Einen interessanten Überblick über die Debatten in den USA über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges gibt der investigative US-Journalist Seymour Hersh in seinem neuesten Text. Darin gibt er verschiedene Stimmen wieder sowie einen Einblick in die aktuellen Gespräche zwischen US-amerikanischen und russischen Vertretern.
Laut Hersh ignoriert die Führung der Demokratischen Partei die zunehmenden Beweise dafür, dass Russland den Krieg in der Ukraine gewonnen habe. Führende Demokraten im Kongress seien in ihrer Verachtung und Angst vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Mentalität des Kalten Krieges zurückgekehrt.
Dagegen seien einige der an den seit einiger Zeit laufenden Geheimgesprächen zwischen der Ukraine und Russland Beteiligten davon überzeugt, dass der lange Zeit festgefahrene Krieg bald durch eine genau kalkulierte Aufteilung des Territoriums beendet wird, das jede Seite in einem Krieg verloren hat.
Allerdings ist die russische Armee derzeit dabei, die ukrainischen Truppen im russischen Gebiet von Kursk zu besiegen und rauszuwerfen. Der Einmarsch in die Region Kursk sollte Beobachtern zufolge Kiew einen Trumpf für mögliche Verhandlungen verschaffen, was inzwischen als gescheitert gilt.
Hersh schreibt, bei den US-Demokraten werde geglaubt, Trump wolle «seinem neuen Verbündeten Putin» Vorteile verschaffen, in dem er die EU und die NATO schwäche. Der Journallist zitiert einen «internationalen Wissenschaftler», der glaube, Trump sei ein «russischer Agent».
Das habe er mit einer Reihe von Maßnahmen der Trump-Administration versucht zu belegen, so die kurzzeitig eingestellten Waffenlieferungen an die Ukraine und den gestoppten Austausch von Geheimdienstinformationen mit ihrem Militär. Dazu gehöre auch das angeordnete Ende der offensiven Cyber-Operationen gegen Russland.
Zudem hätten Trump und Vizepräsident James D. Vance bei den jüngsten Europawahlen öffentlich pro-russische politische Parteien unterstützt, während Vertreter von ihnen an der Wiederinbetriebnahme der Nord Stream-Pipelines arbeiten würden. Das Ziel sei, «die Abhängigkeit der westeuropäischen Länder, insbesondere Deutschlands, von russischem Gas und Öl aufrechtzuerhalten und Putin so einen weiteren Einflusshebel in Westeuropa zu verschaffen».
Der US-Journalist geht nicht weiter auf den Geisteszustand seines Gesprächspartners ein. Er verweist darauf, dass die großen US-Medien, allen voran die New York Times, Putin gegenüber weiterhin feindselig eingestimmt seien. In dem Blatt werde wiederholt die Überzeugung geäußert, dass Putin jede Verhandlungslösung ausnutzen würde, um Russlands Einfluss auf die Ukraine zu vertiefen.
Es werde befürchtet, dass die Aufhebung aller Sanktionen gegen den russischen Gas- und Ölhandel in Moskau als Zeichen US-amerikanischer Schwäche gesehen wird. Danach würde Russland die Führung der baltischen Staaten untergraben und die NATO und die Europäische Union weiterhin schwächen. Auch in dem Fall fragt Hersh nicht weiter nach dem Geisteszustand derer, die solches von sich geben.
Dafür macht er darauf aufmerksam, das «eine ganz andere Meinung» unter anderem Jack F. Matlock vertritt, der viermal als US-Diplomat in Russland tätig war, zuletzt von 1987 bis 1991 als Botschafter von Ronald Reagan und George H.W. Bush in Moskau. Matlock habe sich in einem Essay für das Magazin Responsible Statecraft positiv über die «Aussicht darauf geäußert, den Krieg in der Ukraine zu beenden» (Transition News berichtete). Matlock schrieb unter anderem:
«In der Tat sollte jeder, der an Frieden und nicht an der Gefahr eines Atomkriegs interessiert ist, Präsident Trump gratulieren. Denn wenn der Krieg endet und Russland wieder in kooperative Wirtschaftsbeziehungen mit Europa und den Vereinigten Staaten eingebunden wird, werden alle davon profitieren. Wenn der Krieg und der Versuch, Russland zu isolieren, weitergehen, werden alle leiden und eine Zusammenarbeit zur Bewältigung gemeinsamer Probleme wie Umweltzerstörung, Massenmigration und internationale Finanzkriminalität wird unmöglich werden.»
Hersh zitiert den früheren Botschafter, wonach endlich ein US-Präsident «einen gangbaren Weg zum Frieden aufgezeigt» und der russische Präsident diese Bemühungen begrüßt habe. Der Journalist macht ebenso auf andere Stimmen aufmerksam, die in den Mainstream-Medien nicht zu Wort kommen.
So verweist er auf einen aktuellen Aufsatz von Jeffrey D. Sachs, ein angesehener Wirtschaftswissenschaftler an der Columbia University, der seit mehr als zwei Jahrzehnten die Führung der Vereinten Nationen berät. Sachs schreibe, die vom Krieg zerrüttete Ukraine hätte von einem Friedensabkommen, das vor drei Jahren in Istanbul auf dem Tisch lag und von Großbritannien und den USA abgelehnt wurde viel zu gewinnen gehabt.
Würde dieser Plan heute grundsätzlich angenommen, so Sachs, müsste die Ukraine zwar mehr Territorium an Russland abtreten, aber «sie würde das Wesentliche gewinnen: Souveränität, internationale Sicherheitsvereinbarungen und Frieden.» Die Bedenken Russlands und des Westens hinsichtlich der Sicherheitsgarantien für den Plan würden ausgeräumt, da die Verwaltung der Sicherheitsgarantien «dem UN-Sicherheitsrat unterstellt» würde – so dass die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich zusammen mit dem Rest des UN-Sicherheitsrats als Mitgaranten fungieren würden. Hersh zitiert Sachs:
«Die Zeit ist gekommen für eine Diplomatie, die Europa, der Ukraine und Russland kollektive Sicherheit bringt. Europa sollte direkte Gespräche mit Russland aufnehmen und Russland und die Ukraine dazu drängen, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, das auf den Gesprächen von 2022 basiert.»
Der US-Journalist berichtet außerdem über aktuelle «Gespräche in einem viel engeren Rahmen» zwischen einigen US-Amerikanern und Russen, die seit 2023 immer wieder stattfinden würden, seit klar geworden sei, dass es im Krieg keine Sieger geben würde. Ein Insider habe ihm gesagt, dass inzwischen hochrangige Beamte der Trump-Administration sich für die Gespräche interessieren.
Dabei werde davon ausgegangen, dass eine etwaige Einigung keine Rolle für den bisherigen Kiewer Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorsehe. Seine Amtszeit als Präsident der Ukraine sei im vergangenen Frühjahr ausgelaufen, aber die ukrainische Verfassung verbiete Wahlen, solange das Land unter Kriegsrecht steht.
«Dem US-amerikanischen Geheimdienst ist Selenskyj schon lange als einer von mehreren Politikern und Militärs bekannt, die Millionen von Dollar aus amerikanischen und europäischen Kriegshilfen abschöpfen.»
Hersh schreibt von Informationen, wonach Selenskyj von William Burns, dem Direktor der CIA unter Joseph Biden, gewarnt wurde, korrupte ukrainische Generäle und Politiker, die an der Abschöpfung von Geldern beteiligt waren, seien wütend, weil Selenskyj selbst einen zu großen Anteil davon für sich beanspruche. Das aktuelle Ziel der derzeit laufenden Gespräche sei laut dem Insider «kurzfristig und pragmatisch: das Schießen zu beenden».
Putin sei einverstanden und sehe den innenpolitischen Nutzen darin, die neuen russischen Provinzen zurückzugewinnen und «den arroganten Ukrainern eine blutige Nase zu verpassen». Es gehe ihm auch um eine wirtschaftliche Lösung für Russlands inflationsgetriebene Wirtschaft.
Die russische Delegation strebt bei den Gesprächen «keine langfristige Lösung für den historischen Hass und das Misstrauen» zwischen den beiden Ländern an, sei gesagt worden. Vizepräsident Vance, der an einigen der Gespräche beteiligt gewesen sei, glaube, dass die Abschreckung jeglicher künftiger militärischer Aktionen Russlands gegen die Ukraine durch die «unternehmerischen Interessen der USA und das Engagement der USA bei der Sanierung in allen Bereichen» erreicht werden könne.
Der Insider sagte laut Hersh, dass die Aufgabe für Vance nun darin bestehe, die EU von weiteren Waffenlieferungen und Finanzhilfen für eine ukrainische Regierung abzuhalten, die immer noch von Selenskyj geführt wird. Er wette darauf, dass Selenskyj «der Realität nachgeben und unterschreiben wird».
«Russland will Selenskyj loswerden, aber die USA sagen, dass es an den Ukrainern liegt. Vance sieht, dass amerikanische Kritiker Trump wegen seiner Liebe zu Putin für einen Ausverkauf an Russland verantwortlich machen werden.»
Hersh zitiert seinen Informanten, wonach Selenskyj noch eine Weile im Amt bleiben, aber innerhalb eines Jahres ersetzt werde und die Kämpfe in der Ukraine beendet würden. Er habe hinzugefügt: «Ich hoffe.»