Die britischen Polizeikräfte hätten beim Einsatz von Technologien der Gesichtserkennung die Passdatenbank des Landes umfassend durchsucht. Dieser Datenpool umfasse 46 Millionen britische Passinhaber. Die geheime Operation laufe seit mindestens 2019, wie die Investigativ-Journalisten von Liberty Investigates zusammen mit The Telegraph herausgefunden haben.
Polizeiminister Chris Philp hatte im Oktober angekündigt, Beamte anzuweisen, Passfotos zur Identifizierung von Verdächtigen bei allen Einbrüchen, Diebstählen und Ladendiebstählen zu verwenden. Dies sei Teil eines Vorstosses des Innenministeriums zur verstärkten Nutzung der Gesichtserkennung durch die Polizei gewesen.
Liberty Investigates konnte jedoch enthüllen, dass diese Praxis seit mindestens 2019 heimlich durchgeführt werde. Dabei hätten die Suchvorgänge in den Monaten vor Philps Rede dramatisch zugenommen.
Bei einem solchem Vorgehen vergleichen die Strafverfolgungsbehörden Bilder aus Quellen wie Überwachungskameras, Handyaufnahmen oder sozialen Medien mit den biometrischen Massen von bereits identifizierten Fotos. Durch das Suchen nach einem Treffer in der Passdatenbank kann also ein Bild mit einem Namen versehen werden.
Die Polizeibehörden führten auch jährlich Tausende von Abfragen mit Hilfe der nationalen Polizeidatenbank durch. Darin seien rund 16 Millionen Bilder von Personen gespeichert, die festgenommen wurden – darunter auch Hunderttausende, die nie angeklagt wurden oder von einer Anklage wegen einer Straftat freigesprochen wurden.
Im Dezember wurde ausserdem bekannt, dass die Polizei bald in der Lage sein wird, eine Datenbank mit den 50 Millionen britischen Führerscheinbesitzern zu durchsuchen. Das könnte dann auf der Grundlage eines neuen Gesetzes geschehen, das gerade vom Parlament verabschiedet wird.
Erweiterte Befugnisse durch die Hintertür
Dieser Schritt sei in einer einzigen Klausel in einem neuen Gesetzentwurf zur Strafjustiz enthalten, wie der Guardian berichtet. Die Absicht, der Polizei oder der National Crime Agency zu erlauben, Führerscheindaten zu nutzen, werde indes im Gesetzentwurf nicht explizit erwähnt.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes müsse Innenminister James Cleverly nur noch ein paar «Vorschriften für Fahrerinformationen» erlassen, um die Suchanfragen zu ermöglichen. Führende Rechtsgelehrte hätten daher bemängelt, dass die Regierung diese Ausweitung der Befugnisse «unter dem Radar» durchführe.
Ein grundlegendes Problem sehen Kritiker in der fehlenden Zustimmung der Bürger. Diese Praxis untergrabe das Recht des Einzelnen, die Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu kontrollieren. Die Verwendung dieser Fotos ohne ausdrückliche Erlaubnis zu Strafverfolgungszwecken könne als Verletzung der persönlichen Autonomie und Rechte angesehen werden, argumentiert Reclaim The Net.
Wenn Personen ihre Fotos für Pässe oder Führerscheine zur Verfügung stellen, stimmen sie nicht ausdrücklich ihrer Verwendung in Strafverfolgungsdatenbanken zu, so das Portal weiter. In der Regel seien sie ja auch nicht wegen einer Straftat verhaftet worden – was häufig als Grund für die Erhebung biometrischer Daten von einem Verdächtigen herangezogen werde.
Die Gesichtserkennungstechnologie stelle eine Bedrohung für die Rechte des Einzelnen auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit, Nichtdiskriminierung sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit dar. Die Verwendung von Passdatenbanken durch die Strafverfolgungsbehörden für biometrische Scans mache alle Passinhaber zu einem potenziellen Verdächtigenpool.
Bei grossen öffentlichen Veranstaltungen wie Demonstrationen setze die Polizei bereits zunehmend die Live-Gesichtserkennung ein, ergänzt der Guardian. Dabei wird eine Live-Kameraaufnahme von Gesichtern mit einer Datenbank bekannter Identitäten verglichen.