Wie der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh am Donnerstag aufgrund ihm vorliegender Informationen ankündigte, hat US-Präsident Donald Trump in der Nacht zum Sonntag den Befehl gegeben, den Iran anzugreifen. Das geschah den Berichten nach mit Marschflugkörpern und erstmals eingesetzten bunkerbrechenden Bomben, die eine Reihe iranischer Atomanlagen zerstören sollten.
Ich kann und will an dieser Stelle nicht die anderswo nachlesbaren Details der Angriffe wiedergeben. Stattdessen versuche ich, einen Überblick über die ersten Folgen und Reaktionen zu geben, vor allem aus Quellen, die in den etablierten Mainstream-Medien weggelassen werden.
Während der US-Präsident am Sonntag von einem «sehr erfolgreichen Angriff» mit einer «vollen Ladung Bomben» sprach, scheint der «Einsatz Mitternachtshammer» nicht so durchschlagend gewesen zu sein. Experten schätzen Berichten zufolge ein, dass Irans Atomanlagen wie die in Fordo zwar beschädigt, aber nicht zerstört seien. Außerdem legen Satellitenbilder nahe, dass der Iran vor dem Angriff hochangereichertes Uran aus den Anlagen verlagert hat, was auch laut Hassan Abedini, stellvertretender politischer Leiter des staatlichen iranischen Rundfunks, geschehen sei.
Auch das Ziel Trumps, einen Regimewechsel im Iran zu erreichen, dürfte in noch weitere Ferne als bisher gerückt sein. Der russische Ex-Präsident und heutige Vize-Chef des Sicherheitsrates Russlands, Dmitri Medwedew, hat in seinem Kanal auf der Onlineplattform Telegram auf prägnante Weise zusammengefasst, was die USA mit ihrem Angriff nicht erreicht und dafür aber ausgelöst haben, weshalb es hier zitiert sei:
1. Die kritische Infrastruktur des nuklearen Zyklus wurde offenbar nicht oder nur minimal beschädigt.
2. Die Anreicherung von Nuklearmaterial – und nun kann man direkt sagen: auch die künftige Produktion von Atomwaffen – wird fortgesetzt.
3. Mehrere Länder sind bereit, den Iran direkt mit eigenen Atomsprengköpfen zu beliefern.
4. Israel steht unter Beschuss, Explosionen erschüttern das Land, die Menschen sind in Panik.
5. Die USA sind in einen neuen Konflikt verwickelt. Es besteht die Aussicht auf einen Bodenkrieg.
6. Das politische System im Iran bleibt bestehen – und ist aller Wahrscheinlichkeit nach sogar gestärkt worden.
7. Die Bevölkerung schart sich um die geistliche Führung, sogar diejenigen, die ihr früher kritisch gegenüberstanden.
8. Donald Trump, der als Friedenspräsident angetreten ist, hat die USA nun in einen weiteren Krieg gedrängt.
9. Die absolute Mehrheit der Länder weltweit lehnt die Aktionen Israels und der USA ab.
10. Mit solchen «Erfolgen» kann Trump den Friedensnobelpreis vergessen – selbst angesichts der bekannten Korruption im Zusammenhang mit dieser Auszeichnung. Ein gelungener Auftakt, Herr Präsident. Herzlichen Glückwunsch!
Irans Außenminister Abbas Araghtschi erklärte am Sonntag, der US-Angriff auf die iranischen Atomanlagen sei «eine schwere Verletzung der UN-Charta, des Völkerrechts und des Nichtverbreitungsvertrags (NPT)». Der Außenminister beschuldigte Trump, seine eigenen Wähler mit seinem Versprechen zu täuschen, die Vereinigten Staaten nicht länger in «ewige Kriege» zu verwickeln.
Wahlbetrüger Trump
Bei einer Pressekonferenz in Istanbul am Rande der Ministerkonferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit sagte Araghtschi wenige Stunden nach dem Angriff laut dem Portal agenzianova.com:
«Präsident Trump wurde zwar mit der Prämisse gewählt, die kostspielige Beteiligung der Vereinigten Staaten an einem ewigen Krieg in unserem Teil der Welt zu beenden, aber er hat nicht nur den Iran verraten, indem er unser Engagement für Diplomatie missbraucht hat, sondern er hat auch seine eigenen Wähler getäuscht.»
Eine sofortige Öffnung diplomatischer Kanäle sei nach den Angriffen der USA und Israels auf iranische Atomanlagen ausgeschlossen, da diese einen «unverzeihlichen Verstoß gegen das Völkerrecht» darstellten. «Natürlich sollte die Tür der Diplomatie immer offen gehalten werden, aber das ist derzeit nicht der Fall», sagte Araghtschi als Antwort auf eine Frage der Nachrichtenagentur Associated Press auf einer Pressekonferenz in Istanbul.
Nach den Worten des Außenministers starteten die USA ihren Angriff «mitten in einem Prozess, der auf eine diplomatische Lösung abzielte».
«Damit trägt die US-Regierung die volle Verantwortung für die Folgen ihres Handelns, einschließlich des Rechts der Islamischen Republik Iran auf Selbstverteidigung.»
Der Iran habe nichts Unrechtes getan, betonte der Außenminister. «Wir verstehen nicht, warum er wegen der falschen Anschuldigung, er strebe nach Atomwaffen, angegriffen werden soll», erklärte er laut dem Bericht.
Deutliche Kritik
Auf eine Frage zu Trumps Warnung, der Iran solle nun Frieden schließen, sonst müsse er in Zukunft mit noch schwerwiegenderen Angriffen rechnen, sagte er: «Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe des Irans, zu reagieren: Es ist die Aufgabe der gesamten internationalen Gemeinschaft, auf eine so klare Bedrohung der UN-Charta zu reagieren.»
Inzwischen greift der Iran weiterhin Ziele in Israel an, dessen Luftwaffe wiederum weiterhin iranische Ziele bombardiert. Meldungen zufolge gibt es inzwischen aus Tel Aviv das Angebot über arabische Vermittlung, die Angriffe einzustellen. Unterdessen verurteilen zahlreiche Staaten wie auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres die US-Angriffe auf den Iran und warnen vor den Folgen.
Russlands Botschafter bei der UNO, Wassili Nebensja, erklärte bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates:
«Die USA haben mit ihren Angriffen auf den Iran die Büchse der Pandora geöffnet. Niemand weiß, welche neuen Katastrophen und welches Leid dies bringen wird.»
Der russische Diplomat warf den USA vor, kein Interesse an Diplomatie zu haben. Russland habe Vermittlungsgespräche für eine friedliche Lösung des Konfliktes um das iranische Atomprogramm angeboten. Doch die US-Führung sei «eindeutig nicht an Diplomatie interessiert». Nebensja warnte Berichten zufolge eindringlich vor einer weiteren Eskalation:
«Wenn wir die Eskalation nicht stoppen, wird sich der Nahe Osten am Rande eines großflächigen Konflikts mit unvorhersehbaren Konsequenzen für das gesamte internationale Sicherheitssystem wiederfinden.»
Die ganze Welt könnte am Rande einer nuklearen Katastrophe stehen, fügte Russlands UN-Botschafter hinzu. Unterdessen hat der russische Präsident Wladimir Putin den US-Angriff auf den Iran als «unprovozierte Aggression» bezeichnet. Er sagte das laut dem russischen Portal RT DE im Gespräch mit dem iranischen Außenminister Araghtschi, der Sonntagabend noch nach Moskau geflogen war.
Besonnene Reaktion
Für die US-amerikanischen Angriffe auf das Land gebe es keine Begründung und keinerlei Rechtfertigung, sagte demnach Putin. Russland werde seinerseits alles Mögliche tun, um dem iranischen Volk Beihilfe zu leisten, habe er erklärt.
Beobachter des Geschehens spekulieren seit einiger Zeit, warum Russland den Iran nicht militärisch unterstützt – bisher. In St. Petersburg erklärte Putin am Donnerstag laut Medienberichten auf entsprechende Fragen, der Iran habe Russland nicht um militärische Hilfe gebeten.
«Selbst als wir in der Vergangenheit angeboten haben, gemeinsam Luftabwehrsysteme zu entwickeln, gab es wenig Interesse von iranischer Seit», wurde Putin zitiert. Seiner Worten nach geht es um eine Einigung, die «sowohl die Interessen des Irans in Bezug auf seine nuklearen Aktivitäten als auch die Interessen Israels unter dem Gesichtspunkt der unbedingten Sicherheit des jüdischen Staates» gewährleisten müsse.
Das klingt nicht nach einer Bereitschaft, den Iran zu schützen, indem die dazu notwendigen Waffen geliefert werden. Das dürfte auch etwas mit den möglichen Folgen eines russischen Eingreifens zu tun haben.
Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob es bei der bisherigen besonnenen russischen Reaktion bleibt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Das gilt auch für China, das die US-Angriffe wie die Israels auf den Iran ebenfalls deutlich kritisiert. In seinem jüngsten Beitrag erklärt der Politologe Hermann Ploppa, warum aus seiner Sicht «niemand dem Iran zu Hilfe eilt».
Zuvor hatte der iranische Außenminister klargestellt:
«Letzte Woche verhandelten wir mit den USA, als Israel beschloss, diese Diplomatie zu sprengen. Diese Woche sprachen wir mit den E3/EU (-Staaten), als die USA beschlossen, diese Diplomatie platzen zu lassen.»
Am Samstag hatte Araghtschi noch mit den Außenministern der sogenannten E3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas gesprochen. Während Irans Vertreter auf das Selbstverteidigungsrecht seines Landes gegen die israelischen Angriffe hinwies, erklärten die westlichen Außenminister den Meldungen nach lediglich, Iran dürfe niemals eine Atomwaffe besitzen und müsse an den Verhandlungstisch mit den USA zurückkehren.
Moralischer Verfall
Auf entsprechende erneute westliche Forderungen an Teheran, wieder zu verhandeln, erklärte Araghtschi demnach: «Wie soll der Iran zu etwas zurückkehren, das er nie verlassen, geschweige denn hat platzen lassen?». Am Samstag hatte er auf der Plattform X erklärt:
«Während der Westen die Gräueltaten Israels ignoriert – nicht nur gegenüber dem Iran, sondern gegenüber allen Muslimen in der Region –, herrschen in der islamischen Welt beispiellose Empörung und eine Welle der Solidarität. Der Westen, der seinen moralischen Kompass völlig verloren hat, sollte dies zur Kenntnis nehmen.»
In einem interessanten Kommentar zu den US-Angriffen erklärte der ehemalige ungarische Diplomat György Varga im Onlinemagazin Moszkvater aus Budapest:
«Mit der Aggression gegen den Iran vertieft sich der moralische Verfall des kollektiven Westens weiter. Die westlichen Länder, die in einigen Fällen die Souveränität absolut setzen, in anderen Fällen ignorieren, stehen nach den Angriffen auf den Iran vor einem erheblichen Dilemma und riskieren eine weitere moralische Schwächung des kollektiven Westens.»
Der Westen ignoriere zusehends das Völkerrecht auf Grundlage der UN-Charta, so der Diplomat. Das zeige, dass der Westen «völlig eigennützig» handele. Das führe zu «äußerst beunruhigenden und in Richtung eines völligen Chaos tendierenden Entwicklungen».
Infolge der Aggression gegen den Iran sei der «immer offensichtlicher werdende moralische Verfall des kollektiven Westens» deutlich zu sehen, so Varga. So habe der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sich selbst vergessen, als er am 17. Juni erklärte:
«Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.»
Wegen dieser Aussage haben zahlreiche deutsche Persönlichkeiten sogar Strafanzeige gegen Merz gestellt.
Der Beifall aus Berlin und anderen westlichen Hauptstädten für den US-Angriff auf den Iran zeigt, dass nun auch die USA unter Trump diese «Drecksarbeit» erledigen. Wer so denkt, redet und handelt, interessiert sich offensichtlich nicht für die Folgen und glaubt, er könne wie bisher ungestraft in aller Welt unliebsame Regierungen wegputschen oder wegbomben, Zerstörung und Tod bringen sowie die Angegriffenen für die Folgen verantwortlich machen.
Doch die der Büchse der Pandora entwichenen Übel, all das damit in die Welt gesetzte Leid, machten dem griechischen Mythos nach vor niemandem Halt. Nur die Hoffnung entwich nicht und verblieb in der Büchse, heißt es – bis Pandora auch sie daraus entließ, doch da war es laut dem Mythos schon zu spät gewesen.
Nachtrag:
Inzwischen gibt es die ersten Meldungen, dass der Iran wie vorher angedroht US-Militärstützpunkte in arabischen Ländern angreift. So seien Raketen auf US-Stützpunkte in Katar und im Irak abgefeuert worden.
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