Über das dystopische Forschungsprogramm «Video LINCS» des US-Geheimdienstes hatten wir vor kurzem berichtet. Der Name steht für Video Linking and Intelligence from Non-Collaborative Sensors. Dabei geht es grob darum, Objekte über verschiedene Videoquellen hinweg zu erkennen, zu verfolgen und zu lokalisieren. Initiator ist die IARPA, der Forschungsförderungsarm der US-Nachrichtendienste.
Jetzt hat die IARPA ihre technischen Spezifikationen aktualisiert. Sie geben einen detaillierteren Einblick, wie tief der US-Spionageapparat bei seinen Überwachungsbemühungen zu gehen bereit ist. Darauf macht der Technologieblog The Sociable aufmerksam.
Der aktualisierte Entwurf beschreibt, wie die US-Spionagegemeinschaft Personen, Fahrzeuge und Objekte über grosse Entfernungen und Zeiträume hinweg autonom identifizieren, verfolgen und aufspüren will. Dazu will sie Videomaterial analysieren, das von Kameras aus Videoüberwachungsanlagen, Drohnen und möglicherweise Webcams und Handys aufgenommen wurde.
Quelle: IARPA Video-LINCS-Programmdesign
Ein Kaleidoskop von Technologien soll dieses Ziel ermöglichen. Darunter fallen unter anderem künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Geolokalisierung, Biometrie und generative Modellierung.
Die offiziellen Gründe für die Entwicklung dieses Programms haben mit der Reaktion auf «tragische Vorfälle» zu tun, die «forensische Analysen» erfordern, und mit der «Analyse von Mustern für Anomalien und Bedrohungen».
IARPA-Programmdirektor Dr. Reuven Meth erwähnt in einem Interview auch, dass «Video LINCS» zur «Erleichterung der Planung von Smart Cities» eingesetzt werden soll. The Sociable stellt dazu die Frage, warum der Finanzierungsarm der US-Spionagebehörde Werkzeuge für die Planung «intelligenter» Städte entwickeln wollen sollte.
Neben der Erkennung von Bedrohungen, forensischen Analysen und «Smart Cities» gibt es nach Ansicht von The Sociable noch viele andere potenzielle Anwendungsfälle, die aus diesem Spionageprogramm in Zukunft hervorgehen könnten. Zum Beispiel könnten die Werkzeuge und Taktiken von «Video LINCS» hypothetisch in der Lage sein, die Teilnehmer von Kundgebungen zu identifizieren und jeden ihrer Schritte auf dem Weg nach Hause zu verfolgen.
Für Regierungen, die in Zukunft Lockdowns oder emissionsarme Zonen in 15-Minuten-Städten durchsetzen wollen, wäre all dies von unschätzbarem Wert. Die Behörden wären in der Lage, die Personen zu identifizieren, die gegen das Protokoll verstossen haben, und gleichzeitig jeden ihrer Schritte zu verfolgen, damit die Strafverfolgungsbehörden sie «zur Strecke bringen» können.
All dies würde autonom und automatisch erfolgen. The Sociable schliesst den Beitrag ironisch:
«Immerhin hat die Regierung gesagt, dass dies für die Sicherheit der Menschen sorgen wird. Und die Regierung hat uns noch nie im Stich gelassen, weil sie immer nur unser Bestes im Sinn hat.»
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