Besatzung und regelmäßigen Bombenangriffen konfrontiert.
Der neue SOHR-Bericht kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Syrien aus seiner jahrelangen Isolation herausfindet. Die USA, das Vereinigte Königreich und die EU haben Schritte unternommen, um die seit 14 Jahren gegen das Land verhängten Sanktionen aufzuheben, auch im Gegenzug für eine andere Haltung gegenüber Israel.
Die EU wird Syrien rund 200 Millionen Dollar (175 Millionen Euro) zur Verfügung stellen, um den Wiederaufbau, den Gesundheitssektor, die Landwirtschaft und die Wirtschaft des Landes zu fördern, wie die EU-Kommissarin für den Mittelmeerraum, Dubravka Suica, bei ihrem Besuch in Damaskus am 4. Juni ankündigte.
Der syrische Präsident Ahmed al-Sharaa, ehemaliger Anführer von al-Qaida und ISIS, bekannt unter seinem Künstlernamen Abu Mohammad al-Julani, traf sich mit führenden Politikern aus aller Welt, darunter mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem US-Präsidenten Donald Trump.
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