Hunderte von Zivilisten haben aufgrund der sektiererischen Gewalt in den syrischen Provinzen Latakia und Tartus auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim in der Nähe der Küstenstadt Jableh Zuflucht gesucht. Satellitenbilder und Videos bestätigen ihre Anwesenheit auf dem Gelände des Luftwaffenstützpunkts und des internationalen Flughafens von Latakia, wo sie von russischem Militärpersonal mit Lebensmitteln und Unterkünften versorgt wurden, wie die New York Times berichtet. Videos vom Wochenende würden eine große Menschenmenge zeigen, die vor dem Stützpunkt Plakate schwenkt und «wir wollen internationalen Schutz» skandiert.
Die Gewalt brach nach der Absetzung des langjährigen Präsidenten Bashar al-Assad aus. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen Assad-Anhängern und Kräften, die der neuen Regierung unter der Führung des ehemaligen Anführers des Al-Qaida-Ablegers al-Nusra, Ahmed al-Sharaa, treu sind.
Besonders schwerwiegend war der Konflikt Berichten zufolge in den mehrheitlich von Alawiten bewohnten Gebieten, einer religiösen Gemeinschaft, die unter Assad, ebenfalls ein Alawit, lange Zeit die herrschende Klasse Syriens dominiert hatte. Laut dem orthodoxen Patriarchen von Antiochia, Johannes X., sind aber auch Christen von der Gewalt betroffen. Die deutsche Partei AfD hat heute dazu aufgerufen, Christen und Alawiten in Syrien zu unterstützen.
Die Vereinten Nationen haben erklärt, dass es sich bei vielen der Morde offenbar um sektiererische Hinrichtungen handelt, bei denen ganze Familien zu den Opfern zählen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schätzt die Zahl der Todesopfer auf über 1400, darunter etwa 1000 Zivilisten, wobei eine unabhängige Überprüfung schwierig bleibt. Die Vereinten Nationen haben bisher 111 zivile Todesopfer bestätigt, gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt.
Als Reaktion auf die Krise hat der Interimspräsident al-Sharaa eine Untersuchungskommission angekündigt, die die Gewalt untersuchen und die Täter zur Rechenschaft ziehen soll. Während die Regierung Assad-Loyalisten für das Blutvergießen verantwortlich macht, wurde laut der NYT bereits eine Reihe von regierungstreuen Kämpfern verhaftet, nachdem in den sozialen Medien Videos von Gewalttaten veröffentlicht wurden. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat sich für ein Ende der Gewalt ausgesprochen und die neue syrische Führung aufgefordert, gründliche und unparteiische Untersuchungen durchzuführen.
Die Instabilität hat erneut Tausende zur Flucht gezwungen. Nach dem Sturz von Assad im Dezember waren viele syrische Flüchtlinge aus Nachbarländern wie der Türkei, Jordanien und dem Libanon zurückgekehrt und hofften auf eine neue Ära des Friedens. Da die konfessionellen Spannungen jedoch wieder hochkochen, sind gemäß der NYT in letzter Zeit mehr als 6000 Menschen in den Nordlibanon geflohen, weil sie neue Konflikte und Verfolgung befürchten.
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