Bestenfalls als unreflektierte Bürger, zumeist jedoch als Verschwörungstheoretiker werden Kritiker der Corona-Maßnahmen bezeichnet. Solch eine Etikettierung zerstört jede gesellschaftliche Debatte, meint Nemanja Rujević.
Die Jagd auf Verschwörungtheoretiker ist in Deutschland ein Vollzeitjob, der nach dauerhafter Aufmerksamkeit verlangt. Ende Januar wurden die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk fündig: In der Sendung "quer mit Christoph Süß" zerlegte der Moderator die angebliche Verschwörungstheorie, nach der das Virus aus Wuhan viel schlimmer sei, als man in Deutschland damals wahrnehmen wollte.
Entsprechende Ansichten bezeichnete Süß als "kollektive Hypochondrie", "Pandemiegrusel" und "Paranoiaproduktion". Weiter wurde ein deutscher Arzt zitiert, der das Coronavirus als "nicht so gefährlich" bezeichnete, die wirklich schlimme Grippewelle vor zwei Jahren sei viel folgenreicher gewesen.
Gestern noch eine Verschwörungstheorie, heute schon Mainstream
Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Was gestern noch als Verschwörungstheorie galt, ist heute eine allgemein anerkannte Tatsache. Und die rhetorischen Kanonen, die der BR-Moderator damals abfeuerte, würden ihn heute als "Verschwörungstheoretiker" klassifizieren.
Trotzdem lässt bei vielen Journalisten, Analytikern und Politikern das Bedürfnis nicht nach, jeden Andersdenkenden in eine eindeutige Schublade zu stecken. Jetzt heißt es, die immer stärker wachsenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen seien ein Sammelbecken für Verschwörungtheoretiker, Rechtsextreme und - Achtung, das ist neu! - linke Esoteriker.
Deutsche Welle: Kommentar: Die bequeme Schublade für Kritiker der Corona-Maßnahmen