Im Zuge der Covid-19-Pandemie und der zunehmenden Zahl von Schiessereien an Schulen hat sich die Überwachung von Kindern in den USA zu einer 3,1 Milliarden Dollar schweren Industrie entwickelt, die riesige Gewinne einfährt. Darüber berichtet The Defender unter Berufung auf einen neuen Bericht der American Civil Liberties Union (ACLU).
Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass Technologie-Überwachungsunternehmen und Schulleitungen unter dem Vorwand, Mobbing, Selbstverletzungen und Gewalt an Schulen zu verhindern, eine «digitale Dystopie» für Kinder schaffen: durch den Einsatz von Videokameras, Gesichtserkennungssoftware, von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerten Technologien zur Verhaltenserkennung, Software zur Überwachung von Online- und sozialen Medien und vielem mehr.
«Die Industrie hat es jedoch versäumt, diese Behauptung mit Beweisen zu untermauern, und stattdessen Angst als primäre Marketingtaktik eingesetzt», kritisiert der ACLU-Bericht.
Nach eigenen Recherchen und der Prüfung zusätzlicher, vom US-Justizministerium in Auftrag gegebener Untersuchungen, stellte die ACLU fest, dass es an eindeutigen Beweisen dafür mangele, dass die von den EdTech-Firmen beworbenen Produkte die Sicherheit von Schülern wirklich gewährleisteten.
Chad Marlow, der Hauptautor des Berichts, erklärte gegenüber The Defender, dass er es als Vater von zwei K-12-Schülern verstehe, wie sehr sich Eltern und Schulen um die Sicherheit der Kinder sorgten, doch habe er «mit Bedauern» beobachtet, wie Schulverwaltungen und staatliche Gesetzgeber sich dafür entschieden, Gelder für Überwachungstechnologien zu verwenden, um die Kinder zu schützen.
Denn als ACLU-Senior Policy Counsel, der sich auf Fragen des Datenschutzes, der Überwachung und der Technologie konzentriere, wisse er sehr wohl, dass Überwachung nicht von schlechtem Verhalten abschrecke und Schüler ganz sicher nicht schütze.
Der 61-seitige Bericht zeige einen «lebenden Überwachungsalbtraum», so Marlow. Dieser schade den Kindern, indem er ihnen den Zugang zu wichtigen Informationen verweigere, ihr Vertrauen in Erwachsene untergrabe und es «zu riskant» mache, ihre Gedanken mitzuteilen.
«Das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir unseren Schülern beibringen sollten», betonte Marlow.
Beim Verkauf ihrer Überwachungstechnologien würden die Unternehmen nicht nur falsche Behauptungen über deren Wirksamkeit aufstellen, sondern auch «irreführende Marketingpraktiken» verwenden, mit denen sie Schulleitungen durch Angstmacherei zum Kauf ihrer Produkte bewegten.
In dem Bericht kommen auch mehr als 500 Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren zu Wort, die an einer landesweit repräsentativen Umfrage darüber teilgenommen haben, wie sich die technische Überwachung an ihren Schulen auf sie auswirke.
Einige Schüler berichteten, dass die Überwachung ihre Ängste und Befürchtungen verstärke, da sie sich «ängstlich» (14 %), «blossgestellt» (15 %), «paranoid» (13 %) und «verletzt» (12 %) fühlten. Einige sagten, sie fühlten sich durch die Technologie «unsicher» (7 %) und «verängstigt» (5 %).
Mehr als ein Viertel der befragten Schülerinnen und Schüler gab an, besorgt darüber zu sein, was ihre Schule – und die Unternehmen, mit denen ihre Schule Verträge abgeschlossen hat – mit den gesammelten persönlichen Daten mache. 18 Prozent erklärten, die Überwachung schränke das ein, was sie online kommunizieren wollten, was auf eine indirekte Zensur hindeute.
Laut Marlow war eines der überzeugendsten Ergebnisse des Berichts, dass «der Einsatz von Überwachungstechnologien den Schülern erheblich schade, insbesondere denjenigen, die am meisten gefährdet sind, das heisst farbigen Schülern, LGBTQ+ und nicht-binären Schülern, Schülern mit Behinderungen, Schülern mit niedrigem Einkommen und Schülern ohne Papiere».
Hauptziel des Projekts sei es, diese Informationen an die Entscheidungsträger in der Schulpolitik weiterzugeben, in der Hoffnung, dass das Geld, das man für die Sicherheit der Schüler ausgebe, in Massnahmen mit dem grössten nachgewiesenen Nutzen und dem geringsten Schaden fliesse, teilte Marlow mit.
John Whitehead, ein Anwalt für Bürgerrechte, erklärte nach Einsicht des Berichts, dass man Kinder dazu bringen wolle, «im Gleichschritt mit einem Polizeistaat zu marschieren». Einige Schulen würden zu diesem Zweck inzwischen eine Vielzahl von Überwachungstechnologien einsetzen, darunter Videokameras, Finger- und Handflächenscanner, Iris-Scanner, RFID (Radiofrequenz-Identifikation) und GPS-Tracking-Geräte. Man drille junge Menschen durch Indoktrination, Einschüchterung und Intoleranz.
Michael Rectenwald, Autor von «Google Archipelago: The Digital Gulag and the Simulation of Freedom» («Der digitale Gulag und die Simulation von Freiheit»), konstatierte: Das Ziel der EdTech-Überwachung in Schulen sei «eindeutig» die Unterwerfung unter die Autorität und nicht die Abschreckung von Verbrechen.
Das Schulsystem sei der primäre Ort der Indoktrination, an dem Kinder «in die Art von Subjekten geformt werden, die das System verlangt». Überwachungstechnologien in Schulen würden Kinder «an ein Leben gewöhnen, in dem sie ständig überwacht und kontrolliert werden».
«Die biometrische Überwachung ist ein Instrument der Elite zur Überwachung und Kontrolle von Personen in einem Ausmass, das Hitler, Stalin und Mao für unvorstellbar hielten», warnte er.
Es sei kein Wunder, dass ein erheblicher Prozentsatz der überwachten Schülerinnen und Schüler sich «paranoid, ängstlich und gefangen» fühle. «Sie sind gefangen – in einem riesigen Panoptikum.»