Wie eine Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) belegt, bezeichnen sich in der Schweiz über 75 Prozent der befragten Medienschaffenden als «ganz links» oder «eher links». Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung gibt lediglich ein Drittel der Menschen an, sich politisch links einzuordnen. Das bedeutet: Journalisten leben politisch in einer anderen Welt als der Großteil der Bevölkerung.
Diese Diskrepanz wird noch deutlicher, wenn man die Geschlechterverhältnisse betrachtet. Bei den weiblichen Journalisten zeigt sich ein noch extremeres Bild: 87 Prozent von ihnen bezeichnen sich als links oder sehr links. Ein solch hoher Anteil an politisch linken Medienvertretern lässt aufhorchen – vor allem, wenn man bedenkt, dass diese selbst ihre Arbeit häufig unter den Anspruch der Neutralität und Ausgewogenheit stellen.
Auch in Deutschland wird dieses Phänomen bestätigt. Laut einer Studie der Technischen Universität Dortmund bekennen sich über 41 Prozent der Journalisten zur Grünen Partei, einer Partei, die in der breiten Wählerschaft nicht mehr die Unterstützung genießt, die sie einst hatte. Weitere 16 Prozent bevorzugen die Sozialdemokraten (SPD), 6 Prozent die Linkspartei, und 1 Prozent folgt der Wagenknecht-Bewegung.
Im Vergleich dazu stehen nur acht Prozent der Journalisten der CDU nahe, und lediglich drei Prozent sympathisieren mit der FDP. Die AfD, die in der breiten Bevölkerung ein starkes Wachstum erfährt, kommt in dieser Umfrage überhaupt nicht vor. Das Bild, das sich hier abzeichnet, ist eines von weit verbreiteter politischer Einseitigkeit in den Redaktionen – und einer erschreckend geringen Repräsentation konservativer oder rechter politischer Strömungen.
Trotz dieses offensichtlichen Linksdralls in den Redaktionen - siehe den untenstehenden Kommentar in Bezug auf diese Kategorien - sind sich viele Journalisten ihrer politischen Ausrichtung nicht bewusst – oder vielmehr sind sie der festen Überzeugung, dass diese ihre Arbeit nicht beeinflusst. In einer Umfrage von 20 Minuten etwa betonten Journalisten vehement, dass ihre politische Orientierung keinerlei Einfluss auf die objektive und ausgewogene Berichterstattung habe. Diese Haltung stellt wohl eine der größten Lebenslügen der Branche dar. Denn wie kann es sein, dass die überwältigende Mehrheit der Journalisten politisch links steht, ohne dass dies die Berichterstattung beeinflusst?
Ein Beispiel aus der Praxis sind die oft scharfen und emotional geführten Berichterstattungen über prononciert rechte Politiker wie Donald Trump, Alice Weidel, Giorgia Meloni, Viktor Orban oder Herbert Kickl. Häufig wird diese Art der Berichterstattung von einer kritischen Öffentlichkeit als «Bashing» wahrgenommen, was das Bild einer ausgeglichenen und neutralen Medienlandschaft erheblich infrage stellt. Dennoch bleibt die Branche in ihrer Überzeugung verhaftet, dass sie unabhängig und unparteiisch sei, wie zum Beispiel Philipp Gut in der Weltwoche schreibt.
Ein weiterer Aspekt, den Studienautor Vinzenz Wyss im Interview mit den Tamedia-Zeitungen nennt, sind die wirtschaftlichen Bedingungen im Journalismus. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Einkommen vieler Medienschaffender unter dem Medianlohn von 6.788 Franken pro Monat liegt. Dieser finanzielle Druck könnte mit ein Grund dafür sein, dass viele Frauen den Journalismus als Beruf aufgeben, insbesondere wenn sie Familie haben. Das sinkende Ansehen des Berufs und die damit verbundenen Herausforderungen könnten ebenfalls dazu führen, dass weniger Menschen mit einem bürgerlichen, eher konservativen Hintergrund den Beruf ergreifen.
Eine weitere, von der ZHAW-Studie aufgezeigte Problematik ist der Mangel an Diversität innerhalb der Redaktionen. Journalisten sind überdurchschnittlich häufig Akademiker aus städtischen Gebieten mit atheistischen Überzeugungen, während Personen mit Migrationshintergrund, vom Land oder mit konservativen politischen Einstellungen sowie religiöse Menschen stark unterrepräsentiert sind. Diese homogene Zusammensetzung führt dazu, dass wichtige Perspektiven und gesellschaftliche Gruppen in der Medienberichterstattung oft nicht adäquat abgebildet werden.
Interessant ist auch die geringe Selbstkritik, die innerhalb der Branche zu beobachten ist. Während Medien gerne Missstände in anderen Bereichen anprangern, wird die eigene Rolle als Teil des «Systems» oft nur zögerlich oder gar nicht hinterfragt. Ein Beispiel hierfür ist das gescheiterte Aufarbeiten der eigenen Berichterstattung während der Coronazeit, die teils von einseitigen und undifferenzierten Darstellungen geprägt war. Wer in den Medien über die Medien schreibt, wird schnell der «Kampagnenführung» bezichtigt. Daher wäre es umso wichtiger, dass es auch von außen unabhängige Medienkritik gibt.
Prof. Vinzenz Wyss, der die Studie leitete, betont, dass die politische Haltung der Journalisten nicht zwangsläufig die Objektivität und Qualität ihrer Berichterstattung beeinträchtigen muss. Doch er fordert auch eine kritische Auseinandersetzung innerhalb der Redaktionen, insbesondere was die Prozesse und Strukturen betrifft, die eine ausgewogene Darstellung der Realität fördern sollen.
Es stellt sich die Frage, wie sich die Medienlandschaft in einem Land entwickeln kann, in dem eine klare politische Neigung innerhalb der Redaktionen besteht. Die ZHAW-Studie liefert auf jeden Fall wichtige Erkenntnisse und regt zu einer breiten Diskussion über die Unabhängigkeit der Medien, ihre Rolle in der Gesellschaft und die notwendige Vielfalt in der Berichterstattung an.
Denn in einer Zeit, in der die Vertrauenskrise der Medien immer tiefer geht, wäre es ein wichtiger Schritt, den eigenen Standpunkt kritisch zu hinterfragen. Die Konsequenzen des von der Studie festgestellten «Linksrutsches» innerhalb der Branche könnten langfristig tiefgreifende Auswirkungen auf die Medienlandschaft und auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität der Berichterstattung haben.
Um die Ergebnisse vergleichbar zu machen, haben die Studienautoren eine Links-Rechts-Skala genommen und von eins bis zehn durchnumeriert ist. Wer nicht fünf angab, war dann rechts oder links. Gleichzeitig mindert dieses Vorgehen die Aussagekraft, denn es gibt heute keine klare Definition mehr, was rechts und was links ist (hier die entsprechende Rede von Oskar Lafontaine ab Min 9:40 und auch kurz bei Min 15). So lassen sich die Etiketten verteilen, die mit dem Inhalt wenig bis nichts zu tun haben.
Die Ergebnisse der Studie der ZHAW sind in den Schweizer Medien zwar nicht gerade totgeschwiegen worden, aber es wurde auch nicht wirklich intensiv darüber berichtet. Dies hätte sich aber gebührt, denn die Resultate sind verheerend. Wahrscheinlich wird versucht, das Ganze abzuhaken und zur Tagesordnung überzugehen. Dabei wäre die Studie eine Chance für die Medien, ihre eigene Rolle zu reflektieren.
Im Tamedia-Interview ist Wyss relativ zahm, aber auf X wird er deutlicher. Er kopierte eine Tabelle in den Tweet, die das Rollenselbstverständnis der Journalisten zeigt. «Regierungspolitik unterstützen», ist dort bei der Wichtigkeit ganz unten.
«A propos Regierungspolitik unterstützen. Da gab es doch mal diese Aussage: Journalist:innen sollen in der Krise die Regierungen unterstützen,» schreibt Wyss und kopiert einen Link, der zeigt, wie während der Coronazeit der CEO von Ringier, der die reichweitenstarke Boulevardzeitung Blick publiziert, die Marschordnung herausgab, die Regierungspolitik zu unterstützen.
Wenn man sieht, wie die Medien zum Beispiel den Ukrainekrieg kommentieren, dann muss man feststellen, dass sie sich nicht nur in Bezug auf Corona völlig unkritisch der Regierungspolitik verschrieben haben. Man könnte hier noch mehr Themen nennen und diese auch durch Belege untermauern.
In Bezug auf den Linksdrall der Journaille «twitterte» FDP-Chef Thierry Burkart den Satz: «Was wir schon immer wussten.»
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