Was auf den ersten Blick wie ein nüchterner Gesetzesvorschlag erscheint, ist bei genauerer Betrachtung eine strategische Umdeutung: Der Begriff «Gentechnik» wird vermieden, ersetzt durch scheinbar harmlose Formulierungen wie «präzise Züchtung» oder «technisch erzeugte Sorten». Doch juristisch und biologisch bleibt es das, was es ist – Gentechnik. Das bestätigt selbst der Europäische Gerichtshof: Neue Verfahren wie CRISPR/Cas9 unterliegen dem Gentechnikrecht.
Der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, plant zum Beispiel gerade eine neue Regelung für moderne Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas9. Dabei wird der Begriff «Gentechnik» bewusst vermieden und durch Begriffe wie «präzise Züchtung» ersetzt. Das verwässert die rechtliche Einordnung, wodurch gentechnisch veränderte Pflanzen ohne Kennzeichnung, Risikoprüfung oder Rückverfolgbarkeit auf den Markt gelangen könnten. Kritiker sehen darin eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit.
Diese semantische Verschleierung zielt darauf ab, demokratische Kontrolle zu umgehen. Wird die Kennzeichnungspflicht aufgeweicht, verlieren Konsumenten das Recht auf Wahlfreiheit. Die geplante Gesetzesänderung des Bundesrats, der Schweizer Landesregierung, stellt somit nicht nur einen Rückschritt dar, sondern gefährdet die Grundprinzipien eines transparenten Marktes. Der Verein WIR publizierte vor einigen Tagen einen ausführlichen Hintergrundbeitrag, auf den sich diese Analyse stützt.
Trotz des Versprechens von Präzision schafft die Gentechnik keine Stabilität, sondern biologische Unsicherheit. Eingriffe ins Erbgut führen zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen, die mit wachsendem Chemieeinsatz kompensiert werden müssen. Die Folge: Abhängigkeit von Herbiziden, zunehmende Resistenzen und ein gefährlicher Teufelskreis, bei dem am Ende nicht die Natur gewinnt, sondern die Industrie.
«Roundup Ready»-Pflanzen zeigen es deutlich: Sie überleben nur, weil sie an ein firmeneigenes Herbizid angepasst wurden. Dieses System bindet Landwirte an Produkte, zerstört Böden und Biodiversität und treibt den Pestizideinsatz in die Höhe.
Gentechnisch veränderte Pflanzen verbreiten sich unkontrolliert durch Pollenflug. Biolandwirte stehen unter ständigem Kontaminationsrisiko. Ohne klare Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit wird gentechnikfreie Landwirtschaft praktisch unmöglich. Konsumenten und Produzenten verlieren ihre Entscheidungsfreiheit – während Konzerne die Oberhand gewinnen.
Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern System: Die Gentechnik wird juristisch zur Eintrittskarte für Patente – und damit für wirtschaftliche Macht über das Leben. Wer das Saatgut kontrolliert, kontrolliert die Nahrungsmittelproduktion. Und wer das Essen kontrolliert, kontrolliert Gesellschaften.
Trotz aller technischer Euphorie bleibt die Frage nach der wissenschaftlichen Fundierung offen. Die Theorie, Gene seien steuerbare Baupläne des Lebens, wird seit Jahren infrage gestellt – selbst innerhalb der Genetik. Komplexität, Kontext und Dynamik biologischer Prozesse lassen sich nicht mit simplen Schnittmustern beherrschen. Die vermeintliche Präzision ist in Wirklichkeit ein Mythos, genährt von Modellannahmen, nicht von Beobachtungen.
Langzeitstudien zu gesundheitlichen Risiken fehlen. Und was wir wissen, ist beunruhigend: Hinweise auf Off-Target-Effekte, Instabilitäten und mögliche Gesundheitsgefahren gibt es zuhauf – und sie sind nicht ausgeräumt, sondern meist unerforscht.
In Wahrheit ist Gentechnik weniger eine wissenschaftliche, sondern vor allem eine juristische Konstruktion. Sie macht Leben patentierbar – und damit ökonomisch nutzbar. Die Pflanzen werden nicht verändert, um sie zu verbessern – sondern um sie zu «erfinden». Nur so kann ein Konzern sich exklusive Rechte sichern. Die Natur wird zu einem Lizenzprodukt degradiert. Die Folge: Kleinbauern verlieren ihr Saatgutrecht, Vielfalt wird durch Monokultur ersetzt, Ernährung wird zur Ware.
Das zeigt sich auch in der engen Verflechtung von Biotechnologie und Chemieindustrie. Gentechnik funktioniert nicht unabhängig – sie ist integraler Teil eines Systems, das auf maximaler Verwertbarkeit basiert.
Gentechnik ist kein technologischer Fortschritt, sondern ein ökonomisches Machtinstrument. Sie verkauft Illusionen von Präzision, um ein Geschäftsmodell der Abhängigkeit zu etablieren. Statt auf Transparenz, Vielfalt und Resilienz setzt sie auf Kontrolle, Chemie und Patente.
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