Mehr als 200 Organisationen haben sich entschieden gegen einen Vorschlag zur Deregulierung neuer GVO in Europa ausgesprochen. Wie L’Indipendente berichtet, debattieren die EU-Länder derzeit über einen weitreichenden neuen Gesetzesentwurf zu genetisch veränderten Organismen (GVO) und Wildpflanzen, die durch neue Geneditierungstechniken (NGT) erzeugt werden. Man sprich hier von «neuen GVO». Wie die alten sollen demnach auch die neuen Techniken durch Patente geschützt werden. Die italienische Zeitung erläutert:
«Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, wird das Gesetz die Kontrolle einer Handvoll Unternehmen über die Landwirte verstärken und die Verbreitung von genetischem Material für Züchter und Baumschuler einschränken und kontrollieren.
Wie die Organisationen, die die gemeinsame Erklärung unterzeichnet haben, anprangern, sieht der Gesetzentwurf auch die Nichtrückverfolgbarkeit bei Lebensmitteln vor. In dem Dokument wird erläutert, dass eine solche Deregulierung der ‹neuen GVO› erhebliche sozio-ökologische Auswirkungen haben würde.»
Die Diskussion über neue Gentechnik-Verfahren in der EU stockt laut L’Indipendente seit Monaten. Ein Vorschlag von 2021, bestimmte Pflanzen von der GVO-Verordnung auszunehmen, sei 2023 vom EU-Parlament weitergeleitet worden, doch die Agrarminister seien uneinig. Nun habe Polen als EU-Ratspräsidentschaft einen Vorschlag eingebracht, der eine eigene Kategorie für diese Pflanzen schaffen und das Verfahren vereinfachen soll.
Über 200 Organisationen, darunter Lebensmittelunternehmen und zivilgesellschaftliche Gruppen, warnen nun vor einer überhasteten Einigung, was «neue GVO» angeht, im EU-Rat. Sie befürchten gesundheitliche Risiken und verweisen auf ungeklärte Fragen hinsichtlich Patenten, Nachweisverfahren, Saatgutpreisen, Vielfalt und wachsender Kontrolle über die Lebensmittelkette durch Unternehmen.
Den Organisationen zufolge wird eine solche Deregulierung zu Problemen für die Landwirte führen. Dazu würden Biopiraterie und die Privatisierung von Saatgut sowie das erhöhte Risiko von Klagen gegen Landwirte durch die Patentindustrie gehören. Dies werde zu einer Industrie führen, die unter der ständigen Unsicherheit von Patentverletzungsklagen, unter einem Mehr an Verwaltungsaufwand aufgrund von Rechtsunsicherheit, unter erhöhten Produktionskosten und unter dem Risiko, ihr Geschäft zu verlieren, arbeite.
Der Vorschlag stelle auch eine Bedrohung für die bestehenden Rechte der Landwirte dar, ihr Saatgut zu lagern, zu verwenden, wiederzuverwenden und auszutauschen. Die Verringerung der Saatgutvielfalt führe zudem zu Problemen mit der Artenvielfalt. Die Organisationen fordern deshalb ...
«... die europäischen Länder auf, ihre Landwirte und Züchter sowie die Bürger und die Natur zu schützen. Alle neuen GVO müssen durch eine Risikobewertung und Überwachung, Identifizierungs- und Nachweismethoden sowie Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung entlang der Lebensmittelkette abgedeckt bleiben. Die Länder müssen die Möglichkeit haben, den Anbau in ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten oder einzuschränken. Wir fordern die europäischen Länder auf, die Deregulierung neuer GVO-Pflanzen zu stoppen.»