Es ist kein gewöhnliches Thesenpapier, das die beiden Schweizer Finanzexperten Konrad Hummler und Ivan Adamovich vorgelegt haben. Ihr 70-seitiges Werk mit dem Titel Vom Umgang mit Amerika, herausgegeben von der Zürcher Progress Foundation, versteht sich als Analyse, Warnung und Anleitung zugleich. Statt den weit verbreiteten moralischen Abgesang auf Donald Trump mitzusingen, zeichnen die Autoren das Bild eines Präsidenten, der in klarer Absicht handelt – weil er die dramatische Schuldenlage der USA erkannt hat und daraus einen radikalen Kurswechsel ableitet.
Die beiden ehemaligen Teilhaber der traditionsreichen Bank Wegelin & Cie. in St. Gallen – Adamovich ist heute CEO der Private Client Bank in Zürich, Hummler deren Präsident – kritisieren die in Europa verbreitete Vorstellung, Trump sei entweder ungebildet oder bösartig. Vielmehr sei sein Verhalten die Folge einer ökonomischen Erkenntnis: Die USA können ihre globale Führungsrolle finanziell nicht mehr tragen. Die alten Allianzen, insbesondere die NATO, belasteten das Land überproportional – Leistungen, die nicht ausreichend kompensiert werden. Das Resultat sei ein bewusster Bruch mit Freunden und ein demonstratives Anlehnen an Gegner.
Fünf Pfeiler der neuen Strategie
Laut Hummler und Adamovich lässt sich die gegenwärtige geopolitische Umwälzung auf fünf zentrale Maßnahmen zurückführen:
- Zölle als wirtschaftspolitisches Werkzeug, um Handelsungleichgewichte zu korrigieren.
- Gezielte Schwächung des US-Dollars, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
- Umschuldung der Staatsanleihen, mit längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinsen.
- Reduktion der Staatsverwaltung, um Ausgaben zu senken.
- Ende der Pax Americana, also der militärisch abgesicherten Weltordnung mit den USA als Schutzmacht.
Diese Maßnahmen, so die Autoren, seien kein Chaosprodukt, sondern Teil eines durchdachten Masterplans – maßgeblich entwickelt unter Anleitung von Paul Dans bei der konservativen Heritage Foundation. Der Wandel der USA vom «Sugar Daddy» der westlichen Welt zur pragmatischen «Dealmaker»-Nation sei erklärtes Ziel.
Hummler und Adamovich skizzieren drei mögliche Wege, wie sich die Weltordnung in den nächsten zehn Jahren entwickeln könnte:
- Szenario 1: Die neue Ordnung
Gelinge Trumps Strategie, könnten neue, pragmatische Allianzen entstehen, getragen von wirtschaftlicher Realität statt ideologischer Loyalität. Die USA würden als wirtschaftlich gestraffte Großmacht aus der Krise hervorgehen. - Szenario 2: Multilateralismus 2.0
Sollte Trump scheitern, könnten die Staaten der Welt zu einem neuen, kooperativen Miteinander finden – allerdings nur, wenn technologische Offenheit und Marktzugang global gefördert werden. Auch China müsste sich dann einer grundlegenden Reform à la Perestroika unterziehen. - Szenario 3: Die große Unordnung
Das düsterste Szenario beschreibt den totalen Systemkollaps: Protektionismus, verbotene Kryptowährungen, chaotische Finanzmärkte, überforderte Kleinstaaten – und im schlimmsten Fall Kriege oder gar ein Bürgerkrieg in den USA.
Im Kern argumentieren Hummler und Adamovich, dass Trumps Innen- wie Außenpolitik eine bittere Medizin sei, die den tief verschuldeten und wirtschaftlich ausgezehrten USA helfen soll, wieder auf die Beine zu kommen. Die immensen Militärausgaben – laut den Autoren real bei über 1000 Milliarden Dollar jährlich – seien ebenso untragbar wie die wachsenden Sozialkosten bei gleichzeitig sinkenden Industrieeinnahmen.
Die Autoren sehen in Trump keinen Hasardeur, sondern einen Rationalisten, der mit wenigen verbleibenden Mitteln agiert. Sein Ziel: Den hegemonialen Staat des 20. Jahrhunderts in eine überlebensfähige Großmacht des 21. Jahrhunderts umzubauen – auch um den Preis globaler Verwerfungen.
Die Streitschrift fordert europäische Politiker auf, sich von moralischen Kategorien zu lösen und die neue US-Strategie nüchtern zu analysieren. Nur wer die wirtschaftliche Notlage und daraus resultierende Handlungslogik Trumps verstehe, könne mit den USA auf Augenhöhe verhandeln. Der globale Wandel verlange Anpassungsfähigkeit – von Staaten wie von Individuen.
Wer nur auf die Rückkehr «guter alter Zeiten» hoffe, sei schlecht gerüstet. Denn wahrscheinlicher als eine Restauration sei eine Periode wirtschaftlichen und politischen Chaos. Das Fundament der Nachkriegsordnung mit Freihandel und strategischen Partnerschaften – sei ausgehöhlt. Der Aufstieg Chinas sei eine direkte Folge davon.
Trump, so Hummler und Adamovich, sei kein verrückter Egomane, sondern Ausdruck einer historischen Zäsur. Wer ihn verstehen wolle, müsse die ökonomische Realität Amerikas begreifen – und die geopolitischen Konsequenzen dieses Umbruchs ernst nehmen.
In der Analyse der Schweizer Bankiers steckt ein Appell: Es braucht Klarblick, strategisches Denken – und den Mut, neue Wege zu gehen.