Nach Ansicht von Wissenschaftlern werden die Menschen in Zukunft möglicherweise nicht mehr so viel Sex haben, um Kinder zu bekommen. Für viele mag das vorteilhaft klingen, aber es gibt auch Bedenken, die sehr ernst genommen werden müssen. Eine Diskussion über die Technologien, die im Moment in Labors erschaffen wird, scheint es (noch) nicht zu geben.
Einem ausführlichen Bericht des Wall Street Journal zufolge ist es Ziel von Forschungen wie denen des japanischen Biologen Katsuhiko Hayashi, Hautzellen von männlichen Mäusen in Mäuseeier zu verwandeln und diese zur Fortpflanzung von Babymäusen zu verwenden.
Im kalifornischen Berkeley versucht Matt Krisiloff, CEO von Conception Biosciences, mit Dutzenden von Wissenschaftlern, Eizellen ausserhalb der Eierstöcke zu erzeugen. Eine solche Technik könnte es auch Frauen, die schon in fortgeschrittenem Alter sind, ermöglichen, biologische Kinder zu bekommen.
Krisiloff, der homosexuell ist, sagt jedoch, dass die Technologie auch männlichen Paaren helfen könne, biologische Kinder ohne die Gene eines anderen zu bekommen. In Anlehnung an den Wunsch, der so viele Fortschritte in der Reproduktionstechnologie vorangetrieben hat, sagt Krisiloff:
«Ich möchte die Möglichkeit haben, mit meinem Partner biologische Kinder zu bekommen.»
Allerdings: Wenn es sich die Gesellschaft antrainiert, das Kind als ein Produkt zu betrachten, dann wird man versuchen, das bestmögliche Produkt zu bekommen. Und dann ist die Eugenik, das heisst die Rassenhygiene, nicht mehr weit.
Die künstliche Befruchtung, die vor mehr als 40 Jahren eingeführt wurde, löste die Verbindung zwischen Eizellen und Mutterschaft auf. Ausserdem können durch Gefrierverfahren Eizellen jahrelang in Banken gelagert und dann zur Verwendung aufgetaut werden.
Früher war es einfach: «Mater semper certa est», hiess es im römischen Recht («die Mutter ist immer sicher»). Die Mutter des Kindes ist danach immer die Frau, die es geboren hat. Eine Mutterschaft ist damit leicht festzustellen. Schon mit der künstlichen Befruchtung war es nicht mehr so leicht. Deshalb haben Länder wie Deutschland und Österreich ins Gesetz explizit den Grundsatz eingefügt:
«Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.» Auch wenn es sich dabei nicht um die genetische Mutter handelt, wenn zum Beispiel eine Leihmutter im Spiel ist.
Doch der lateinische Rechtsspruch impliziert auch, dass es in Bezug auf den Vater nicht so einfach ist. Eigentlich gilt: Pater semper incertus est («der Vater ist immer ungewiss»). Um dieser Rechtsunsicherheit vorzubeugen, kennen die meisten Rechtsordnungen die Rechtsvermutung, dass der Ehemann der Vater ist.
«Pater est, quem nuptiae demonstrant» («Vater ist, wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist»). Das bedeutet: Solange die Vaterschaft des Ehemanns nicht erfolgreich vor Gericht durch eine Vaterschaftsanfechtungsklage angefochten wurde, ist der Ehemann der Vater. Damit entspricht die heutige Rechtslage nach wie vor weitgehend dem römischen Recht.
Allerdings wird diese gesetzliche Vermutung nicht immer hingenommen: Väter wollen öfter durch einen DNA-Test Klarheit über ihre genetische Vaterschaft und daraus entspringende Unterhaltsverpflichtungen – Stichwort «Kuckuckskind» – erreichen. Dies ist heute technisch recht einfach.
Die Technologie erlaubt eventuell in Zukunft viel mehr, nämlich die Verwischung von Mutter- und Vaterschaft.
Obwohl die Wissenschaftler zugeben, dass der Prozess beim Menschen technisch viel schwieriger ist als bei Mäusen, werden die Dinge komplizierter, wenn der nächste Schritt kommt, nämlich eine potenziell unbegrenzte Quelle von Eizellen.
Menschen, die Embryonen testen wollen, um potenzielle Gesundheitsrisiken auszuschliessen, können sich vielleicht in Zukunft für den Einsatz der Reproduktionstechnologie entscheiden, um ein Kind zu bekommen, auch wenn sie unfruchtbar sind – und dessen genetische Merkmale wählen. Das wäre dann Eugenik.
«Da man aus den Hautzellen einer Frau oder eines Mannes Tausende von Eizellen herstellen kann, kann man auch Tausende von Embryonen haben», sagt Hank Greeley, Juraprofessor und Direktor des Zentrums für Recht und Biowissenschaften an der Stanford University in den USA. «Potenzielle Eltern können denjenigen auswählen, der ihnen gefällt.
Eine solche Entwicklung wirft jedoch automatisch wichtige bioethische Fragen auf. Solche Entwicklungen könnten ein neues Denken über Elternschaft erfordern, sagt Anne Le Goff, eine Philosophin an der University of California (UCLA), die sich mit der Ethik der externen Befruchtung beschäftigt.
«Man muss nicht mehr wissen, wer die Mutter oder der Vater in der Geburtsurkunde ist», sagt Le Goff. «Man kann einfach die Namen der Eltern aufschreiben.»
Würde es also möglich, Eizellen in grosser Zahl zu produzieren, würde das dazu führen, dass Kinder wie ein Produkt auf Bestellung behandelt werden können.
Allerdings ist die Technik noch nicht so weit, um die Familie zu schaffen, von der Krisiloff träumt. «Ich schliesse nicht aus, ein Kind zu adoptieren oder eine Eizellspenderin zu verwenden. Ich sehe darin eine Erweiterung der Möglichkeiten für Menschen, Kinder so zu bekommen, wie sie es wollen. Das ist im Allgemeinen eine gute Sache.»
Die daraus entstehenden Kinder sind genetisch nur mit einem Elternteil verwandt, aber werden in eine Partnerschaft mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen hineingeboren.
Reproduktionstechnologien können dazu führen, dass die Menschen Kinder als ein Produkt oder eine Aufgabe betrachten, die wir übernehmen, anstatt als einen Segen, der der Liebe der Eltern geschenkt wird.
Die Diskussion über die ethische Dimension der gegenwärtigen und zukünftigen Möglichkeiten der menschlichen Reproduktion steht, so könnte man meinen, erst am Anfang.
Eizellenspende und Leihmutterschaft, bei denen Menschen für ihre Dienste bezahlt werden, seien ebenfalls ethisch bedenklich, entgegnet Jacob Hanna, Biologe am Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel. Er ist homosexuell und hat viele schwule Freunde, die diese Methoden zur Familiengründung nutzen. So würden sich einige Frauen vielleicht nicht als Spenderinnen oder Leihmütter zur Verfügung stellen, wenn sie nicht mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten.
Kommentar von Transition-News-Redakteur Daniel Funk:
In der Literatur gibt es mehrere sehr eindringliche Darstellungen, die zeigen, was passieren kann, wenn die menschliche Fortpflanzung von der Liebe zweier Menschen abgekoppelt wird.
«Brave New World», der Science-Fiction-Roman von Aldous Huxley zeigt, wie Menschen mittels physischer Manipulationen geboren und anschliessend durch Indoktrinierung konditioniert werden. Solche Konditionierungen werden möglich, weil Eltern – um nicht zu sagen: Mütter und Väter – keine Rolle mehr spielen.
Eine weitere Arbeit, die ebenso beunruhigend ist, weil näher an der heutigen Realität, ist der Roman «Die Hochhausspringerin» der jungen Schriftstellerin Julia von Lucadou.
Auch dort ist es die Privatheit der Kernfamilie, die fehlt. Dadurch wird ständiges Manipulieren und Beobachten mittels Kameras möglich gemacht und breite Akzeptanz dafür geschaffen.
Die Frage ist also: Wollen wir das alles, was da jetzt und in Zukunft möglich ist? Und: Warum wird das nicht breiter diskutiert?