Das Treffen am vergangenen Samstag in Kopenhagen ist – soweit bekannt – das erste gewesen, bei dem die westlichen Staaten in einem grösseren Rahmen mit Kiew über eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg gesprochen haben.
Offiziell zu dem Treffen eingeladen hatte die Ukraine; vertreten waren ausser ihr sowie dem Gastgeber Dänemark die G7-Staaten und fünf Staaten des Globalen Südens, die bereits Vermittlungserfolge zwischen Kiew und Moskau erzielt haben (Türkei, Saudi-Arabien) oder sich noch darum bemühen (Brasilien, Indien, Südafrika).
Die Bundesregierung hatte Jens Plötner geschickt, den wichtigsten aussenpolitischen Berater von Kanzler Olaf Scholz. China war eingeladen, nahm aber nicht an der Zusammenkunft teil. Russlands Anwesenheit war nicht erwünscht.
Das Treffen war offenkundig schon seit geraumer Zeit geplant; bereits im Mai hatte Dänemarks Aussenminister Lars Løkke Rasmussen mitgeteilt, sollte die Ukraine bereit sein, mit Ländern wie Brasilien, Indien oder Südafrika über etwaige Friedensverhandlungen zu diskutieren, dann biete sich Kopenhagen als Ort dafür an.
Für das Treffen stark gemacht hatten sich auch die USA; allerdings reiste ihr Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan aufgrund eines Krisentreffens zum Putschversuch in Russland nicht an und war nur per Video zugeschaltet.
Über den Inhalt des Treffens hüllt sich die Bundesregierung in Schweigen. Ein hochrangiger Mitarbeiter der EU-Kommission liess sich mit der Auskunft zitieren, in Kopenhagen habe sich «ein genereller Konsens» dahingehend gezeigt, eine Verhandlungslösung müsse «die Prinzipien der UN-Charta, etwa die territoriale Integrität und die Souveränität» aller Staaten, bestätigen.
Dies lässt keine weiterreichenden Schlüsse zu; ein Bekenntnis zu den UN-Grundsätzen enthalten sämtliche bisherigen Verhandlungsvorstösse von der «Friedensformel» des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bis zu Beijings Zwölf-Punkte-Papier.
Gewisse Aufschlüsse erlaubt ein Bericht des ehemaligen brasilianischen Aussenministers Celso Amorim, der als Architekt der Politik von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bezüglich des Ukraine-Kriegs gilt und der, als Lulas aussenpolitischer Berater, an dem Treffen in Kopenhagen teilnahm.
Amorim zufolge präsentierte der Leiter des Kiewer Präsidialamtes, Andrij Jermak, dort einen Entwurf für eine Abschlusserklärung, die mehrere Elemente der Selenski‘schen «Friedensformel» enthielt.
Diese sieht den vollständigen Rückzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine vor – auch von der Krim. Friedensgespräche auf ihrer Basis wären daher nach Lage der Dinge nur bei einer dramatischen russischen Niederlage möglich.
Der Entwurf für die Abschlusserklärung scheiterte entsprechend – wie Amorim bestätigt, an den Einwänden der Länder des Globalen Südens, die unverändert nicht dazu bereit sind, sich dem Druck des Westens zu beugen und sich gegen Russland zu positionieren.
Sollte Jermak gehofft haben, einen Keil zwischen sie und Moskau zu treiben, sah er sich getäuscht. Wie unter Berufung auf den deutschen Teilnehmer des Treffens, Kanzlerberater Plötner, berichtet wird, griffen die Gespräche allerdings weiter aus und bezogen auch die Frage nach Sicherheitsgarantien ein – und zwar nicht nur nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die voraussichtlich nötig werden, weil ein ukrainischer NATO-Beitritt unter anderem an den Vereinigten Staaten scheitern dürfte, sondern darüber hinaus nach Garantien für Russland.
Man könne Moskau beispielsweise versichern, heisst es, «dass keine Marschflugkörper auf dem Gebiet der Ukraine stationiert werden». Damit wird erstmals erkennbar, dass der Westen bereit sein könnte, Zugeständnisse an Russland zu machen, die in der Öffentlichkeit bislang entschieden zurückgewiesen werden. Wie Amorim bestätigt, sollen dem Treffen weitere folgen. Im Gespräch ist die nächste Zusammenkunft schon für Juli; ob der Plan aufgeht, ist allerdings ungewiss. (..)
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