Thomas Fazi, Kolumnist beim Magazin Unherd, prophezeit in seinem Beitrag «Nato wird einen langen Krieg in der Ukraine nicht gewinnen: Ein Konflikt wie in Afghanistan könnte Europa lähmen» nichts Gutes.
So sei «keine diplomatische Lösung in Sicht». Die Möglichkeit zu ihr hätte es gegeben, doch «das Zeitfenster», um eine solche Lösung zu realisieren, sei wohl verpasst worden. Und jetzt bestehe «ein wesentlicher Teil des Problems darin, dass dieser Krieg nicht nur von der Ukraine, sondern auch von Russland und den USA als existenzieller Kampf wahrgenommen wird».
So wüssten beide, dass der Ausgang dieses Konflikts massive geopolitische Auswirkungen haben werde. «Eine militärische Niederlage ist daher keine Option, ebenso wenig wie eine Einigung, die als Eingeständnis der Niederlage interpretiert werden könnte», so Fazi. «Erschwerend kommt hinzu, dass es im US-Establishment Leute gibt, die diesen Krieg auf jeden Fall fortsetzen wollen, weil sie ihn als vorteilhaft für ihre Interessen betrachten.»
In diesem Zusammenhang macht Fazi auf einen kürzlich veröffentlichten bemerkenswerten Tweet des Führers der Minderheit im Senat, Mitch McConnell, aufmerksam:
«An der Seite unserer Verbündeten gegen die russische Aggression zu stehen, ist keine Nächstenliebe. Tatsächlich ist es eine direkte Investition in die Aufstockung des amerikanischen Arsenals mit amerikanischen Waffen, die von amerikanischen Arbeitern gebaut werden. Der Ausbau unserer Verteidigungsindustrie versetzt Amerika in eine stärkere Position, um China auszustechen.»
Vergangenes Jahr hätte McConnell den Satz zum Besten gegeben, dass «die wichtigsten Gründe dafür, die Ukraine dabei zu unterstützen, die russischen Invasoren zu zerschlagen und ihnen eine Niederlage beizubringen, kalte, harte, praktische amerikanische Interessen sind».
Hinzu komme die Schwäche Europas, die dem Druck und der Übermacht Amerikas offenkundig nichts Substanzielles entgegenzusetzen wüssten. Daher sei es, so Fazi, «schwierig, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass diese ‹Europäisierung› des Krieges – mit Deutschland als oberstem Vasallen, wie von [dem Soziologen] Wolfgang Streeck vorhergesehen – einen doppelten Gewinn für Amerika darstellen wird.»
Diese «Europäisierung» würde es den Vereinigten Staaten ermöglichen, sich politisch und finanziell aus dem Konflikt herauszuhalten und gleichzeitig die Region weiterhin indirekt über die EU zu beherrschen. Wenn dies so weitergehe, so Fazi, würde dies darauf hinauslaufen, dass die EU einen Stellvertreterkrieg an der Seite Amerikas führt, der «fast ausschliesslich zu Gunsten» der USA verläuft. Dies würde einen «ultimativen Akt der Vasallisierung» darstellen, so der Kolumnist.
All dies ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass in den USA der Rückhalt für Selenkyj und der Wille, weiterhin viele Milliarden in die Untersützung der Ukraine zu pumpen, zu bröckeln scheint.
So seien Biden zuletzt nicht die zusätzlichen 20 Milliarden US-Dollar für die Ukraine genehmigt worden, die er vom Kongress erbeten hatte. Erschwerend komme für Biden hinzu, «dass Trump mit seiner Anti-Kriegs-Haltung in den Umfragen weiter zulegt».
Und mittlerweile «sind sich alle einig, dass die ukrainischen Opfer massiv waren – laut BBC möglicherweise in die Zehntausende gehend». Es gebe also genügend Punkte, an denen Europa ansetzen könnte, um sich vom Klammergriff des Verbündeten aus Übersee zu befreien.
Dass gerade auch ein Land wie Deutschland wie ein höriger Vasall der USA agiert, wenn es um den Russland-Ukraine-Krieg geht, diese Auffassung hatte derweil bereits im vergangenen Jahr Oskar Lafontaine vertreten. Der ehemalige SPD-Vorsitzende forderte eine eigenständige Sicherheitspolitik Europas.
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