Mit einem unscheinbaren Dekret legte Donald Trump am 20. März den Grundstein für ein gewaltiges Datenprojekt. Ziel sei es, so das Weiße Haus, «Informationssilos» zwischen Bundesbehörden zu beseitigen, Bürokratie abzubauen und Unregelmäßigkeiten besser zu erkennen. Hinter dieser nüchternen Verwaltungsreform verbirgt sich jedoch ein Vorhaben, das Datenschützer und Tech-Experten gleichermaßen alarmiert: die Bündelung riesiger Mengen personenbezogener Daten unter maßgeblicher Beteiligung der umstrittenen Firma Palantir. Das meldete diese Woche zum Beispiel blue News.
Palantir, 2003 mitgegründet vom libertären Investor Peter Thiel, ist spezialisiert auf die Verarbeitung, Verknüpfung und Analyse großer Datenmengen. Die Software des Unternehmens wird bereits von Behörden wie dem Heimatschutzministerium und der Gesundheitsbehörde eingesetzt. Jüngst schloss Palantir einen 30-Millionen-Dollar-Deal mit der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE – zur Verfolgung von Migranten.
Doch die Pläne gehen weit darüber hinaus. Laut der New York Times führt das Unternehmen Gespräche mit der Sozialversicherung, dem Finanzamt und weiteren Ministerien. Sollte es gelingen, deren Daten zusammenzuführen, entstünde laut dem US-Sender MSNBC «eine beispiellose Spionage-Maschine».
Für die Investigativjournalistin Carole Cadwalladr, bekannt durch ihre Enthüllungen im Cambridge-Analytica-Skandal, ist der Kurs der Trump-Regierung eindeutig:
«Sie bauen in Echtzeit einen techno-autoritären Überwachungsstaat auf.»
Sie warnt, dass die USA dabei sind, ein System zu schaffen, das persönliche Daten unkontrolliert verarbeitet und missbrauchen könnte – ohne jegliche gesetzliche Kontrolle. Denn: Ein umfassendes Datenschutzgesetz existiert in den Vereinigten Staaten bis heute nicht.
Auch intern regt sich Widerstand. 13 ehemalige Palantir-Mitarbeiter veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie das Unternehmen auffordern, die enge Kooperation mit der Trump-Administration zu überdenken.
«Die Software an sich ist nicht das Problem – es ist der Kontext, in dem sie genutzt wird», erklärt Ex-Angestellte Linda Xia.
Der Missbrauch der gesammelten Informationen sei nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Palantir hingegen profitiert kräftig von Trumps Politik. Seit dessen Wahlsieg ist der Aktienkurs des Unternehmens um 140 Prozent gestiegen, berichtet die New York Times. Mindestens 130 Millionen US-Dollar flossen bisher aus öffentlichen Aufträgen an das Unternehmen. CEO Alex Karp betont in Interviews, Palantir stelle sich in den Dienst des Westens und wolle ...
... «stören – und, wenn nötig, auch töten».
Dass ausgerechnet Peter Thiel als Geldgeber und Vordenker hinter diesem Unternehmen steht, lässt Kritiker aufhorchen. Thiel gilt als langjähriger Unterstützer Trumps und radikaler Technologiebefürworter. Über ihn gibt es enge Verbindungen zur sogenannten Effizienzabteilung DOGE, die Elon Musk zuletzt leitete. Musk selbst wird von Cadwalladr als «Speerspitze» eines technokratischen Umbaus des Staatsapparats bezeichnet.
Besorgniserregend sei vor allem, dass der Aufbau dieser Datenarchitektur weitgehend außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit verlaufe. Medien wie Mother Jones oder 404 Media werfen Palantir vor, aktiv an der Infrastruktur für Massenabschiebungen mitzuwirken. Ein geleakter Vertrag belege, dass das Unternehmen ICE nicht nur technisch unterstütze, sondern strategisch mitgestalte.
Für Cadwalladr ist das ein alarmierendes Signal:
«Was Palantir aufbaut, ist kein gewöhnliches Software-System – es ist ein Kontrollapparat. Andere autoritäre Staaten machen genau das. Doch in den USA fehlt sogar die gesetzliche Grundlage, die so etwas einschränken könnte.»
Hinzu kommt ein geplanter Gesetzesvorschlag der Trump-Regierung, der vorsieht, dass KI-Anwendungen in den nächsten zehn Jahren nicht reguliert werden dürfen. Für Cadwalladr ist das der Beweis:
«Das ist der technokratische Traum. Genau das wollen diese Tech-Brüder.»
Was offiziell als Effizienzprogramm verkauft wird, könnte in Wahrheit den Weg in einen digitalen Überwachungsstaat ebnen. Die Verbindung von politischen Ambitionen, unregulierter Technologie und einem privatwirtschaftlichen Akteur wie Palantir lässt Kritiker befürchten, dass hier nicht nur Daten gebündelt, sondern Grundrechte gefährdet werden.
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