In den deutschsprachigen Medien ist ein kein Thema – und international nur am Rande: Am 16. August 2024 wurde ein neues internationales Abkommen der Vereinten Nationen gegen Cyberkriminalität vorgestellt. Obwohl das Abkommen auf den ersten Blick die weltweite Zusammenarbeit im Kampf gegen Cyberkriminalität fördern soll, enthält es laut Kritikern problematische Ausnahmen im Bereich des Kinderschutzes.
Insbesondere Artikel 14 des Vertrags sorgt für Empörung, da er in bestimmten Fällen die Produktion, den Besitz und die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern ermöglicht, solange diese nicht reale Personen zeigen oder keine visuellen Darstellungen von tatsächlichem Missbrauch sind.
Diese Formulierungen, die von einigen europäischen Ländern unterstützt werden, stoßen auf erheblichen Widerstand seitens traditioneller Länder wie dem Iran und der Demokratischen Republik Kongo. In den finalen Verhandlungen forderten diese Staaten vehement die Streichung dieser Ausnahmen. Ein Delegierter der Demokratischen Republik Kongo betonte, dass diese Bestimmungen in direktem Widerspruch zu früheren internationalen Abkommen stehen, insbesondere dem Fakultativprotokoll der Kinderrechtskonvention. Dieses Protokoll, das von 173 Staaten ratifiziert wurde, verbietet strikt jede Form von Kinderpornografie.
In einer hitzigen Abstimmung votierten 51 Länder für die Streichung der umstrittenen Bestimmungen, doch am Ende setzten sich 91 Staaten – angeführt von den USA und der Europäischen Union – dafür ein, die Ausnahmen beizubehalten. Überraschend ist hierbei die Rolle der Vereinigten Staaten, die vor 25 Jahren noch als treibende Kraft hinter den strengen Regeln gegen Kinderpornografie im Rahmen des Fakultativprotokolls galten. Damals wurden Maßnahmen wie die strafrechtliche Verfolgung von bloßem Besitz solcher Inhalte eingeführt, um Kinder besser zu schützen.
Ein weiterer strittiger Punkt des Abkommens betrifft das sogenannte «Sexting». Der Vertrag erlaubt es Ländern, das Versenden von intimen Bildern zwischen Kindern, die das gesetzliche Einwilligungsalter erreicht haben, und Erwachsenen zu legalisieren, sofern diese Bilder nicht ohne Zustimmung der Beteiligten weiterverbreitet werden. Viele Delegationen versuchten, auch diese Bestimmungen aus dem Vertrag zu streichen, doch die Unterstützung für deren Beibehaltung war stark.
Die Befürworter der Ausnahmen argumentieren, dass diese Bestimmungen keine Gefahr für Kinder darstellen und betonen, dass das Abkommen in anderen Bereichen bahnbrechend sei, wie etwa bei der Verpflichtung zur Kriminalisierung der «nicht einvernehmlichen Verbreitung intimer Bilder». Dennoch äußerten viele Länder ihre Besorgnis über die möglichen Auswirkungen der neuen Regelungen auf den Schutz von Kindern. Zu den Kritikern gehören Länder wie Nicaragua, Niger, Pakistan, Guatemala, und viele weitere Staaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika.
«Ich frage mich, wessen Rechte wir hier schützen: die der Kriminellen oder die der Opfer?», fragte ein russischer Delegierter während der Debatte. Diese Frage reflektiert die Besorgnis vieler Länder, die der Meinung sind, dass das Abkommen mehr potenzielle Täter als schutzbedürftige Kinder begünstigen könnte.
Trotz der anhaltenden Kritik wurde das Abkommen nach dreijährigen Verhandlungen verabschiedet und soll noch dieses Jahr von der Generalversammlung der Vereinten Nationen formell angenommen werden. Um in Kraft zu treten, müssen mindestens 40 Länder das Abkommen ratifizieren. Neben den umstrittenen Bestimmungen über Kindesmissbrauch beinhaltet das Abkommen auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Datenkriminalität, Finanzdelikten und anderen durch Informationstechnologie begangenen Straftaten. Darüber hinaus gibt es freiwillige Bestimmungen, um ärmere Länder bei der Kapazitätsentwicklung und finanziellen Unterstützung zu fördern.
Die Kampagnenorganisation CitizenGo ruft dazu auf, eine Petition an die Schweizer Behörden zu unterschreiben, damit sich die Schweiz gegen das Abkommen stark macht.
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