Der Mörder ist bekanntlich immer der Gärtner, der doch bloß unsere Gärten schön hält, also im Grünen arbeitet. Wieso ist denn jetzt die ehemalige Garten- und Umweltpartei, die Grünen, an allem schuld? Wieso erhebt sich das Volk, angeführt von den Bauern in ihren zivilisatorisch-agrikulturellen Panzern, den Traktoren, und zürnt gegen die Freunde von Natur und Umwelt?
Das ist nicht nur unverständlich, sondern gar absurd, wird uns doch von den Grünen und der ihnen angeschlossenen Bewegungen der Weg zur Rettung des Planeten gewiesen. Das alles im bunten, aber dennoch milden Licht eines über uns allen immer mehr strahlenden Regenbogens. Wer denn anders als die Grünen führt den Exodus aus dem kapitalistisch-versieften Global-Ägypten zwischen dessen Pharma-und Rüstungspyramiden an?
Wahrscheinlich beging ich soeben Bibellästerung oder gar Blasphemie, weil ich den Leidensweg dieser komplett humorbefreiten Partei mit Gleichnissen aus dem angeblichen Buch aller Bücher verglichen habe. Ich denke aber mitnichten, denn die Grünen verstehen sich selbst als Erweckungsjünger, von Kopf bis Fuß mit Bio-Grüntee gesegnet und gebenedeit.
Die Grünen haben sich in ihrer Selbstreflexion zu einem 4G-Hort entwickelt: Gute, Gerechte, Gutmenschen, Gutgläubige. Es fehlt nur noch eine kaiserliche Krönung, zum Beispiel ihres Wirtschaftsministers zu Kaiser Robertus «Habakukus» Habeck I., der dann wie einst Kaiser Theodosius im Codex Habakuki die neuen Gesetze, Verfügungen und insbesondere Verbote der Grünen sammeln lässt. Und das alles, während das Volk deutlich vernehmlich grollt.
Warum so viel Undank? Könnte es sein, dass der uneinsichtige Mob, das primitive Stimmvieh, der polternd-protestierende Pöbel, uneinsichtig und konsumgeblendet, die real existierende kapitalistische Gesellschaft genießt, sie sogar ab und an lustvoll zu leben versucht?
Für die Grünen Grund zur Panik, denn gerade eine sekuläre Gesellschaft mit einer ebensolchen Religion bedarf speziell der Gegenwartsfinsternins und apokalyptischer Zukunftsangst, die Hauptzutaten grüner «Realpolitik», damit das widerspenstige Volk doch noch einsichtig wird und gehorcht.
Aber: Wer will sich denn schon freiwillig vom Auto abwenden, dieser Freiheitssymbolik par exellence? Ein Auto – um damit zu fahren, wohin man will, wann man will, mit wem man will, zu wem man will? Das Auto, Nomen est Omen, steht für das Ich, das Selbst, und ist damit die Antithese zur grünkolchosisch-kibbuzinisch-kollektiven Glaubenswelt.
Eine Glaubenswelt, die mit ihren Kindern, sofern aus Umweltgründen überhaupt noch gezeugt, auf und in einem Lastenfahrrad umherschlingert. Lastenfahrräder, die oft so schmutzig sind, dass normale Eltern 1 und 2 weder den Familienhund, geschweige denn ihre Kinder reinsetzen würden. Au, fast vergessen: Auch Putzmittel sind natürlich nicht nachhaltig.
Vor 50 Jahren war Maos China noch das Fahrradparadies, mausarm, aber da schon grünpolitisch korrekt, wenn auch eher knallrot: Das Glaubensreich des Kommunismus, selbst die Kinder mit einem kleinen roten Büchlein in der Hand, mit dem sie später, hirngewaschen und umgedreht, sinnbildlich ihre Eltern erschlugen. Was heute noch fehlt: die grüne Bibel von Messias Habeck und seinen zwölf Apostel*:Innen.
Wer denkt, es gehe nur ums Auto – weit gefehlt! Das Volk, dieser ungebändigte Auswuchs, dieses Caput Medusae, diese zu bekämpfende Erscheinung jeder Demokratie, sträubt sich auch gegen den grünen Griff an den Kühlschrank, den Einkaufswagen, die Heizkörper und das Flugticket nach Malle. Generell an alle kleinen Freuden eines schon für die meisten maximal reduzierten Lebens bei 1.500 oder 2.000 Euro netto.
Wladimir Iljitsch Lenin stellte einst die Mutter aller Fragen: «Was tun?» Bert Brechts Antwort heute wäre: «Das Volk, lieber Wladimir Iljitsch, hat das Vertrauen der Grünen verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Grünen lösten das Volk auf und wählten ein anderes, ein neues, ein untertänigeres?»
Ich gestehe: Die Aussage ist zeitgemäss angepasst, aber bereits umgesetzt: Die Grünen haben sich längst ein neues Volk ausgewählt: Flüchtlinge, Schutzsuchende, Migranten. Bref: All die, die noch nicht so lange hier leben. Ein Volk, wie einst bei Mao, von Kindern, die grosser Betreuung bedürfen auf ihrem langen Marsch zu Wohlstand und defintiver Niederlassung. Damit schafft man sich zusätzliche Freunde und vor allem zukünftige Stimmen, in dem man auch eine mittlerweile gigantische Asylindustrie immer weiter aufbauscht und damit lukrative Pöstchen für die Nächsten und Liebsten kreiert.
Aber: Das auf den ersten Blick ach so Neue ist doch wieder nur das Alte: Politischer Paternalismus und Nepotismus, wie damals, als die Marxisten und Kommunisten das Proletariat unter ihre liebevoll-fürsorglich Obhut nahmen und die Arbeiterklasse ratzfatz zu «ihrem Volke» erklärten, dass sie dann top-down, von oben nach unten, regieren konnten. Bis dieses erwachte und, wie der gerade ausgebrochene Widerstand zeigt, sich heute nicht mehr von einer grünen Avantgarde und Bionade-Bourgoisie in ihren luxuriösen Altbauwohnungen am Berliner Prenzlauer Berg, Kinder in Privatschulen, disziplinieren lässt.
Aber die zuströmenden Opfer des globalen Südens, darunter statistisch unverkennbar viele Fachkräfte, sind gottlob für die Grünen von ganz anderem Kaliber: Autorität-religiöse Herrschaftsmodelle sind in ihrer DNA verwurzelt, zusätzlich sozial schlecht gestellt und deshalb schutzsuchend jeder Fürsorge ausgeliefert, stellen sie perfekte Objekte nachhaltiger grüner Herrschaft dar. Die Grünen singen Halleluja wie die Pfäffchen allenthalben bei den evangelischen Kirchentagen und frohlocken:
Hurra, die verlorene Arbeiterklasse ist ersetzt! Nun, das neue multikulturelle Proletariat definiert sich nicht unbedingt über die Arbeit, aber das passt doch perfekt: Die Enkel der 1968er plädieren, dem Gott des Chillens und Kiffens huldigend, für eine Ablösung des Leistungs- durch einen Helikopter-Zuwendungs-Nanny-Sozialstaates. Dieser kann dann endlich die ganz private Woke-Chill-Kiff-Balance finanzieren, vorübergehend in der Vier-Tage-, bald schon in der Drei-Tage-Woche, natürlich bei vollem Lohnausgleich, versteht sich doch!
Die Generation Z ruft: Bitte nichts Neues – es ging doch auch mit dem bisher Erlebten: Wohlstand im Elternhaus, Aussicht auf ein schönes Erbe, Entspannung im Hörsaal (ab und zu nur, wegen Burnoutgefahr), Zwanzigprozent-Job in einer NGO – alles mit Aussicht auf ein gut bezahltes Pöstchen in der Politik. Die Karriere der Dreifaltigkeit:
Kreissaal – Hörsaal – Plenarsaal
Als Sahnehäubchen oben drauf vielleicht noch Ministerpöstchen. Katharina Stolla, die Bundessprecherin und Vizevorsitzende der grünen Jugend, fragt: «Wofür soll ich mich in dieser kaputten Welt kaputt arbeiten?» Sie steht für die Zwanzig-Stunden-Woche ein – ohne finanzielle Abstriche. Diese würden ja auch wieder krank machen. Nach zwölf Schuljahren in einem Land, das am Pisa-Schwanz herumlungert und ein paar Semestern Selbsttherapie und -verwirklichung in Geschwätz»wissenschaften» kann ja nichts anderes herauskommen.
«Arbeit macht frei» war von Ortes wegen und in dessen Kontext verwerflich, enthumanisiert und daher krank. «Arbeit macht krank» ist aber schon als generelle Aussage krank.
Wird einem die bürgerliche Herkunft mal zu heftig vorgeworfen, bleibt noch der Vatermord, die Entfernung des privilegierten toxischen weißen Barbaren und dessen zweitem Selbst, des SUV. Nur zu dumm, dass man in diesem vom Latte-Macchiato-Mütterchen in die Schule, zum Tennis, zum interkulturellen Ausdruckstanz oder zum Ballett gefahren wurde. Tempi passati, jetzt fahr ich selbst, denkt Töchterchen oder Söhnchen oder als was auch immer man sich unter dem Regenbogen definiert. Oder wenn ich auch dafür zu faul oder blöd bin, gibt es noch Uber – mit tollen Arbeitsbedingungen – nach mir die Sintflut.
Der Übergang von der Work-Life-Balance zur Woke-Chill-Kiff-Balance entspricht allem, nur nicht der Wirklichkeit. Diese wird nach wie vor bestimmt von Handwerkern, Bäckern, Pflegefachkräften, Chauffeuren und Lenkern aller Art, Mülllabfuhr-Leuten, Tiefbauarbeitern und ja: Bauern.
Diese halten die Welt praktisch am Laufen. Die anderen oben genannten richten sie theoretisch zugrunde. Aber nicht mit uns, dem Volk, der für die Eliten hässlichen, immer wieder nachwachsenden Warze der Demokratie. Amandla awethu – alle Macht dem Souverän!
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Dies ist der Newsletter von Marco Caimi, Arzt, Kabarettist, Publizist und Aktivist. Aus Zensurgründen präsentiert er seine Recherchen nebst seinem YouTube-Kanal Caimi Report auf seiner Website marcocaimi.ch. Caimis Newsletter können Sie hier abonnieren.
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